Ehemaliger Chef der gynäkologischen Abteilung im AK Harburg, Dr. Helmut Kastendieck, ist im Alter von 99 Jahren gestorben

Harburg. Er hat Zehntausende Frauen im schmerzlichsten wie auch glücklichsten Moment ihres Lebens an die Hand genommen. Und eine ganze Generation von Harburgern bei ihrer Geburt begleitet. 38 140 Kinder kamen mit seiner Hilfe auf die Welt. Am 16. November ist Dr. Helmut Kastendieck, ehemaliger Chefarzt der gynäkologischen Abteilung im Allgemeinen Krankenhaus Harburg, im Alter von 99 Jahren gestorben. Er hinterlässt Ehefrau Gisela Kastendieck, vier Kinder, 14 Enkel- und 18 Urenkelkinder. "Mit Helmut Kastendieck verlieren wir eine Persönlichkeit, die in Hamburg bekannt und geachtet war", sagt Bernd-Joachim Hackelöer von der Geburtshülflichen Gesellschaft zu Hamburg. "Er verkörperte mit seiner positiven Einstellung das Sinnbild der Geburtshilfe."

Geboren wurde Helmut Kastendieck, Sohn eines Pfarrers, am 9. April 1912 in Wilhelmsburg. Sein Vater hatte dort 1911 die heutige St.-Raphael-Gemeinde gegründet und wünschte sich nichts mehr, als dass sein Sohn in seine Fußstapfen treten würde. Doch dieser entschied sich gegen die Theologie. Dem christlichen Glauben und der St.-Katharinen-Kirche blieb er eng verbunden. Der Beruf jedoch, den er stets als Berufung empfand, sollte ein anderer werden. Er studierte Medizin, arbeitete bereits während des Studiums als Krankenwärtergehilfe im Stader Krankenhaus und entschied sich schon früh für die Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Weil dieses Fach, wie er selbst einmal sagte, seinen praktischen Erfahrungen entsprach und er außerdem die Frauen um einiges besser verstünde als die Männer. 1937 erfolgten die Promotion und der Beginn der Facharztausbildung an der Universitätsklinik Würzburg. Mit Beginn des Krieges wurde Helmut Kastendieck zur Wehrmacht einberufen und war 1943 als Facharzt in verschiedenen Lazaretten in Paris und Amsterdam eingesetzt. 1944 wurde er habilitiert und gründete 1945 eine geburtshilflich-gynäkologische Fachabteilung am Kreiskrankenhaus Buchholz. Vier Jahre später erfolgte die Berufung zum leitenden Krankenhausarzt am AK Harburg, wo er 28 Jahre praktizierte. Die gynäkologische Abteilung wurde auf 80 Betten ausgebaut. Jährlich begleitete der Arzt 2000 Kinder auf ihrem Weg ins Leben. Fünf Kinder pro Tag. Immer unterstützend an seiner Seite war Ehefrau Gisela, mit der er fast 72 Jahre verheiratet war.

Die Leidenschaft für die Medizin hat er an Kinder und Enkelkinder weitergegeben. Drei seiner vier Kinder sind selbst Mediziner geworden. Von den 14 Enkelkindern haben zwei den Weg ihres Großvaters eingeschlagen, der sowohl bei der Norddeutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe sowie bei der Geburtshülflichen Gesellschaft zu Hamburg Ehrenmitglied war. "Wir werden ihn sehr vermissen", sagt dessen Vorsitzender Prof. Hackelöer. "Er war ein rühriger Mann, interessiert an der Sache und am Menschen." Prof. Volker Lehmann, der 1977 Nachfolger von Helmut Kastendieck wurde, erinnert sich: "Er war ein guter Arzt und Chef, autoritär, aber gütig. Und er war stolz auf seine Familie."