TUHH-Schiffbaustudenten sind mit ihren selbst gebauten Tretbooten Weltmeister

Harburg. Sie tragen recht putzige Namen: Ordensmeister, Kanzler und Ceremon. Das Fußvolk nennt sich Lattenjünger. Und der Name der ganzen Organisation erst: Heylige Frawe Latte ad Hammaburg!

Wir sind nicht zu Besuch im Historischen Seminar der Universität Hamburg. Wir sind zu Besuch in einem Hinterhof an der Harburger Schloßstraße im Harburger Binnenhafen. Hier schlägt das Herz der Fachschaft Schiffbau der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH). Hier hüten die angehenden Schiffbauer, Bachelor- und Masterstudenten der TUHH, in einer ehemaligen Autowerkstatt ihre Schätze: Vier selbst entworfene und gebaute Tretboote, die bei internationalen Regatten zum Einsatz kommen. Eines davon, die "Imperator" - ein 5,95 Meter langes und ein Meter breites High-Tech-Boot aus Kohlenfaserverbundwerkstoff - , hat 2007 die Weltmeisterschaft und in diesem Jahr mit einem neuen Propeller und optimierter Ruderform die "International Waterbike Regatta" im Regatta-Zentrum auf der Dove-Elbe in Allermöhe gewonnen.

Heylige Frawe Latte ist die offizielle Bezeichnung der Fachschaft Schiffbau. Sie blickt auf eine lange Tradition zurück. 1878 ist sie als Zusammenschluss Berliner Schiffbaustudenten entstanden. Heute existiert sie sowohl in Hamburg - gegründet in Hannover vor 60 Jahren - als auch in Berlin.

"Natürlich pflegen wir diese lange Tradition, allerdings braucht niemand Bedenken zu haben, dass es bei uns stockkonservativ oder rückschrittlich zugeht", sagt der Vorstand (Ordensmeister) Micha Überrück, 23, Schiffbaustudent im siebten Semester. "Vielmehr bietet die Latte ihren Studenten einen ständigen Anlaufpunkt und eine intakte Gemeinschaft."

Heylige Frawe Latte heißt so viel wie "heilige Frau Latte". "Mit diesem Namen wollten sich die Berliner Schiffbaustudenten Ende des 19. Jahrhunderts lustig machen über die oft hochtrabenden Namen der studentischen Burschenschaften", sagt der Schriftführer (Ceremon) Leon Herting, 23.

"Die Latte ist benannt nach der Straklatte, die zum Zeichnen von Schiffslinien verwendet wird", sagt Ordensmeister Micha Überrück. Heute arbeiten die Schiffbaustudenten am Computer, aber sie müssen noch einmal im Studium klassisch mit Straklatten zeichnen. Straklatten waren immer teuer, drei Stück kosten heute um die 600 Euro. Sie müssen biegsam sein und dürfen nicht durchbrechen. "Aber bei der Gründung haben die Studenten eine Straklatte zerbrochen und die Teile an die Gründungsmitglieder verteilt. Damit haben sie absichtlich viel Geld vernichtet", sagt Ceremon Leon Herting - Ceremon, Kanzler und Ordensmeister bilden das Ordenskapitularium der Heyligen Frawe Latte.

350 Schiffbaustudenten studieren an der TUHH, davon rund ein Fünftel sind Frauen. Zum harten Kern der Latte gehören rund 30 Studenten, zum Kreis der Aktiven rund 100 Studenten. "Zu unserem Ordensfest am ersten Freitag im Dezember kommen bis zu 400 Leute, auch Ehemalige und Professoren", sagt Schiffbaustudentin Lisa Brütt, 23. Geselligkeit wird groß geschrieben bei den Schiffbauern. Das Ordensfest ist der "gesellschaftliche Höhepunkt" des Schiffbauerjahres. Die Studenten arbeiten dafür ein Unterhaltungsprogramm aus, um sich bei allen zu bedanken, die die Fachschaft über das Jahr tatkräftig unterstützt haben - für besondere Verdienste werden Orden vergeben. Während des Sommerfestes werden die neuen Schiffbaustudenten "zünftig getauft". Auf dem Frühlingsball dürfen sich die Lattenjünger zu gediegeneren Klängen auf dem Parkett versuchen. Und auf Bodega-Abenden knüpfen die angehenden Ingenieure, die später auf Werften, in Ingenieurbüros oder bei Klassifikationsgesellschaften wie dem Germanischen Lloyd arbeiten werden, Kontakte zu Vertretern der Wirtschaft.

Anfang des Jahres hatten die Schiffbauer erfahren, dass sie mit ihren Tretbooten aus der Kulturwerkstatt im Harburger Binnenhafen heraus müssen - sie soll abgerissen werden. Über TUHH-Präsident Garabed Antranikian bekamen sie dann Kontakt zu "Mr. Binnenhafen" Arne Weber - und die Raumnot war von einem Tag auf den anderen gelöst: Der begeisterte Segler, Ruderer und Eigner mehrerer Schiffe stellte der Latte die Räume einer ehemaligen Autowerkstatt hinter dem Bornemannschen Haus an der Harburger Schloßstraße zur Verfügung - kostenlos. "Die neue Werft liegt ideal zwischen TUHH und dem Wasser", sagt Ordensmeister Micha Überrück. "Das ist fast wie ein Sechser im Lotto für uns!"

Jetzt warten und reparieren die Lattenjünger ihre Hightech-Boote in der alten Autowerkstatt, und zu tun ist genug: Die Boote müssen lackiert werden, mal ist das Getriebe kaputt, mal sind die Kettenblätter verbogen, mal die Tretkurbeln durchbrochen. Das Ziel der Heiligen Frawe Latte ist indes klar: "Wir wollen", sagt Kassenwart (Kanzler) Hauke Herrnring, "unsere Boote optimieren und schneller werden."