Marion Hensel stellt in Jesteburg mit Erfolg Produkte aus Hanf-Nutzpflanzen her. Erstmals baut sie jetzt selbst “Cannabis sativa“ an.

Jesteburg. Wenn von Hanf oder Cannabis die Rede ist, dann kreisen die Gedanken vieler um Haschisch und Marihuana. Aber hier, im Landkreis Harburg, geht es nicht um Tüte, Rauch und Rausch, sondern um neu gezüchtete und vom Bundeslandwirtschaftsministerium zugelassene Hanf-Nutzpflanzen der Gattung "Cannabis sativa". Sie bringen mit einem THC-Gehalt von weniger als 0,2 Prozent keinerlei Rauschzustände mehr zustande. "Man müsste schon 50 Kilogramm auf einmal konsumieren, um überhaupt eine minimale Wirkung zu erzielen", erklärt Marion Hensel, Chefin der vor gut einem Jahr in Jesteburg neu gegründeten Firma Hanf-Schnitt-Nord GmbH.

Gäbe es eine Skala, auf der die Begeisterung für den Nutzhanf abzulesen wäre, würde diese bei Hensel trotzdem höchste Werte erreichen. "Hanf wird schon seit mehr als Tausend Jahren angebaut und ist so vielseitig nutzbar wie kaum eine andere Pflanze Sie findet zunehmend wieder Verwendung in der Medizin, in der Nahrungsmittelindustrie und in der Textilbranche", betont sie. Ihre Firma handelt über das Internet inzwischen nicht nur mit Hanf-Produkten wie Speiseöl, Textilien, Kosmetik, Seife, Duschgel, Tee, Kaffee oder auch Gebäck, sondern baut seit April dieses Jahres auf einem 1,5 Hektar großen Feld im Landkreis Harburg erstmals selbst "Cannabis sativa" an. In Kürze steht die erste Ernte auf dem Terminkalender, ein Großteil davon in Handarbeit. "Wir sind schon sehr gespannt, wie wir das hinbekommen", sagt sie.

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Blätter werden gepflückt unter anderem für die Herstellung von Tees, Blüten für ätherische Öle, Samen für Speiseöl, die bis zu vier Meter langen Stiele für die Gewinnung von Fasern und Zellstoff. "Wir überlegen noch, ob es nicht auch noch eine Verwendung für die bis zu zwei Meter langen Pflanzenwurzeln gibt.", sagt sie.

Eigentlich hatte sich Marion Hensel niemals träumen lassen, in ihrem Leben je landwirtschaftlich zu arbeiten und Hanfprodukte zu vermarkten. "Nichts war geplant, der Zufall hat eine Rolle gespielt", erinnert sie sich an ihren Urlaub im Jahr 2010 in Amsterdam, zusammen mit ihrem Mann Markus und Tochter Nadine.

In Amsterdam gibt es ihren Worten nach bekanntlich in der Mehrzahl die berauschenden Hanfprodukte. "Um die haben wir einen großen Bogen gemacht", betont Hensel. Aber zu Hause angekommen habe sich ihr Mann an den Computer gesetzt und im Internet alles Wissenswerte über Nutzhanf zusammengetragen. Wegen nachgesagter Heilwirkung bestellte Markus Hensel im Versandhandel für einen asthmakranken Verwandten ein mit Hanfblüten gefülltes Kissen, auf dem der fortan nachts schlief. Die Heilwirkung führte zur Beschwerdefreiheit des Asthmakranken. Hensels Begeisterung sprang auf seine Frau über und führte zur Geschäftsgründung von Hanf-Schnitt-Nord.

Erste Produkte wurden über am Großhandel gekaufte Rohware hergestellt. Blütenkissen waren dabei, Kissenhüllen, Tischdecken, Bettwäsche und Kuscheltiere wie den großen Hanfbären "Ben" oder auch das kleine Hanfhäschen "Lilly". Die nächste Produktion soll bereits aus der ersten eigenen Ernte auf den Markt gebracht werden. "Beim Anbau von Hanf werden keine Pflanzenschutzmittel eingesetzt", sagt Marion Hensel, "alle Produkte sind biologisch rein." Markus Hensel betreibt eine eigene Firma, den Brennstoffhandel Hensel an der Wetternstraße in Harburg. "Ich denke, dass Hanf als nachwachsender Rohstoff auch auf dem Energiesektor eine Zukunft haben wird", deutet er eine mögliche weitere Entwicklung an.

Während der Hanfanbau in Süd- und Ostdeutschland in der Landwirtschaft bereits größeren Umfang angenommen hat, ist die Nutzpflanze im Norden noch nicht stark vertreten. "Meines Wissens sind wir im Landkreis Harburg die Ersten, die mit Hanfanbau begonnen haben", sagt Marion Hensel, "das meiste Geld wird in der Landwirtschaft offensichtlich mit dem Anbau von Mais verdient, der überwiegend in Biogasanlagen landet. Es ist deshalb äußerst schwierig, freie Anbauflächen für Hanf zu finden. Und die Pflanze hat den Vorteil, dass sie die Böden durch Entzug von Nährstoffen nicht stark belastet." Auf der 1,5 Hektar großen Anbaufläche werden aus 60 Kilogramm Saat etwa 60 Tonnen Biomasse erwartet.

Ihren Angaben nach ist Hanf für die Herstellung von Armaturenbrettern, Innenverkleidungen und selbst leichtgewichtigen Antriebswellen aus dem Automobilbau schon nicht mehr wegzudenken. Und auch die Bauindustrie nutze Hanf unter anderem als Dämmmaterial. "Es können bereits ganze Häuser aus Hanf gebaut werden", hebt Marion Hensel hervor. Aber der Heilwirkung der Pflanze komme ihrer Meinung nach doch die größte Bedeutung zu. Und was dem Menschen helfen kann, dass kann auch für Tiere von Nutzen sein. So gibt es inzwischen Hanfprodukte für große und kleine Tiere, von Hamster bis Pferd, als Futterzusatz oder als Einstreu für den Stall. "Vermutlich werden wir schon bald größere Anbauflächen für unseren Nutzhanf benötigen", sagt Marion Hensel. Die bevorstehende erste Ernte auf dem noch relativ kleinen Feld wird ganz sicher nicht die letzte sein.