Konkurrenzkampf um qualifizierte Auszubildende wird immer härter

Harburg. "Wir haben in diesem Jahr keine passenden Bewerbungen bekommen", sagt Gunnar Gude, und ernüchtert fährt er fort: "Wir werden in diesem Jahr daher keinen Jugendlichen einstellen können." Der 47-Jährige ist Geschäftsführer des Hotels "Gasthaus zur Linde" in Hittfeld. In dem familiengeführten Haus mit 36 Gästebetten arbeiten derzeit 25 Menschen.

"Bei uns wird gerackert, wenn andere feiern", nennt er das seiner Meinung nach wichtigste Motivationsproblem seiner Branche. "Die wenigen Schüler, die sich für einen Job in der Gastronomie interessieren, wollen gleich in einem großen Haus mit gutem Namen einsteigen." Jeweils zwei Azubis zum Restaurantfachmann beziehungsweise Koch würde er gern einstellen. "Aber wir müssen nach guten Bewerbern lange suchen."

"Die Konkurrenz um qualifizierte Nachwuchskräfte wird in Zukunft zunehmen", erklärt Volker Linde. Er ist bei der Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg für den Bereich Berufsausbildung zuständig. "Damit die niedersächsischen Unternehmen die angebotenen Ausbildungsplätze besetzen können, soll die passgenaue Vermittlung von Jugendlichen intensiviert werden", erklärt er. "Die Kammern bieten Betrieben und Auszubildenden zur Reduzierung von Ausbildungsabbrüchen Hilfen an", so Linde. Ansprechpartner für das Projekt "Passgenaue Vermittlung von Auszubildenden an Unternehmen" bei der regionalen Handwerkskammer ist Andreas Becker. Er versucht, Schulabgänger und Meisterbetriebe im Kammerbezirk, die noch Handwerkslehrlinge suchen, zueinander zu bringen.

"Für die Jobsuchenden stehen die Chancen auf dem Ausbildungsmarkt derzeit so gut wie nie", erklärt Susanne Serbest, Sprecherin der Arbeitsagentur Lüneburg. Eigentlich hatten die Experten für den regionalen Arbeitsmarkt wegen der Abschaffung der Wehrpflicht und des doppelten Abiturjahrgangs in Niedersachsen in diesem Jahr mit einem Bewerberüberhang, vor allem von Abiturienten, gerechnet.

Im Verlauf der vergangenen zwölf Monate hat sich die Lage am regionalen Stellenmarkt für Ausbildungssuchende stattdessen überraschend positiv entwickelt. Die Jobcenter der Landkreise Harburg und Lüneburg hatten knapp 2000 Lehrstellen im Angebot. Insgesamt 3162 Jugendliche meldeten sich bei der Berufsberatung, um Unterstützung bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz zu bekommen. Viele der als Ausbildungssuchende registrierten Jugendlichen haben sich Anfang des Herbstes aber dann für eine interessante Alternative entschieden. Anstelle einer Berufsausbildung haben viele Schulabgänger ein Studium aufgenommen oder besuchen eine weiterführende Schule. Andere absolvieren ein Freiwilliges Soziales, Kulturelles oder Ökologisches Jahr, das sich im Lebenslauf immer gut macht.

Den bis Ende September nicht vermittelten zwölf männlichen und fünf weiblichen Bewerbern standen 80 unbesetzte Ausbildungsstellen gegenüber. In der Region sind beispielsweise noch ein Dutzend Stellen für angehende Köche zu besetzen und jeweils acht für die Ausbildungsberufe Bäcker und "Fachverkäuferin im Lebensmittelhandwerk Schwerpunkt Bäckerei".

"Diese Berufe sind einfach nicht trendy", erklärt Arbeitsagentur-Sprecherin Serbest. "Der Einzelhandel ist für viele junge Menschen zwar eigentlich ein sehr attraktives Berufsfeld." Aber angesagt seien eher Läden für Computer, Musik oder Mode statt für Brot, Fische oder Würste. Der Fleischerberuf ist trotz moderater Arbeitszeiten am Morgen beziehungsweise am Wochenende unbeliebt.

Zu besetzen sind außerdem noch mehrere Lehrstellen für die Gastronomiejobs Hotel- beziehungsweise Restaurantfachmann. "Diese Ausbildungsstellen sind zumeist auf Landgasthöfen in der Heide frei geblieben", sagt Serbest. "Für unsere Hauptklientel, die Haupt- und Realschulabsolventen, stellt geringe Mobilität ein großes Problem dar." 53 der 80 freien Lehrstellen sind bei Betrieben aus dem Landkreis Lüneburg zu besetzen.

In der Lehrstellenbörse der Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg sind knapp 100 Lehrstellenangebote für Hotel- und Gaststättenberufe eingetragen. Dem stehen nur fünf Gesuche in dieser Branche gegenüber. Die meisten Nutzer interessieren sich für Handels- und Büroberufe. Eine von ihnen ist Yasmine Kardel. Die 19-Jährige aus der Samtgemeinde Elbmarsch will hoch hinaus: "Mein Traumjob ist Stewardess."

Da die Absolventin der Höheren Handelsschule dieses Ziel für nicht ganz so realistisch hält, hat sie sich auch um Ausbildungsstellen als Tourismuskauffrau beworben. Am liebsten würde sie in einem schicken Hamburger Reisebüro arbeiten, sagt sie. "Wenn das mit der Ausbildung nicht klappt, gehe ich noch einmal zwei Jahre auf die Fachoberschule." Eine Arbeit auf einem abgelegenen Gasthof in der Heide kann sie sich derzeit jedenfalls nicht vorstellen.