Funkamateure haben ihre eigenen Verbindungen - auch ganz ohne Mobiltelefon. Die Attraktivität des Hobbys ist immer noch sehr hoch.

Harburg. Es gibt sie noch: Funkamateure, die mit Sendern, Empfängern und Antennen Kontakte zu Gleichgesinnten in der ganzen Welt pflegen. Moderne Mobiltelefone und das Internet haben ihnen den Spaß an dem alten Zauber bislang nicht rauben können. Im Gegenteil. Zunehmend beschäftigen sich auch wieder junge Leuten mit der vergleichsweise einfachen Technik ihrer Großväter und sind an Wochenenden bei Funk-Wettbewerben sogar bis zu 48 Stunden auf Sendung - mit Sprechfunk oder auch mit Morsetaste, um möglichst viele Kontakte ins Logbuch eintragen zu können.

Und Funkamateure können häufig auch in Notfällen helfen, wenn beispielsweise durch Erdbeben, Tornados oder Tsunamis regionale Leitungsnetze zerstört sind und weder Mobiltelefon noch Internet funktionieren. Die Technik ist grundsolide. Für den Funkbetrieb der Amateure genügen verhältnismäßig einfache Antennen, die Sender und Empfänger funktionieren auch mit Batterien, und über Kurzwelle lässt sich auf diese Weise weltweit die erste Hilfe organisieren.

"Dazu sehen wir uns auch verpflichtet", sagt Andreas Jahnke, 51. Er ist der erste Vorsitzende des Amateurfunk Ortsverbands Hamburg-Harburg und damit Chef der zwei Clubstationen auf dem Schwarzenberg, in Räumen der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH). Die erste Clubstation hört auf das internationale Rufzeichen DL 0HAR (gemäß Nato-Alphabet: Delta, Lima, Zero, Hotel, Alfa, Romeo) und die andere, von den Studenten genutzte Station, auf das Rufzeichen DL 0TUH (Delta, Lima, Zero, Tango, Uniform, Hotel). Ole Borzek, 23, aus Norderstedt und Thomas Philipp, 22, aus Harburg studieren im siebten Semester Elektrotechnik, hatten Anfang des Jahres die Funkamateurausbildung bei Andreas Jahnke begonnen und zusammen mit zwei weiteren Kommilitonen im Juni bei der Bundesnetzagentur die Einsteiger-Prüfung (E-Lizenz) bestanden. Ole freut sich nun über sein eigenes Rufzeichen DO1OLE und Thomas über DO9MAS. Mit etwas Fantasie lassen sich die beiden Vornamen der Studenten im Rufzeichen erkennen. "Das macht ganz einfach Spaß", sagt Ole, "durch unser Studium haben wir es bei der Prüfung natürlich leichter, weil wir uns um das technische Grundwissen nicht mehr kümmern müssen."

Seit der Physiker Heinrich Hertz 1888 durch Schaltimpulse elektromagnetische Wellen entdeckt und die erste Funktechnik entwickelt hatte, ist viel geschehen. Heute können Funkamateure auch Satelliten im All nutzen oder sogar Kontakt zu Raumstationen aufnehmen. Manche experimentieren auch mit Richtantennen, nehmen den Mond als Reflektor und freuen sich, wenn sie das von ihnen selbst ausgestrahlte Signal mit einer Verzögerung von wenigen Sekunden wieder empfangen. Das gleiche Experiment beglückt auch den Funkamateur, wenn er es schafft, mit seinem Signal auf dem Zehnmeterband einmal den Erdball zu umrunden.

Während der vergangenen zwei Jahre gab es dabei aber Probleme. Die Sonne war wenig aktiv, die elektrisch leitenden Teilchen in der Erdatmosphäre (Ionosphäre, 100 bis 200 Kilometer Höhe) waren schwach, boten wenig Reflexion und Reichweite. "Jetzt stimmt die Sonnenaktivität wieder", sagt Jahnke. Aber das Schönste ist, wenn sich irgendwo auf der Welt ein anderer Funkamateur auf derselben Frequenz befindet, und auf den Funkruf reagiert. "Dann tauschen wir uns aus, mit Informationen über uns, den Standort und die Technik", sagt Dieter Heins, 70 Jahre alt und zweiter Vorsitzender des Ortsverbands.

