Für viele ist das “Mutter-Vater-Kind-Heim“ in Heimfeld die letzte Chance

Heimfeld. - "Du musst noch die Spülmaschine ausräumen.", hört man es laut über den Flur im ersten Stock der Altbauvilla rufen. "Ja, ich weiß, das mache ich später, wenn ich wieder da bin", ist die Antwort der jungen Frau. "Ach ja, und dein Zimmer ist auch noch nicht aufgeräumt", wird in mahnendem To nachgesetzt. "Bis auf die letzte kleine Ecke hinter der Tür bin ich fertig, weiter bin ich irgendwie noch nicht gekommen", folgt die Rechtfertigung. Ein Dialog, der wohl jeder Mutter eines Heranwachsenden bekannt sein dürften. Trotz, sich ausprobieren, Grenzen ausloten - all das spielt in diesem Alter eine Rolle. Und im Idealfall geht der Jugendliche mit einem starken Charakter und viel Selbstbewusstsein aus dieser Zeit in sein selbstbestimmtes Leben.

Im Idealfall - Aber der Dialog über Haushaltspflichten und Ordnung mit den eigenen Sachen wurde von Teenager-Müttern im "Mutter-Vater-Kind-Heim" in der Heimfelder Straße geführt. Und die wenigen Sachen, die in ihrem Leben bisher "ideal" gelaufen sind, kann man an einer Hand abzählen.

Jetzt sind sie hier, und wohnen in einem "Übungsfeld", wie die Erzieherin Sarah Lachmair die Einrichtung nennt. Und mit "Übungsfeld" ist keinesfalls eine Spielwiese gemeint.

Zwar werden die jungen Mütter hier Tag und Nacht von Sozialpädagogen begleitet, doch Ziel sei es, die Mutter mit ihrem Kind für ihren eigenen Alltag fit zu machen., so Ralf Ewert, Bereichsleiter der Kinder- und Jugendhilfe Margaretenhort. Und zwar mit festgesetzten Regeln und individuellen Zielen, die vertragsartig festgehalten werden. Ihren Alltag, also Einkaufen, Putzen, Waschen und die Kinderbetreuung müssen die jungen Mütter weitestgehend selbst organisieren.

"Wenn sie krank sind, Fieber haben und schlapp sind, nehmen wir ihnen natürlich die Kinder ab", so Lachmair, aber für Freizeitaktivitäten müssten sie zunächst eigene Lösungen finden. "Wenn sie mal ins Kino gehen wollen, kommen sie auf die die tollsten Lösungen", so Ewert über das Organisationstalent der jungen Frauen. Gegenseitige Hilfe und Unterstützung sei hier an der Tagesordnung. Aber "es kostet sicherlich auch Überwindung hier einzuziehen.", so Lachmair, denn "manche können sich schwer von ihrem bisherigen Leben lösen." Für andere sei es ein notwendiger Schnitt. "Aber alle, die hier einziehen, wissen, dass sie etwas lernen müssen", so Ralf Ewert.

Dass sie etwas lernen müssen, im Alltag mit sich und dem Kind, ist ihnen zuvor schmerzhaft deutlich gemacht worden. Denn die wenigsten melden sich hier aus eigenem Antrieb. Häufig vermittelt das zuständige Jugendamt einen Platz in der Wohngruppe. Und immer wieder kommen auch ein paar junge Frauen per Gerichtsbeschluss hierher, bestätigt Ewert, "Das ist dann ihre letzte Chance."

Und die wollen viele hier nutzen - das merkt man. Die Atmosphäre im Haus ist ruhig und lebensfroh. Zwei Frauen sitzen mit ihren Kindern am Tisch und füttern sie mit Geduld und Hingabe. Und immer wieder sieht man junge Frauen mit ihren Babys auf dem Arm durch den Garten spazieren. Sie wiegen ihre Kleinen und reden leise mit ihnen. Einen behutsamen, zärtlichen Eindruck bekommt man von ihnen. Sie wirken freundlich und souverän, gar nicht hektisch und überlastet - eben wie "normale Mütter" in ihrem geregelten, ordentlichen Alltag. Man fragt sich fast, warum sie noch hier sind, da doch alles so geregelt wirkt.

Die Betonung liegt auf noch. Denn die Realität zeigt, dass es noch ein ganzes Stück an Vorsorge bedarf, den der Schritt in das eigenständige, neue Leben verlangt. Junge Mütter werden nicht nur während ihres Aufenthaltes in der Wohngemeinschaft betreut, sie werden auch in ihr neues Leben begleitet.

"Nach dem letzten Treffen mit dem Jugendamt muss eine Familienhilfe organisiert werden, ein Kitaplatz für die oder den Kleinen zur Verfügung stehen und ein eventueller Therapieplatz für die Mutter", zählt Neumair die Aufgaben der "Nachsorge" auf. Nicht fehlen dürfe natürlich auch die eigene Wohnung als Basis für ein harmonisches Nest. So die Theorie und das sozialpädagogische, Erfolg versprechende Konzept.

Aber nicht immer ist genau dieser vorgezeichnete Weg bei den Müttern zu beobachten. Nicht immer ist der Ausgang jeder einzelnen Geschichte hier so harmonisch Manchmal setzen sich die Mütter erst hier mit ihrer Mutterrolle auseinander. Dann könne es durchaus vorkommen, dass die Mütter nach ihrem Aufenthalt in der Wohngemeinschaft nicht weiter mit ihren Kindern zusammen leben wollen. Auch das sei dann allerdings ein Erfolg, so Lachmair, "weil wir die Mütter auf dem Weg zu ihrer Entscheidung begleiten und ihnen helfen konnten."