Der Grund dafür: Der Rohbau einer Doppelhaushälfte entspricht angeblich nicht der geltenden Rechtsvorschrift für das Flurstück.

Neu Wulmstorf. Wann ist ein Gebäude nach deutschem Baurecht ein Doppelhaus - und wann gilt es als Einzelhaus? In einem Streit um diese Frage hat der Landkreis Harburg eine Doppelhaus-Baustelle in Neu Wulmstorf stillgelegt. Leidtragende im Konflikt zwischen dem Bauherrn und Baubehörde sind fünf Bauarbeiter, die eigentlich bis Weihnachten auf der Baustelle Arbeit haben sollten. Ihr Brötchengeber, das Baugeschäft Cohrs, musste sie in den Resturlaub und zur Arbeitsagentur schicken.

Drei Doppelhäuser des umstrittenen Typs hat der Buxtehuder Architekt und Bauherr Rolf Ahrens, 55, in der Straße "Im Apfelgarten" bereits gebaut. Menschen sind in die Häuser eingezogen, Nachbarn stören sich nicht an der Architektur. Warum auch, nichts an ihnen erinnert an eine "Villa Kunterbunt". In Reih' und Glied stehen die Häuser da, wie es in deutschen Baugebieten so üblich ist.

Wie es das Recht vorsieht, hat Rolf Ahrens Bauanzeige gemacht. Zu beanstanden hatte die Bauaufsicht, der Landkreis Harburg, bisher nichts. Anders jetzt beim Rohbau des vierten Hauses. Dem Bauamt war aufgefallen, dass Ahrens sein Doppelhaus auf nur einem Flurgrundstück errichtet. Damit, argumentiert die Behörde, baue er rechtlich gesehen kein Doppelhaus, sondern ein Einzelhaus. Das aber sieht der Bebauungsplan der Gemeinde an dieser Stelle nicht vor. Konsequenz: Der Landkreis legt am 31. Oktober die Baustelle still.

Rolf Ahrens ist empört. Wegen einer Formalie, eines zu ändernden Grundbucheintrags, klagt er, stoppe die Behörde die Baustelle. Das bedeute mindestens zwei bis drei Monate Zwangspause. Die Folgen: Zwei Paare können nicht wie geplant im Frühjahr einziehen. Bauarbeiter sind für diese Zeit arbeitslos.

"Überall ist zu lesen, wir haben Wohnungsnot", sagt der Bauherr, "und ich werde ausgebremst." Dabei störe sich kein Anwohner an dem Haus selbst. "Das ist nur Bürokratie", schimpft Rolf Ahrens, "ich bin Gefangener des Verwaltungsapparates."

Der Landkreis Harburg sieht das anders. Die Baubehörde wende nur geltendes Recht an. Ansonsten würden andere Bauherren benachteiligt. Zur Beschleunigung von Bauvorhaben, erklärt Kreissprecher Georg Krümpelmann, habe der Gesetzgeber die Bauanzeige eingeführt. Dabei prüfe die Bauaufsicht nur die Vollständigkeit der Unterlagen. Deshalb sei die fehlende Grundstücksteilung, also der Eintrag im Grundbuch, bei den ersten drei Doppelhäusern nicht aufgefallen. Weil Rolf Ahrens beim vierten Bauvorhaben einen Antrag nach Wohnungseigentumsgesetz gestellt habe, habe die Behörde genauer hingeschaut und sei auf den Formfehler gestoßen. Auf ein Recht im Unrecht könne sich Rolf Ahrens nicht berufen. Der Bauherr habe noch einen zweiten Fehler begangen. Ahrens, so der Kreissprecher, habe nur einen Technikraum vorgesehen.

Damit sei sein Doppelhaus rechtlich gesehen ein unzulässiges Einzelhaus. Für seien Lösung des Technikraums, sagt Krümpelmann, hätte der Bauherr eine Befreiung vom Bebauungsplan beantragen müssen.

Für den Stillstand der Baustelle sei allein Rolf Ahrens schuld. Der Landkreis, sagt Georg Krümpelmann, habe den Architekten am 20. Oktober, also elf Tage bevor die Behörde die Baustelle versiegeln ließ, auf die Formfehler hingewiesen. Er habe Zeit gehabt, das Verfahren zu heilen. "Stattdessen wollte er Fakten schaffen", so der Kreissprecher, "und tat nichts."

Eigentlich sollten fünf Bauarbeiter bis Weihnachten den Rohbau hochziehen. "Jetzt muss ich sie zur Arbeitsagentur schicken", sagt Hans-Peter Viebrock, Chef des Baugeschäfts Cohrs. Die kleine Firma hat sich auf den Auftrag verlassen. Jetzt, so überraschend, könne er keine zweite Baustelle aus der Schublade ziehen. Auch der Bauunternehmer hat Schaden aus der Doppelhausposse: Er bleibe auf einen Riesenschwung an Rechnungen für Material sitzen. Könnte der Landkreis die Baustelle nicht wieder sofort freigeben und der Bauherr korrigiert parallel die Formfehler? Aussichtslos scheint das offenbar nicht: "Voraussetzung ist", sagt Kreissprecher Georg Krümpelmann, "dass er die Anträge stellt."