Wangu-Christine Sellin beginnt ihre Ausbildung in Harburgs Nobelherberge. Insgesamt hat der Kreis Harburg rund 1.500 neue Auszubildende.

Harburg. Asijefunzwa na mamaye, nufunzwa na ulimwnegu - was die Mutter nicht lehrt, erfährt man in der Welt, lautet ein kenianisches Sprichwort. Eine Weisheit, die die gebürtige Kenianerin Wangu-Christine Sellin auf ihrem verschlungenen Weg zum Traumberuf verinnerlicht haben mag. Gemeinsam mit elf weiteren jungen Lehrlingen verbringt die 35-Jährige heute den zweiten Ausbildungstag im Hotel Lindtner. Insgesamt haben in Bezirk und Kreis Harburg schätzungsweise gut 1500 junge Menschen ihre Ausbildung begonnen.

Zweieinhalb Jahre dauert die Ausbildung zur Hotelfachfrau. "Ich bin Perfektionistin, da passt der Beruf sehr gut zu mir", sagt Sellin. Ein schlampig gedeckter Frühstückstisch oder Staub auf den Schränken in den Hotelzimmern - das gibt es für Sellin nicht. Sie liebt außerdem die familiäre Atmosphäre in der Harburger Nobelherberge und ihren abwechslungsreichen Arbeitsalltag. Denn während ihrer Lehrzeit wird sie nicht nur als Zimmermädchen, sondern unter anderem auch im Restaurant, an der Bar und an der Rezeption arbeiten.

Dass ihr das Berufsleben in der Hotellerie liegt, stand nicht von vornherein fest. "Nach meinem Schulabschluss in Kenia habe ich erst einmal als Anwaltsgehilfin gejobbt", sagt sie. Doch eigentlich wollte sie die Welt kennenlernen. "Ich hatte mir vorgenommen, im Ausland zu studieren, entweder in Indien oder England. Das hatte praktische Gründe, denn dann hätte ich keine neue Sprache erlernen müssen. Englisch beherrschte ich schon", sagt sie. Aber dann entschied sie sich für den totalen Schnitt. "Ich dachte, wenn ich schon in einem fernen Land neue Erfahrungen machen möchte, dann aber komplett."

Ihr Vater, der einst Biochemie in Schweden studiert hatte, warnte sie vor diesem Schritt. "Er sagte, dass es sehr einsam im Ausland für mich werden könnte. Er riet mir, zunächst Fernseher und Radio zu kaufen, damit ich ein wenig Unterhaltung habe", sagt sie.

+++ Mehr Stellen als Bewerber +++

Und so fand sie sich 2001 in Duisburg wieder, büffelte die deutsche Sprache und schaffte bereits 2002 den Einstieg in ein Studium der Materialwissenschaften. Viel Zeit, sich Heimwehgefühlen hinzugeben, hatte sie bei ihrem ehrgeizigen Arbeitspensum nicht. "Das ging alles so schnell, alle waren sehr freundlich zu mir, ich hatte wenig Probleme, mich hier zurechtzufinden."

2005 traf sie ihre große Liebe, heiratete und bekam zwei Töchter, Lisa und Leah. Die neuen Lebensumstände, Haushalt und Kinder, beschäftigten sie so sehr, dass wenig Zeit fürs Studium blieb. "Ich wollte zu Hause bleiben, das war mir wichtig. Meine Mädchen brauchten mich."

Wenige Jahre später zog die Familie nach Hamburg, da die Technische Universität Hamburg-Harburg ihren Ehemann, Biochemiker wie ihr Vater, engagierte. Lisa und Leah, heute fünf und drei Jahre alt, "sind inzwischen aus dem Gröbsten raus", so Sellin. Das unterbrochene Studium wieder aufnehmen, das wollte die 35-Jährige jedoch nicht. "Zum einen gibt es das Fach an keiner Hamburger Uni", sagt sie. Und dann stand ihr der Sinn auch nach Veränderung. Sellin: "Ich jobbte einige Wochen als Zimmermädchen hier im Hotel Lindtner. Das gefiel mir." Außerdem reizt die Aussicht, als Hotelfachfrau auch im Ausland arbeiten zu können. "Man kann nicht in die Zukunft blicken. Vielleicht wandern wir ja mal aus. Dann ist es gut, einen Beruf zu haben, den man überall ausüben kann." Dass Wangu-Christine Sellin ihren Weg in der Welt machen wird, davon ist Hotelchefin Heida Lindtner überzeugt. "Sie ist begabt und hat Charme." Eigenschaften, die gute Gastgeber ausmachen.