Parson-Terrier-Hündin Maggie stiebitzte ein Brötchen vom Tisch, da fügte ihr Jeanot W. schlimme Verletzungen zu. 2625 Euro Geldstrafe.

Winsen/Helmstorf. Maggie ist knapp zwei Jahre alt und humpelt auf drei Beinen in den Saal 214 des Amtsgerichts Winsen. Richterin Dr. Lidia Mumm bittet Maggie und ihr Frauchen Anja Masbaum, 44, um eine kleine Gehprobe im Gerichtssaal. Mit dem linken Hinterbein tritt die Parson-Russell-Terrier-Hündin nicht auf, es ist kürzer als die anderen Beine. "Ach, Gottchen", sagt die Richterin und blickt sorgenvoll auf die weiße Hündin mit dem braunen Kopf. "Wir hatten eine sehr schwere Zeit", sagt Anja Masbaum.

Maggie hat eine Tierärzte-Odyssee hinter sich. Ihr Hüftkopf ist aus der Hüftpfanne gesprungen. Sie musste operiert werden, ein Tierarzt sägte ihr einen Oberschenkelkopf ab. Anja Masbaum hat bislang 1956 Euro für Tierarztrechnungen ausgegeben. "Maggie hat extreme Schmerzen erlitten", sagt die Othmarschenerin. "Ihre Lebensqualität ist noch immer eingeschränkt, dadurch ist auch unsere Lebensqualität eingeschränkt."

Der kleine Parson-Terrier liegt zu Füßen seines Frauchens unter dem Zeugenstuhl. Zwei Stunden lang wird jetzt schon über sie verhandelt. Denn ihre schlimme Verletzung stammt nicht von einer ordinären Rauferei unter Gleichgesinnten. Maggie ist auch nicht in eine tiefe Grube gefallen. Maggie wurde Opfer eines menschlichen Wutausbruchs. Ihr Peiniger sitzt zwei Meter neben ihr auf der Anklagebank: Jeanot W., 38, aus Hittfeld.

Das Strafregister des ledigen Schweißers weist 12 Eintragungen auf, unter anderem wegen Nötigung und Körperverletzung, gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung und räuberischer Erpressung sowie vorsätzlicher Körperverletzung. Und jetzt hat der gebürtige Rügener sich auch noch an einem Hund vergangen, die Frage ist nur: Wie?

Der Angeklagte fertigt eine Zeichnung für die Richterin an. Wer saß wo im Casino der Reitanlage Claus-Heinrich Bohlmann in Helmstorf? Wie ist Maggie "gefallen"? Oder wie ist sie durch die Luft "geflogen"? Auch zwei Zeuginnen zeichnen für die Richterin. Ihre Zeichnungen weichen von der des Angeklagten deutlich ab.

Der hat den Sonnabendnachmittag am 9. Juli 2011 so in Erinnerung: Er war mit den Freizeitreiterinnen Nancy B. und Claudia S. im Casino. "Der Hund ist nicht erzogen. Ich habe Brötchen geschmiert und sah, wie er mit den Vorderpfoten auf den Tisch sprang und ein Brötchen nahm. Ich schnappte ihn mit der rechten Hand am Nacken und habe ihn herausgetragen. Er zappelte herum und ist dann gegen den Türrahmen gefallen. Dann ist er weggehumpelt. Ich habe den Hund nicht geschleudert - ich habe doch selbst ein Sportpferd. Das ist ein Komplott gegen mich, die haben sich alle gegen mich verschworen."

In seiner Schadensmeldung an die Versicherung hatte Jeanot W. geschrieben, er habe Maggie "geworfen". Bei der Polizei sagte er, er habe sie "vor die Tür geschmissen". "Für mich war das ein Vor-die-Tür-setzen", sagt Jeanot W. an diesem Vormittag.

Das sieht die Rechtsanwaltsfachangestellte und Freizeitreiterin Nancy B., 34, aus Hamburg anders. "Maggie hatte sich ein Stück Brötchen geschnappt. Der Angeklagte ist aufgestanden, hat sie gepackt und mit großer Wucht gegen den Türrahmen geschleudert. Maggie hat sich in der Luft gedreht - wenn sie mit dem Kopf aufgetroffen wäre, wäre sie jetzt sicherlich tot. Danach ist Maggie noch gegen die Wand einer Pferdebox gerutscht." In etwa zwei Meter Höhe sei der Hund gegen den Türrahmen gekracht, zeigt die Zeugin der Richterin. "Dabei hat es geknallt."

Die Stimmung im Casino sei bis zu Maggies Brötchen-Diebstahl "lustig" gewesen, sagt die Freizeitreiterin Claudia S. aus Harburg. "Dann ist Herr W. aufgestanden, hat Maggie gepackt und aus dem Casino gefeuert. Ich habe nur einen fliegenden Hund gesehen", sagt die Hausfrau. "Der Hund hat beim Aufprall einmal gequietscht."

Bereits einmal zuvor habe Jeanot W. Hand an den Hund gelegt, sagt Claudia S. "Maggie wollte ihm ein Stück Fleisch klauen. Dann hat er sie gepackt und sie heruntergeschleudert. Der Freund von Frau Masbaum hat gesagt, 'das hast du richtig gemacht!'."

Die Freizeitreiterin und Tierarzthelferin Annika I., 27, aus Marxen, fand Maggie nach dem Vorfall unter einem Lkw. "Sie wollte sich nicht anfassen lassen, hat am ganzen Körper gezittert und ihr Hinterbein hing zur anderen Seite. Maggie hatte große Schmerzen."

Annika I. macht jetzt Physiotherapie mit Maggie. "Weil das eine Bein kürzer ist, macht sie den Rücken krumm. Das wird im Alter zu Problemen und Arthrosen in dem verletzten Bein führen."

Frauchen Anja Masbaum war am Tag, als ihr Hund durchs Casino flog, nicht im Reitstall. "Mittlerweile geht Maggie zu 60 Prozent auf vier Beinen, aber ich kann sie nicht am Pferd mitlaufen lassen, und ich kann auch nicht lange mit ihr spazieren", sagt die Othmarschenerin. "Ich habe nach der OP ein Häufchen Elend bekommen. Es ging meinen Töchtern und mir mehrere Monate schlecht. Kein Tierarzt kann sagen, ob Maggie wieder gut laufen wird."

Die Richterin will das Verfahren angesichts der drückenden Beweislast "nie im Leben einstellen". "Wenn Herr W. gesagt hätte, 'es tut mir aufrichtig leid' und er die Arztkosten bezahlt hätte, wäre es nicht zu diesem Verfahren gekommen", sagt Anja Masbaum. Jeanot W. sei kein Tierquäler, der Spaß gehabt habe, ein Tier an die Wand zu klatschen, sagt die Richterin. Aber er habe "einem Wirbeltier länger anhaltende, erhebliche Schmerzen und Leiden zugefügt". Die am Tag der Tat rund 5,5 Kilo schwere Maggie sei gut sechs Meter geflogen und geschliddert. Dr. Lidia Mumm: "Sie sind sehr gut beraten, ihren Einspruch gegen den Strafbefehl zurückzunehmen, das war ein Sonderangebot."

Dieses Sonderangebot nimmt Jeanot W. an: 2625 Geldstrafe an die Landeskasse.