Vor 25 Jahren wurde in der Osterheide bei Schneverdingen die erfolgreiche Bürgerinitiative gegen britische Panzerübungen gegründet.

Schneverdingen. "Dies war alles eine graue, staubige Wüstenlandschaft", sagt Dieter Möhrmann bei der Fahrt durch die Osterheide bei Schneverdingen. Am Fuß der längst begrünten Rampe der ehemaligen Panzerbrücke über die Bundesstraße 3 rollt er eine Karte aus, die das Gebiet der berüchtigten früheren "Roten Flächen" in der Lüneburger Heide zeigt. Hier hielten jahrzehntelang Panzerverbände der britischen Rheinarmee und in geringerem Umfang der kanadischen Armee ihre Übungen ab - mitten in der Heide, auch im Naturschutzgebiet, sogar während der touristischen Hauptsaison zur Zeit der Heideblüte.

Einheimische und Urlauber litten erheblich unter dem Lärm, dem Staub und den Erschütterungen, die durch die Heide preschende Panzer verursachten, erklärt Möhrmann. Das Heulen der Panzermotoren sei in Schneverdingen und Bispingen deutlich zu hören gewesen, "und über der Heide standen die Staubwolken". Die Soldaten hätten sich "relativ rücksichtslos verhalten", Panzer seien über frisch bestellte Felder gefahren und auf Bauernhöfen aufgetaucht, und "das Umweltbewusstsein der britischen Truppen war nicht sehr weit entwickelt".

Die damaligen Zustände auf den Heideflächen bis in die Nähe von Ortschaften könne man sich heute kaum noch vorstellen, wenn man es nicht selbst miterlebt hätte - in den 1950er- bis 1990er-Jahren waren sie Realität und der Anlass für Möhrmann und seine Mitstreiter, aktiv zu werden: "Die Leute waren nicht mehr bereit, das zu akzeptieren." So begann vor 25 Jahren der Kampf einer Gruppe von Schneverdinger Bürgern gegen das 1959 ausgehandelte "Soltau-Lüneburg-Abkommen" (SLA), das die Grundlage für die Panzerübungen war.

Am 9. Dezember 1986 trafen sich rund 100 Teilnehmer zur Gründungsversammlung der "Bürgerinitiative zur Verminderung der militärischen Belastung in der Heide" im Schneverdinger Hotel "Heideperle". Dazu aufgerufen hatte Dieter Möhrmann, SPD-Politiker aus Schneverdingen, der heute Landtagsabgeordneter und Vizepräsident des niedersächsischen Landtages ist.

"Am Anfang war es schwer", erinnert sich Möhrmann, von der Bundesregierung habe es keine Unterstützung gegeben, auch in der Heide hätten viele nicht über das Thema reden wollen, um die Touristen nicht zu verschrecken und "keine Chaoten anzulocken". Dennoch "haben sich viele Leute engagiert", sie brachten 78 Ölkanister, die die britischen Soldaten in der Heide zurückgelassen hatten, nach Hannover und präsentierten diese vor dem Landtag. Sie sammelten Unterschriften - am Ende waren 13 500 zusammengekommen - und übergaben diese im Auswärtigen Amt. Sie hängten Transparente auf mit dem Schriftzug "Die Heide gehört uns - Panzer raus", sie blockierten 60 Stunden lang die Panzerverladerampe in Barrl und überraschten damit die Soldaten: "Das waren die von den Heidjern nicht gewöhnt." Den Kontakt mit den Briten beschreibt Möhrmann dennoch als "freundlich und höflich".

Die pfiffigen Ideen gingen der Bürgerinitiative, die seit 1988 ein eingetragener Verein war, nicht aus. Einmal rief sie dazu auf, die Panzerbrücke über die B 3, das Symbol der verhassten Übungen, kurzerhand zu "sprengen". Groß war der Aufschrei: "Das könnt Ihr doch nicht machen", gefährlich und verantwortungslos sei das Vorhaben, meinten viele. Doch gesprengt wurde trotzdem, mit Wasser aus Gießkannen und mit einem Rasensprenger.

"Wir waren breit aufgestellt und überparteilich, sonst wäre das gar nicht gegangen." Am Ende habe "die Region mit einer Stimme gesprochen", so Möhrmann. Das machte Eindruck. Heute, 25 Jahre später, zeigt er am Gedenkstein für den erfolgreichen Widerstand der Bevölkerung gegen das SLA unweit der alten Panzerbrücke nochmals das umstrittene Plakat, das die BI damals bekannt gemacht hatte. Es stellt einen Panzer dar. Mit dem "Union Jack", der britischen Flagge, und der Aufschrift: "Time to go home" - Zeit, nach Hause zu gehen. Nach Hause gingen die Briten dann tatsächlich. 1991 wurde das Ende der Übungstätigkeit im Soltau-Lüneburg-Raum von Bundesverteidigungsminister Gerhard Stoltenberg und seinem britischen Amtskollegen Tom King vereinbart, 1994 wurde der Union Jack im Hauptquartier Camp Reinsehlen eingerollt.

