Wollten Sonja P. und Marcus R. eine Versicherung um 250 000 Euro betrügen?

Winsen. Es fließen viele Tränen an diesem Tag im Amtsgericht Winsen. Die Angeklagte Sonja P., 33, aus Artlenburg (Landkreis Lüneburg) weint. Und der Angeklagte Marcus R., 42, aus Salzhausen (Landkreis Harburg) weint. Beide sind angeklagt wegen versuchten Betruges und Urkundenfälschung. Beide sollen versucht haben, die Münchner WWK Lebensversicherung um 250 000 Euro zu prellen. Die Staatsanwältin fordert eine Bewährungsstrafe von zwölf Monaten für den freien Finanzmakler Marcus R. und von neun Monaten für die Programmiererin Sonja P. Die Anwälte fordern Freispruch.

Was sagen die Tränen? Sagen sie: "Mist, wir haben hier totalen Bockmist gebaut"? Oder bezeugen sie, dass hier zwei Menschen völlig zu Unrecht auf der Anklagebank sitzen?

Sonja P.s Mann Jörg, 45, verunglückte am 27. März 2010 bei Baumfällarbeiten. Er lag im Koma und starb fünf Tage später im Krankenhaus. Sonja P. und Marcus R. sagen, Jörg P. habe zwei Wochen vor seinem Tod eine WWK-Risikolebensversicherung über eine Viertelmillion Euro abgeschlossen. Der Original-Antrag sei nie bei der WWK eingegangen, sagt die Versicherung. Sie hat bis heute keinen Cent bezahlt.

Die Angeklagten haben das Schlusswort. "Ich bin seit 14 Jahren im Geschäft, ich habe nie etwas falsch gemacht", sagt der Makler Markus R. und weint. Ich habe niemanden betrogen, ich habe das nicht gemacht." Er guckt den Amtsrichter Dr. Michael Herrmann lange an.

"Ich betrüge keine Versicherung und ich manipuliere keine Verträge", sagt Sonja P. "Für mich ist das hier ein Albtraum, der kein Ende zu nehmen scheint." Sie schaut in den Saal 226 des Winsener Schlosses und fängt ebenfalls an zu weinen.

Sonja P. sei nach dem Tod ihres Mannes in einer "ausweglosen und verzweifelten Situation" gewesen, sagt die Staatsanwältin. "Sie hat sich am Boden breitschlagen lassen, so etwas zu tun." Die Witwe stand alleine da mit ihrem damals drei Jahre alten Sohn und sie stand vor einem "Berg von Schulden". Der Hof ihres Mannes in Echem war mit knapp 200 000 Euro belastet, das gemeinsame Haus mit 147 000 Euro. "Herr R. war der Antreibende, der die Idee hatte", sagt die Staatsanwältin. "Er konnte mit dem Versicherungsbetrug kein Vermögen machen. Aber aus Mitgefühl, Freundschaft und Vertrautheit mit der Familie P. hat er gesagt, "komm, da finden wir einen Ausweg!'".

Salzhausener Polizisten hatten am 17. August 2010 im Büro von Marcus R. einen Versicherungsantrag mit einer Originalunterschrift gefunden. Am ersten Verhandlungstag hatte Marcus R. gesagt, er scanne die Originale stets in seinen Computer ein und schicke sie dann zur Versicherung.

Das Landeskriminalamt Niedersachsen hat auch die Unterschrift auf dem Antrag mit Unterschriften des Verstorbenen verglichen. Die Ermittler bezeichnen die Unterschrift als "Paraphe von äußerst einfacher Struktur" - als ein auf wenige Zeichen verkürztes Namenszeichen. "Eine Paraphe", so die Ermittler, "kann sehr leicht nachgeahmt werden". Die Gutachter kommen gleichsam zu dem Schluss, dass die Paraphe "nicht in signifikanter Weise von den Vergleichsproben abweicht".

Das Gericht hat keine Zeugen, die bestätigen können, dass Sonja P. und Marcus R. den Betrug ausgeheckt haben. Hat Sonja P. nach dem Tod ihres Mannes einen so kühlen Kopf gehabt, eine Versicherung zu betrügen? Das Urteil ergeht am 8. Dezember.