Die Prager Fotografin Vanda Narozna und der Harburger Maler René Havekost stellen gemeinsam im Kunstverein Harburger Bahnhof aus

Harburg. Ein banales Stück Rasen. Extrem nah herangezoomt. Die gestochen scharfen Grashalme erscheinen als ein Dschungel auf einem fremden Planeten. Lichtspiele verschärfen diese Fremdheit im Bekannten. So haben Hamburger ihren beliebten Park Planten un Blomen noch nie gesehen.

Die 26 Jahre alte Fotografin Vanda Narozna liebt Ausschnitte. Weite Perspektiven, übliches Handwerkszeug in Touristenbroschüren, überlässt sie anderen. Es sei denn, die Szenerie ist in ein ungewöhnliches Licht getaucht.

Ihren ganz speziellen Blick auf Hamburg zeigt die Pragerin, Künstlername VAN, ab heute in Harburg.

Der Kunstverein Harburger Bahnhof stellt in einer Doppelschau mit dem Maler René Havekost etwa 30 ausgewählte Fotografien aus, die Vanda Narozna in einem Jahr Aufenthalt in Harburg gemacht hat. Die Fotografin ist die aktuelle Stipendiatin des Vereins "Künstler zu Gast in Harburg". Der Harburger Havekost, Initiator und Mitbegründer des Kunstvereins, war 1986 der erste Stipendiat.

Naroznas Hamburg-Suite zeigt die Stadt jenseits der Sehenswürdigkeiten. Menschliche Beziehungen und Licht kennzeichnen ihre Fotografien. So kommt es, dass darin selbst Hamburger ihre Stadt neu entdecken dürften. Mit ihren Arrangements oder spontaner Straßenfotografie will sie zeigen, wie die Menschen die Stadt fühlen.

Auch wenn die 26-Jährige offensichtliche Motive wie Speicherstadt, Alster oder Reeperbahn links liegen lässt: Vanda Narozna beteuert, dass ihre Fotos so nur in Hamburg hätten entstehen können. "Die Menschen in Hamburg leben draußen in ihren Straßen", sagt sie mit Blick auf Cafés und Parks. Drei Fotos der Ausstellung zeigen Harburg.

Es sind typische Motive der jungen Künstlerin, die eine Ästhetik des Banalen pflegt. Ein Bild zeigt ein unscheinbares Hinterhof-Szenario im Harburger Büroquartier Binnenhafen. Auf den zweiten Blick erkennt der Betrachter, was die Fotografin daran so fasziniert. Es ist ein Mann am Bildrand, der sich vom Gehsteig aus tief in ein offenes Fenster beugt. Den unbekannten Voyeur fing die junge Frau mit ihrer Kamera ein - ganz zufällig.

Niemand ist vor ihr und ihren etwa zehn Kameras sicher. "Ich mag keine Regeln", sagt Vanda Narozna. So zeigt eines ihrer Lieblingsfotos der Hamburg-Serie einen Freund, der in ihrer Wohnung friedlich schlummert. "Während einer Party", betont sie und lacht. Das sei ein wirklicher Bruch der Regeln.

Ihr Lieblingsplatz in Harburg ist die Wasserski-Anlage in Neuland. Wegen der netten Atmosphäre dort, sagt sie. Lieblingsorte in Hamburg, wen wundert das bei einer lebenshungrigen jungen Frau, sind St. Pauli und das Schanzenviertel.

Nach mehr als einem Jahr in Harburg kehrt die 26-Jährige am kommenden Montag nach Prag zurück. Sie wird dort mit Freunden einen kleinen Design-Shop eröffnen. Im Sommer wird sie in Portugal arbeiten - wahrscheinlich. Denn genauso wenig wie Regeln mag Vanda Narozna Pläne.

Ähnlich wie die junge Tschechin schätzt René Havekost, Jahrgang 1950, das Verblüffende. Der in Harburg lebende Maler zeigt beim Kunstverein Harburger Bahnhof neue Bilder, die den Betrachter stutzen lassen. Mit ausgeklügelten Bildkompositionen lenkt Havekost zunächst von seinen versteckten Überraschungen ab. Wie das kleine Menschenpaar, das in einer alles erschlagenden unwirtlichen Wüstenlandschaft gemütlich plaudert und Shopping-Taschen über Schultern und in den Händen trägt. Absurd wirkt auch der Athlet, offenbar ein 100-Meter-Sprinter, der auf einen Abhang zuläuft, vor dem Militärhubschrauber kreisen.

Das Absurde und die Provokation pflegt René Havekost mit seiner Soundinstallation "Prophecies", die der Harburger Kunstverein zum ersten Mal zeigt. Das Orakel in Gestalt einer blauen Wand spuckt keine Antworten aus. Wer auf Weisheiten hofft, bekommt nur verzerrende und verstörende Geräusche zu hören, die der Künstler in der Druckerwerkstatt eines Freundes über mehrere Wochen hinweg aufgenommen und komponiert hat. Die Soundinstallation sei die Ironisierung des Geredes, das auf uns alle eindresche.

Vanda Narozna, René Havekost, Ausstellung des Vereins "Künstler zu Gast in Harburg" mit dem Kunstverein Harburger Bahnhof, im Bahnhof Harburg über den Gleisen 3+4, Eröffnung am Donnerstag, 8. Dezember, 19 Uhr, bis 22. Januar, Öffnungszeiten: Mi. bis So. 14 bis 18 Uhr. Eintritt: zwei Euro.