Dass der Kampf der BI ohne die Veränderungen der politischen Weltordnung, ohne den Zusammenbruch der Sowjetunion und ohne das Ende des Kalten Krieges, kaum erfolgreich verlaufen wäre, weiß Dieter Möhrmann natürlich auch. Ehe die Briten ganz abrückten, leisteten sie immerhin wichtige Vorarbeit für die Renaturierung der verwüsteten ehemaligen Heideflächen. Sie setzten schwere Maschinen ein, um den von den Panzerketten verdichteten Boden wieder aufzulockern und reparierten beschädigte Wege. Als "gentlemanlike" bezeichnet Mathias Zimmermann, der Geschäftsführer des Vereins Naturschutzpark (VNP), dieses Verhalten des englischen Militärs: "Das war vorbildlich, sie haben sich ordentlich verabschiedet." Sein Verein war der am stärksten betroffene Flächeneigentümer und sorgte nach dem Truppenabzug für die Wiederherstellung der Heideflächen, die heute während der Blütezeit wieder charakteristisch lila leuchten. Fast 2000 Hektar versetzte der VNP in jahrelanger Arbeit wieder in den ursprünglichen Zustand. Doch bis dahin war der Weg noch weit.

"Bis auf einige alte Bäume vegetationslos" seien die Gebiete gewesen, sagt Zimmermann. In Schneverdingen habe wegen der großen Menge lockeren Sandes in der Osterheide sogar die ernsthafte Sorge bestanden, dass sich Wanderdünen bilden und Sandstürme die Stadt heimsuchen könnten. "Es war dramatisch", die Bundesstraße 3 und die Gleise der Heidebahn wurden immer wieder "meterhoch übersandet". Es galt also, den Boden zu befestigen und der Erosion Einhalt zu gebieten. Dafür wurde zunächst die Grassorte Feinschwingel ausgesät. Im nächsten Schritt brachte der VNP dann mit verschiedenen Verfahren wieder neue Heide in die Flächen.

Doch die junge Heide war einem starken "Gehölzdruck" ausgesetzt, vor allem Birken traten in Konkurrenz zu den Heidepflanzen. Entsprechend hoch war und ist zum Teil noch heute der Aufwand für die Pflege der Heideflächen, die zusätzlich zur Beweidung durch Schnucken und Ziegen regelmäßig "entkusselt" werden - Birken und andere atypische Pflanzen müssen mühsam entfernt werden. So sind immer noch 70 Prozent der ehemaligen Roten Flächen intensiv zu pflegen, 30 Prozent sind bereits weitgehend geschlossene "Altheide", wo sich andere Pflanzen nicht mehr so leicht ansiedeln können.

In den nächsten fünf Jahren soll sich dieses Verhältnis umkehren. Bis dahin rechnet der VNP mit 80 Prozent entwickelter Altheide und 20 Prozent noch nicht geschlossener Heideflächen, was aber auch ökologisch sinnvoll sei, um vielfältige Lebensräume für Tiere und Pflanzen in der Heidelandschaft zu bieten. Beim VNP sei man "froh gewesen, dass es die BI gab", sagt Zimmermann, doch auch der VNP habe sich vehement für den Abzug der britischen Panzertruppen aus der Heide eingesetzt. Ein Gerichtsverfahren ging jedoch verloren, der langjährige VNP-Vorsitzende Alfred Toepfer "kämpfte mit allen Mitteln" - doch zunächst ohne Erfolg.

Der VNP war aber wegen der Verwüstung der vereinseigenen Heideflächen nicht nur Leidtragender des Soltau-Lüneburg-Abkommens, sondern auch Nutznießer der Vereinbarung, wie Zimmermann einräumt: Bis zu 600 000 Mark erhielt der Verein dafür als jährliche Pacht - Geld, das nach dem Abzug der Soldaten fehlte.

Da kurz zuvor der langjährige großzügige Unterstützer Alfred Toepfer gestorben war, fehlten auch dessen Zuwendungen. So kam es zu einem "finanziellen Sinkflug", ehe es dem VNP gelang, neue Geldquellen zu erschließen. Die Renaturierung der ehemaligen Roten Flächen sei ein großer Gewinn für die Region, resümiert Zimmermann: "Viele haben dem VNP nicht zugetraut, das wir es schaffen, hier wieder eine intakte Heidelandschaft herzustellen. Wir sind sehr glücklich, dass das gelungen ist."