Neues Projekt soll Harburger Wochenmarkt und Einzelhandel beflügeln. Auch Lüneburger Straße trotz Weihnachtssternen kaum attraktiver.

Harburg. Im März 2012 läuft der erste Harburger Business Improvement District, kurz BID, in der Lüneburger Straße aus. Dass das Modell zur nachhaltigen Förderung der Handelslandschaft und Revitalisierung von Innenstadtbereichen hier bislang ein durchschlagender Erfolg gewesen ist, behaupten nicht einmal die größten Befürworter. Dennoch gibt es bereits Pläne für einen weiteren BID im Harburger Zentrum - für den Sand und die Hölertwiete.

"Wir begrüßen das, der Standort braucht neue Ideen, er muss attraktiver werden", sagt Andrea Detlefsen vom Fischgeschäft Mimi Kirchner. Sie verspricht sich vom BID eine optische Aufwertung des Areals, um mehr Kunden anzulocken.

So wie Andrea Detlefsen denken viele Geschäftsleute rund um den traditionsreichen Marktplatz. Und verweisen in diesem Zusammenhang auch auf entsprechende Studien aus den Jahren 2006 und 2010, die sich eingehend mit Zustand und möglichen Perspektiven des Areals beschäftigt haben. Die Quintessenz beider lautet: "Der Sand versandet!"

So verwundert es nicht, dass sich am 30. August dieses Jahres der erste Runde Tisch formiert, an dem Vertreter der Grundstückseigentümer, der Einzelhändler, der Marktbeschicker, der Handwerkskammer, des Citymanagements und der Aktionsgemeinschaft Harburg Chancen zur Gründung eines neuen BID ausloten. Initiator ist die Sparkasse Harburg/Buxtehude, selbst Grundstückseigner am Sand.

"Natürlich haben auch wir ein hohes Interesse daran, dass sich am Sand was bewegt, der Platz entwickelt und weiter belebt wird", sagt Bernd Meyer, Leiter des KompetenzCenters Bauträger und Immobilieninvestoren und zugleich Vorsitzender des BID-Lenkungsausschusses. Unter seiner Führung gibt es am 29. November auch eine erste gemeinsame Marktbegehung des Gremiums. Das in der Folge einen Katalog mit Maßnahmen entwirft, wie der Tristesse auf dem Platz im Herzen Harburgs begegnet werden kann. Dazu zählen neben neuen Müllbehältern auch eine Aufhübschung der Grünflächen und einheitliche Poller. Sechs verschiedene Arten hat man dort ausgemacht, was eindeutig fünf zu viel seien.

"Der Lenkungsausschuss ist sich wohl bewusst, dass diese wünschenswerten Veränderungen nur ein erster Schritt sein können", sagt Meyer. Viel mehr wird indes kaum möglich sein. Denn für aufwendige bauliche Veränderungen des städtebaulich verkorksten Gebäude-Ensembles braucht es potente und willige Investoren. "Vor allem die Westseite mit dem ,Bolero' ist wenig ansehnlich", sagt Meyer.

An diesem Punkt wird es womöglich schwierig. Denn Hauptfinanzierer eines BID sind die Eigentümer der angrenzenden Immobilien, die entsprechend der Größe ihres Grundbesitzes zur Kasse gebeten werden. Im konkreten Fall sind das Dieter Gallas und Klaus Pisanski, denen ein Großteil der Gebäude am Sand gehören. Beide zählen aber nicht zum Lenkungsausschuss. Und waren auf Abendblatt-Nachfrage auch nicht bereit, sich zur Gründung eines BID Sand/Hölertwiete zu äußern.

"Eines ist klar: Wenn wir nicht 66 Prozent aller Eigentümer mit 66 Prozent der Fläche ins Boot bekommen, ist der BID tot", sagt Citymanager Matthias Heckmann. Der nach eigenem Bekunden für die Leitung des neuen BID jederzeit zur Verfügung stünde. Seine Vision für den Business District Sand/Hölertwiete ist ein "Quartier der Spezialisten". Weil es dort noch viele kompetente Fachhändler gebe. "Der Branchenmix aus kleinen inhabergeführten Geschäften und Markthändlern hat Atmosphäre und Entwicklungspotenzial", so Heckmann. Vorstellen könne er sich zudem, die Marktzeiten in den Nachmittag auszudehnen und das Snackangebot zu erweitern.

Wie schwierig ein BID in Harburg aber zu vermitteln ist, wurde 2009 bereits beim Projekt Lüneburger Straße deutlich. Dort kam der BID gegen große Widerstände erst im letzten Augenblick zustande. "Wenn Anlieger etwas tun, fällt es der Stadt leichter, sich stärker für den Stadtteil zu engagieren", sagt der scheidende Bezirksamtsleiter Torsten Meinberg. Da werde stärkerer Handlungsdruck aufgebaut, was vor allem hinsichtlich der Finanzierung wichtig sei.

550 000 Euro hatten die BID-Akteure zur Verfügung, um dem schleichenden Niedergang der Harburger Einkaufsmeile durch die Ansiedlung von Ein-Euro-Shops, Billigbäckern und Schnellimbissen sowie Leerstand zu begegnen. Dieses Geld floss in den vergangenen drei Jahren ins Marketing (150 000 Euro), ins Management des öffentlichen Raums und Reinigung (130 000 Euro), in die Kooperation und Steuerung von Vermietungsdatenbank und Veranstaltungen (80 000 Euro), ins Finanzmanagement sowie Personalkosten (45 000 Euro) und in BID-Gründungskosten (65 000 Euro).

Die konkret sichtbare Bilanz blieb mit ein paar neuen Sitzbänken, Baumpflanzungen, Beetpatenschaften und einer neuen LED-Weihnachtsbeleuchtung dürftig. Viel schwerer wiegt indes, dass weitere inhabergeführte Geschäfte wie das Bekleidungsgeschäft Feuerhahn aufgaben, sich stattdessen weitere Discounter und Billigläden ansiedelten und der Lehrstand sogar noch zugenommen hat.

Was alles dazugehört, ein heruntergekommenes Quartier wieder flott zu machen, weiß Arne Weber, Chef des Bauunternehmens H.C. Hagemann. "Als ich vor einigen Jahren daranging, im Binnenhafen zu investieren, haben mich viele ausgelacht", sagt er. Nun gilt die Gegend rund um den Channel als Boomtown. Für Harburgs Innenstadt fordert Weber mehr Mut und Kreativität. Es bedürfe wieder mehr attraktiver Geschäfte und Restaurants, die man gern besucht: "Weniger Ramschläden und weg mit dem Gloria-Tunnel, so könnte es voran gehen."

"Wir dürfen den Kopf jetzt nicht in den Sand stecken", sagt Citymanager Matthias Heckmann. Dabei kann Harburg genau da, nämlich am Sand, am meisten gewinnen.