Er lebt im Ruhestand, hatte schon als junger Mann und später als Diplomingenieur der Nachrichtentechnik einen Draht zum Amateurfunk und ist Mitbegründer des 1963 gegründeten Ortsverbands des Deutschen Amateur Radioclub (DARC). Der Ortsverband hat das Kennzeichen E 07 (Echo, Zero, Seven). Die Kennzeichnung stammt noch aus Zeiten, als die Post noch Deutsche Bundespost hieß und für den Funkverkehr zuständig war. Das E war auch Kennzeichen des Hamburger Postscheckamts.

Und auch all die noch aus der Telegramm-/Telegraphie-Zeit stammenden und auf englischer Sprache basierenden Abkürzungen der Funkamateure bei Morse- oder Sprechverbindung machen deutlich, dass sich am Weglassen bis heute nichts geändert hat. Man denke an die (Short Massage Service) SMS-Kürzel per Mobiltelefon, wie beispielsweise HDL für Hab' dich lieb. Bei den Funkamateuren sind Männer grundsätzlich alte Männer. Sie bezeichnen sich als OM (Old Man).

Frauen sind als YL (Young Lady) grundsätzlich jung. Sind sie verheiratet, geben sie sich im Funkverkehr als XYL (Ex-Young Lady) aus. 88 steht für Küsse eines OM an eine YL, 55 für viel Erfolg, VY (very) 73 für viele Grüße oder 99 für "Verschwinde", wenn sich ein Dritter in eine Zweierunterhaltung einmischt.

Der Amateurfunk Ortsverband Hamburg-Harburg zählt 62 aktive Funkamateure allen Alters und aller Berufsgruppen, darunter fünf Frauen. An jedem vierten Freitag im Monat ist Clubtreffen bei der TUHH auf dem Schwarzenberg. Dann ist Gemeinsamkeit angesagt, Erfahrungsaustausch und Pläneschmieden, beispielsweise jährliche Veranstaltungen planen wie den "Field Day" wenn es hinaus geht ins Grüne, mit Grill und mobilem Funkgerät. Ansonsten sitzen die Funkamateure zu Hause in ihrer Funkbude (Shack), um zu morsen oder Sprechkontakt aufzubauen. Funkdisziplin ist angesagt, sachlicher Informationsaustausch, kein Geschwätz. Dieter Heins: "Im Funkverkehr kann schließlich jeder mithören."

Heins ist einer der besonders aktiven Funkamateure, zählt bis zu 200 Kontakte pro Monat, darunter von Stationen in der Arktis und Antarktis. Bei jedem Erstkontakt ist es üblich, dass sich die Funkamateure sogenannte QSL-Karten, Bestätigungskarten, zusenden, auf denen Name, Zeit, Ort und technische Daten der Funkanlage angegeben werden. Weil das weltweite Versenden von den QSL-Karten (wie Postkarte) für den einzelnen Funkamateur sehr teuer wäre, hat der Deutsche Amateur Radio Club als Dachorganisation einen eigenen Versand organisiert. Karten werden gesammelt in Paketen in die einzelnen Länder geschickt und dort wieder über Ortsverbände an die einzelnen Funker verteilt. Heins: "Das kann einen Monat dauern aber auch zwei Jahre, bis man die Karte bekommt. Dafür sind die Kosten gering."

Andreas Jahnke, der erste Vorsitzende, ist seit seiner Berufsausbildung vom Amateurfunk-Virus infiziert, hat als Funkmechanikermeister gearbeitet, ist inzwischen Geschäftsführer eines Softwareunternehmens in Hamburg, und erfreut sich in seiner Freizeit an der Schulung des Funkamateur-Nachwuchses. Wer sich näher informieren möchte, kann über das Internet mit dem Ortsverband in Kontakt treten. Zum Abschied gibt es das international gebräuchliche deutsche Kürzel AWDH - Auf Wiederhören.

www.amateurfunk-harburg.de

(abendblatt.de)