Beim Deutschen Spielepreis stimmen Händler und Kunden über die besten Ideen ab - Harburger und Heidenauer belegen mit “Navegador“ den vierten Platz

Heidenau. Bei einer Schachpartie im Kopf während einer Wanderung begann ihre Freundschaft. Jetzt, 28 Jahre später, haben Spieleautor Mac Gerdts aus Harburg und Verleger Peter Dörsam aus Heidenau mit ihrem Strategie-Brettspiel "Navegador" den vierten Platz beim Deutschen Spielepreis gewonnen. Bei dem Brettspiel wandeln die Spieler auf den Spuren des Portugiesen Henrique o Navegador (Heinrich der Seefahrer). Sie führen eine Handelsdynastie, die ihre Schiffe aussendet, um für das Königreich Portugal neue Seewege zu erkunden und Kolonien zu gründen. Die wagemutigsten Kapitäne werden aber nicht nur reich belohnt, sie laufen auch Gefahr, ihre Schiffe zu verlieren.

"Als Mac merkte, dass er die Schachpartie verlieren würde, lud er mich zu sich nach Heimfeld ein. Dort traf sich eine Gruppe von Freunden zum Spielen. Wenn ich Lust hätte, solle ich doch mal vorbeikommen", erzählt Dörsam. Was er damals nicht ahnen konnte: Es waren nicht irgendwelche Spiele, die dort in Heimfeld gespielt wurden. "Die spielten tatsächlich mit auf Tapeten gemalten Spielfeldern und mit runden Holzklötzchen. Die Spielfelder waren mit Buntstiften aufgemalt, und die Spiele hatte Mac erfunden. Und sie waren wirklich gut", berichtetet Dörsam, der gerade erst von der Spiele-Messe in Essen zurück nach Heidenau gekommen ist

Irgendwann kam den beiden spielbegeisterten Freunden die Idee, ein selbst gemachtes Spiel auf den Markt zu bringen. "1997 fuhren wir mit unserem Prototyp von 'Boom Town' nach Göttingen zu einem Treffen von Spieleautoren", erzählt Dörsam. "Dort lernten wir einen Typen kennen, der uns zur Spielemesse brachte." In "Boom Town" bauen die Spieler die historische Stadt Hamburg auf.

Die Ernüchterung kam prompt. Dörsam erinnert sich: "Auf der Messe sagte man uns, dass wir Bauspiele generell vergessen könnten, der Markt sei völlig tot. Das hat uns beiden natürlich den Elan genommen. Und wir zogen frustriert mit unseren Spiel unter dem Arm wieder ab." Sieben Jahre dauerte es, bis die beiden inzwischen studierten Volkswirte neuen Mut fassten und mit ihrem nächsten, natürlich auch von Gerdts erfundenen, Prototyp einen zweiten Versuch wagten: Das Spiel, auch ein Strategiespiel, nannten sie "Schatzsuche in der Karibik".

"Wir fuhren damit zur Messe. Auf jedem Messetisch der Aussteller türmten sich die Karibikspiele. Alle Welt spielte Karibikspiele. In dem Jahr lief gerade dieser blöde Film Fluch der Karibik in den Kinos." Die beiden Spielemacher packten ihren Prototyp wieder ein und fuhren nach Hause. In Harburg spielte man weiter auf bunt bemalten Tapetenresten die ausgedachten Spiele von Mac Gerdts.

2005 gelang Gerdts, der inzwischen bei der Hamburger Finanzbehörde arbeitete, und Dörsam, der in seinem kleinen Heidenauer Buchverlag unter anderem Mathematik Lehrbücher heraus bringt, mit dem Strategiespiel "Antike" der erste große Wurf.

