IBA-Forum Kosmopolis. Christen und Muslime reden über die Zukunft der Elbinseln

Wilhelmsburg. Die Internationale Bauausstellung (IBA) macht ihrem Namen alle Ehre. 13 Monate vor dem Ausstellungsjahr 2013 hat sich IBA-Geschäftsführer Uli Hellweg am Freitag in Wilhelmsburg für eine internationale Stadtgesellschaft stark gemacht. "Kosmopolis: Neue Chancen für die Stadt" hieß das Forum, zu dem die IBA-Macher in das Bürgerhaus Wilhelmsburg eingeladen hatten. "Es geht darum, wie aus kultureller Vielfalt durch praktisches Handeln urbane Stärke werden kann", sagte Uli Hellweg.

Der IBA-Chef erinnerte daran, dass Fremdenfeindlichkeit mit zunehmender Bildung abnimmt. Der Aussage "Ein Deutschland ohne Islam wäre besser" stimmen nach einer Infratest-dimap-Umfrage 51 Prozent der Menschen mit Hauptschulabschluss zu, 35 Prozent mit Mittlerer Reife und 19 Prozent mit Abitur. "Bildung ist also nicht nur eine Chance für migrantische Kinder und Jugendliche, sondern eine für deutsche", sagte Uli Hellweg. In Hamburg leben 45,3 Prozent der Dreijährigen in Auswandererfamilien, in drei Jahren hat jeder zweite Erstklässler einen Migrationshintergrund. Hellweg: "Das müsste auch den letzten Zweifler überzeugen, dass wir ein neues gesellschaftliches Leitbild des Zusammenlebens in unseren Städten, und nicht nur dort, entwickeln müssen."

Deshalb fördere die IBA auf den Elbinseln die Kosmopolis - das städtische Gemeinwesen der Weltbürger. Wegweisend seien dabei die Projekte "Weltquartier" im Reiherstiegviertel, "Weltgewerbehof" und das Bildungszentrum "Tor zur Welt". Bildungseinrichtungen seien die "wahren neuen Stadtteilzentren - sie müssen auch städtebaulich die Highlights einer kosmopolisch orientierten Stadt sein".

Investitionsmaßnahmen wie die IBA, räumte Hellweg indes ein, "schüren immer auch die Angst vor Gentrifizierung, also vor Verdrängung durch Aufwertung. Mit Projekten wie dem 'Weltquartier' wollen wir zeigen, das Aufwertung auch ohne Verdrängung möglich ist." Noch gebe es "keine außergewöhnlichen Mietsteigerungen" auf der Elbinsel. Hellweg: "Aber auszuschließen ist eine Sonderentwicklung in Teilen von Wilhelmsburg nicht." Der Bezirk Mitte und die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt müssten handeln, "sollten sich entsprechende Anzeichen ergeben".

Wie Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen heute auf der Elbinsel zusammenleben, darüber diskutierten Vertreter der evangelischen Kirche mit Vertretern muslimischen Glaubens im Bürgerhaus. Tülay Beyoglu vom Interkulturellen Stadtteilzentrum verikom in Wilhelmsburg zog eine nicht allzu positive Bilanz: "In Wilhelmsburg ist das Gefühl des Miteinanders nicht größer als in anderen Stadtteilen. Vielleicht begegnen sich die Menschen etwas respektvoller. Wichtig wäre, dass die Menschen sich auf einer gleichberechtigten Ebene begegnen und nicht nach dem Motto 'meine Religion steht oben, und deine unten'."

Die soziale Frage stehe in Wilhelmsburg im Vordergrund, nicht die religiöse Herkunft, sagte Tülay Beyoglu. "Wenn Menschen in schimmeligen Gagfah-Wohnungen im Bahnhofsviertel leben und dagegen protestieren, schweißt sie das zusammen, dabei spielt die Religion keine Rolle."

Die Pastorin für die evangelischen Gemeinden in Wilhelmsburg, Friederike Raum-Blöcher, lobte den Diskurs zwischen christlichen und muslimischen Vertretern auf den Elbinseln. "Ein Problem ist aber, dass die Imame nicht Deutsch sprechen, wir sprechen in den Religionskreisen immer mit Hilfe eines Übersetzers." Sie würde es begrüßen, wenn Muezzine die Muslime auf den Elbinseln zum Gebet rufen könnten. "Die Muslime sind eine Minderheit und auch die Kirchen entwickeln sich immer mehr zur Minderheit. Ich habe keine Angst vor dem Muezzinruf. Wenn der Muezzin ruft und die Glocken läuten, zeigen wir unsere Religionen."

"Wir haben noch sehr viel dafür zu tun, dass unsere Gruppe auf die andere Gruppe zugeht", sagte Propst Jürgen F. Bollmann. "Deutschland ist ein Einwanderungsland, und wir haben das Glück, dass wir nicht mehr auf das festgelegt sind, was wir einmal waren." Ahmet Hilmi Yasar von der Fatih-Moschee-Gemeinde appellierte an die Wilhelmsburger, auch am "Tag der offenen Moschee" den Kontakt mit den Moslems zu suchen. "Eine sichtbare Moschee", sagte Pastor im Ruhestand Hildebrand Henatsch, "wäre bei sechs christlichen Kirchen auf der Elbinsel angemessen."