Nimmersatte Raupen schädigen die Eiche im nördlichen Niedersachsen. Burkhard von der List ist den Schädlingen jeden Freitag auf der Spur.

Lüneburg. Die Eiche als Symbol von Kraft und Stärke gilt vor allem gegen Sturmschäden als außergewöhnlich standfest. Empfindlich jedoch reagiert sie auf Massenvermehrungen von einigen Laub fressenden Schmetterlingsarten wie Frostspanner, Eichenwickler und Schwammspinner.

Den Schädlingen auf der Spur zieht Burkhard von List Freitag für Freitag seine Runden in der Neuen Forst am Ebensberg in Lüneburg.

Der Leiter der Revierförsterei Scharnebeck zählt die flügellosen Weibchen des Großen und Kleinen Frostspanners, die auf ihrem Weg zur Eiablage in die Eichenkronen an dunkelgrünen Leimringen kleben geblieben sind. Die nämlich hat er in dem von Eichen dominierten Laubwald um 30 nummerierte Stämme gebunden.

"Bei frostigen Temperaturen krabbeln die Weibchen den Eichenstamm hinauf. Während dieser Tour werden sie von den Männchen angeflogen und begattet. Im Kronenbereich der Wirtspflanze angelangt legt jedes Weibchen bis zu 200 Eier", so von List. Die Eiablage beginnt nach den ersten Frühfrösten im Oktober. Das große Krabbeln dauert bis in den Dezember.

Die bis zu zweieinhalb Zentimeter lang werdenden, grünlichen Raupen des Kleinen Frostspanners (Operophthera brumata) sowie ihre bäuchlings schwefelgelben und rotbraun gestrichelten Kollegen des Großen Frostspanners (Erannis defoliaria) schlüpfen im Frühjahr zur Zeit des Austriebs. Ihre bevorzugte und einzige Nahrungsquelle stellen die zarten und saftigen Blattknospen dar.

Die auf Eichen spezialisierten Schadinsekten haben sich in der letzten Zeit stark vermehrt. "Im bereits dritten Jahr registrieren wir den Kahlfraß an den Eichen", sagt der Leiter der Revierförsterei. Noch wartet der Experte auf eine wirksame Strategie.

In diesem Herbst allerdings gehen beim Aufstieg zur Hochzeit die Spanner dem Forstmann sprichwörtlich auf dem Leim - sie bleiben kleben und können dort gezählt werden. Elf Große Frostspannerweibchen zählt von List an einem der Leinringe. In der vergangenen Woche seien es fünf bis sechs gewesen, bemerkt er.

Er nimmt die gefangenen Frostspannerweibchen ab und meldet die Zahlen nach Göttingen. Die Prognosezahlen werden dort zentral bei der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) erfasst und ausgewertet. Auf der Grundlage dieser und weiterer Überwachungsergebnisse werden dann die Landesforsten als größter Waldeigentümer Niedersachsens (zu der die Revierförsterei Scharnebeck gehört) gemeinsam mit den Waldschutzexperten der Versuchsanstalt die weitere Strategie beraten.

Besonders in der nördlichen Hälfte Niedersachsens sind die Eichen vom Hunger der nimmersatten Raupen stark betroffen.

Die Fressgier der kleinen Insekten hat sichtbar schwere Folgen für das zarte Eichenlaub. Aufmerksame Waldbesucher machen seit Jahren jeweils ab Mai die gleiche Entdeckung. Die eben noch in frischem Laub blühenden Eichen werden plötzlich durchsichtig und bald danach blattlos. "Eine schüttere Baumkrone deutet meist auf Belastungen hin", erläutert von List.

Besorgt über die Entwicklung äußert sich Landwirtschaftsminister Gerd Lindemann. "Wir dürfen den Wald gefährlichen Schädlingen nicht wehrlos ausliefern. Ich setze mich deshalb sehr dafür ein, dass die bevorstehende bundesweite Neuregelung des Pflanzenschutzrechtes den Waldbesitzern bei drohenden Kahlfraß effektive Bekämpfungsalternativen ermöglichen", so Lindemann.

Dazu von List: "Um Schäden durch Raupenfraß zu verhindern, müsste im Frühjahr eine Bekämpfung aus der Luft erfolgen." Im Normalfall könnten die Eichen den Kahlfraß gut kompensieren, weil sie sich nämlich im Sommer mit dem sogenannten Johannistrieb neu belaubten, so der Revierförster. Erfolge der Fraß jedoch über Jahre und andere Stressfaktoren wie Dürreperioden kämen hinzu, können auch hundert Jahre alte Eichen absterben.

Eine solche Zusatzbelastung stellt der Eichenmehltau dar. Es ist ein Pilz, der sich im Frühjahr und Sommer als weiß-grauer, mehl- oder spinnwebenartiger Belag auf die Blätter legt. Bei starkem Befall kann es zu Wachstumsstockungen und dem Absterben junger Blätter und Triebe kommen.

Ohne ausreichend Blätter kann die Eiche nur unzureichend atmen und sich ernähren. Gefäße, die sich unter der Rinde befinden und Nahrungsstoffe durch den Baum befördern, werden geschädigt. Eine dermaßen schwer geschädigte Alteiche nutzt als Sekundärschädling der Eichenprachtkäfer zur Ablage seiner Eier. Dessen gefräßige Larven wiederum wüten unter der Borke und töten den Saftstrom des Baumes vollends ab.