Fünftklässler des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums in Harburg sammeln Geld für die Hilfsorganisation “Terre des hommes“

Hamburg. "Ich habe einen Bauchladen voll Bürsten und Schuhcreme dabei", sagt die zehnjährige Tatiana. Den vorbeilaufenden Passanten bietet sie an, ihre Schuhe zu putzen. Mit 54 anderen Fünftklässlern vom Alexander-von-Humboldt-Gymnasium in Wilstorf steht sie am kalten Freitagmorgen in der Mönckebergstraße.

"Die Schüler sollen den Alltag armer Kinder in der 'dritten Welt' erleben", erklärt Anke Hoyer, 43. Die Religionslehrerin wollte das Thema Straßenkinder nicht nur theoretisch behandeln. Der Unterricht wurde daher vom Klassenraum in die belebte Hamburger Fußgängerzone verlagert. Um das Erlebnis noch authentischer zu gestalten, zogen die meisten Kinder auffällig abgenutzte Kleidung an.

Um den fiktiven Lebensunterhalt zu bestreiten, hatten sich die Schüler Bauchläden gebastelt, in denen sie unter anderem selbstgebackene Kekse und Lebkuchenhäuschen anboten. Der zehnjährige Jannis dagegen hatte seine Gitarre dabei, um für ein wenig Kleingeld zu musizieren.

Insgesamt 849,19 Euro spendeten Passanten wie Peter Möller. "Ich habe die Kinder gesehen und wollte einfach etwas geben", sagt der 74-Jährige aus Hamburg. Als Gegenleistung konnten sich alle Spender ein kleines Präsent aussuchen. Die Schüler erfuhren dadurch nebenbei auch eine gewisse Wertschätzung für ihre kreativen Back- und Bastelideen.

Ein Gefühl für die Probleme armer Menschen auf fremden Kontinenten zu vermitteln, ist ein weiteres wichtiges Anliegen für Manfred Just. Der 77-Jährige begleitete die beiden Lehrerinnen Anke Hoyer und Nadine Barstdorf. Sein Enkelsohn Elián ist einer der 55 teilnehmenden Schüler. Außerdem engagiert er sich in der Marmstorfer Auferstehungsgemeinde für Hilfsaktionen zugunsten von Kindern im südamerikanischen Land Chile.

Seit 1975 ist Just für die Armutsregionen auf der Südhalbkugel der Erde aktiv. "Inzwischen ist Lateinamerika für viele in den Hintergrund gerückt", beschreibt er seine Beobachtung. "Der Hunger in manchen Teilen Afrikas ist schlimmer." Und die Problemregionen in Osteuropa seien den Menschen hierzulande im Wortsinn näher.

"Es gibt auch in Deutschland arme Kinder", sagt Just. Aber Armutsstatistiken geben eher Auskunft über die Einkommensverteilung im Land als über die Lebensqualität. "Bei uns muss niemand aus Geldmangel hungern", sagt er. "In anderen Ländern können sich viele Menschen keine Behandlung im Krankenhaus leisten."

Nach zwei Stunden Betteln in verlumpter Kleidung, ging es für die Gymnasiasten zurück nach Harburg. Das sei für echte Straßenkinder nicht so einfach möglich. "Sie dürfen erst wieder nach Hause kommen, wenn sie genügend Geld zusammen haben", erklärt Bärbel Faak aus Maschen.

Faak ist Sprecherin der lokalen Arbeitsgruppe von "Terre des hommes", dem Empfänger der gesammelten Spenden. Das entwicklungspolitische Kinderhilfswerk unterstützt damit ein Projekt in Bolivien. Dort leben etwa 800 000 Minderjährige auf der Straße. Sie schlagen sich durch als Straßenhändler oder Müllsammler, Musiker oder Schuhputzer - jeden Tag.