CDU befeuert Diskussion um ein Alkoholverbot - auch weil das Standesamt in das Rathaus umzieht. Umsetzung jedoch schwierig.

Harburg. Die CDU lässt in der Diskussion um ein Alkoholverbot auf dem Harburger Rathausplatz und anderen öffentlichen Plätzen, auf denen sich eine Trinkerszene verfestigt hat, nicht locker. Die Christdemokraten liefern jetzt ein neues Argument, um die Mehrheit in der Bezirksversammlung doch noch zu einer härteten Gangart umzustimmen: den Umzug des Standesamtes vom Museumsplatz in das Harburger Rathaus.

Wenn dort regelmäßig ab dem Frühjahr 2013 geheiratet wird, würden Brautpaare nach dem Jawort auf den Rathausplatz treten - an Bierflaschen und "Trunkenbolden" vorbei. Auf dieses Szenario wies der stellvertretende Harburger CDU-Ortsversitzende Michael Hagedorn am Mittwochabend beim CDU-Stammtisch im Vereinsheim des Harburger Turnerbundes hin.

Ausgerechnet vor dem rechten Flügel des historischen Rathauses, in den das neue Standesamt einziehen wird, trifft sich regelmäßig eine Gruppe trinkfester Leute. An warmen Tagen lässt auf den Bänken vor der Restaurant-Zeile des Rathausplatzes ein Dutzend Rucksackversorger bis in den Abend hinein die Flaschen kreisen.

Könnte die Aussicht, bei der eigenen Hochzeit in ein fremdes Saufgelage hineinzustolpern, Brautpaare davon abhalten, in Harburg zu heiraten? Bezirksamtssprecherin Petra Schulz mag darüber nicht spekulieren. Das Harburger Rathaus, sagt sie, sei für Hochzeiten sehr beliebt. Schon heute dürfen Brautpaare an bestimmten Tagen in dem repräsentativen Neorenaissancegebäude heiraten.

Seit Jahren sucht der Bezirk Harburg nach Lösungen für die öffentliche Trinkerszene. Zurzeit setzt die polische Mehrheit nicht auf ein Alkoholverbot, sondern auf das Projekt "ZuArbeit Harburg". Dabei suchen Mitarbeiter der gemeinnützigen Firma "Passage" Menschen auf, die den Tag oder auch noch den Abend damit verbringen, auf öffentlichen Plätzen zu sitzen und Alkohol zu trinken. Die Sozialarbeiter sollen den Leuten Arbeitsangebote machen, neue Lebensperspektiven aufzeigen.

Die CDU-Bezirksversammlungsabgeordnete Helga Stöver vermag keinen Erfolg der Sozialarbeit auf dem Rathausplatz zu erkennen. "Man tut etwas, aber die Situation ändert sich nicht", sagt sie. Auf dem Rathausplatz solle ein Alkoholverbot ausgesprochen werden, macht Michael Hagedorn die Position der CDU deutlich. Der Rathausplatz sei einer der schönsten Flecken Harburgs und müsse für die "normale Bevölkerung" zurückgewonnen werden.

Die Christdemokraten halten Alkoholverbote auch auf anderen öffentlichen Plätzen in Harburg für notwendig. "Die Sauferei muss aufhören - egal wo", sagt ein Stammtischbesucher.

Denn inzwischen haben sich mehrere Trinkerszenen in der Harburger Innenstadt verfestigt. Am Marktplatz am "Sand", vor dem sogenannten "Gloria-Tunnel" gegenüber dem Cinemaxx-Kino, auf dem Seeveplatz - überall sitzen Menschen auf Bänken oder Treppenstufen und schütten Alkohol in sich hinein. Auch auf dem obersten Parkdeck des Marktkauf-Kaufhauses sollen sich zwischenzeitlich Rucksackversorger breit gemacht haben. Überall hätten dort Bierflaschen herumgelegen, erzählt einer. Diese Parkdeckszene gilt nach dem Einschreiten des hausinternen Ordnungsdienstes mittlerweile wieder als aufgelöst.

Viele der öffentlichen Trinker seien Wanderer geworden und würden "mit der Sonne ziehen", sagt ein Stammtischbesucher, der als ausgesprochener Kenner der Harburger Innenstadt gilt. "Wir haben also Alkoholnomaden", beschreibt Helga Stöver die Harburger Trinkerszene. Ein anderer berichtet von sechs oder sieben Osteuropäern, die sich am Sand "die Kante" gegeben hätten.

Während die Christdemokraten sich weiter für ein Alkoholverbot stark machen, haben indes die Geschäftsleute am Sand ihre Unterschriftensammlung gegen die Alkoholszene vor ihren Läden vorerst eingestellt. Laut Michael Hagedorn seien die Geschäftsleute mittlerweile zu dem Schluss gekommen, dass die Trinker kranke Menschen seien, die man nicht einfach nur verjagen dürfe.

Die Diskussion sei in die falsche Richtung gegangen, sagt auch Kioskbesitzer Ali Kashgar. Der Mitinitiator der Unterschriftensammlung betont aber, dass es so wie zurzeit nicht mit den Trinkern weiter gehen dürfe. Die Geschäftsleute setzen also auf die Sozialarbeit - wollen aber Erfolge sehen. Die Ladeninhaber am Sand hatten sich zunächst nicht anders als mit der Unterschriftensammlung weiter zu helfen gewusst, weil die Trinkerszene offenbar außer Kontrolle geriet. Sie berichteten von Betrunkenen, die sich geschlagen hätten. Trinker hätten ihre Notdurft in Hauseingängen verrichtet.

Bezirksamtssprecherin Petra Schulz weist auf ein großes Problem eines Alkoholverbots hin: die Durchsetzbarkeit. Die personelle Lage in der Verwaltung, sagt sie, sei sehr dünn.