Die beiden Freunde taten sich mit dem Harburger Spielevertrieb Eggertspiele zusammen. "Antike" wurde sogar nach Frankreich verkauft. "Den Franzosen war unser Spiel-Lauyout zu wenig kriegerisch. Die fingen dann an, unseren Figuren auf dem Spiel-Karton Waffen zu malen. So wohl haben wir uns dabei aber nicht gefühlt, denn 'Antique", unter dem Namen wird es in Frankreich gespielt, ist kein Kriegsspiel, sondern auch ein Strategiespiel", erzählt der Heidenauer. Man wurde sich einig bezüglich der kriegerischen Elemente im Spiel-Layout, und "Antique" wurde in Frankreich letztlich auf den Markt gebracht.

Ihr Spiel "Imperial 2030" wird sogar in China gespielt. Dörsam hat ein chinesisches Exemplar dieses Strategiespiels, das im Jahr 2030 spielt, zu Hause und hält das Blatt mit den Spielregeln in die Luft. Es sei schon ein merkwürdiges Gefühl, eine Spielregel, die man selbst geschrieben habe, in der Hand zu halten und nicht mal zu wissen, wie genau sie gelesen werde, weil man die chinesischen Schriftzeichen nicht kenne.

In diesem Strategiespiel ringen sechs Weltmächte um Reichtum und Einfluss. Es geht um Finanzmärkte und Investoren. China ist eine der Weltmächte. Ein Vertrieb aus Taiwan habe damals, als das Spiel heraus kam, Interesse an dem Spiel gehabt. Dörsam: "Die Taiwaner wollten aber, dass wir die Weltmacht China in die Weltmacht Taiwan umändern. Das wollten wir aber nicht. Die haben sich nie wieder bei uns gemeldet."

Seitdem bringen Dörsam und Gerdts fast jedes Jahr ein neues Strategiespiel auf den Markt. Die Ausrichtung ist bis heute geblieben, die Vorgehensweise ist im Laufe der Jahre professioneller geworden. "Mac macht das Kreative. Seine Pläne setzt unsere Grafikerin für die Prototypen um", so Peter Dörsam. Die Probe-Spieler müssen nicht mehr Holzklötzchen auf Tapetenresten hin und her schieben. Über Schwachstellen der Spielregeln, die Dörsam zweisprachig in Deutsch und Englisch schreibt, wird so lange diskutiert, bis eine Lösung gefunden ist.

"Das ist mitunter ganz schön anstrengend, weil wir wirklich stundenlang manchmal über winzige Details diskutieren, bis wir zu einem Ergebnis kommen", sagt Dörsam. Das Patentrezept für ein gutes Strategiespiel: Keine mögliche Spielvariante darf besser als alle anderen sein. Spielregeln werden geändert, der Spielplan wird umgearbeitet, bis es passt. Und dann wird probegespielt, zum Beispiel im Rieckhof in Harburg, wo sich jede Woche eine Spielegruppe trifft.

Dörsams Part ist die Optimierung der Spiele. "Es kommt vor, dass beim Probespielen ein Zeitpunkt kommt, ab dem alle Spieler nur noch öde ihre Steine vor sich hin schieben. Dann müssen wir die Regeln so ändern, dass das nicht mehr passieren kann. Am Navegador haben wir ein Jahr lang gearbeitet, bis der Prototyp in die Produktion gehen konnte. In diesem Jahr sind wir natürlich auch oft in Sackgassen gelandet", sagt Dörsam.

Gerdts und Dörsam quält kein Zeitdruck, für beide sind Spiele in erster Linie auch nach all den Jahren eine Leidenschaft, kein Broterwerb. Auf die Frage, ob es, im Zeitalter der Computerspiele überhaupt noch einen Markt für Brettspiele gebe, antwortet Peter Dörsam: "Ja, es gibt weltweit einen Markt, der seit vielen Jahren relativ konstant ist. Und wenn die Auflage der Spiele hoch genug ist, dann kann man sogar sehr gut davon leben. Aber davon sind wir noch weit entfernt." Er und sein Freund Mac Gerdts seien natürlich stolz darauf, dass ihr Entdeckerspiel "Navegador" jetzt sogar prämiert wurde und damit am Finale beim International Gamers Award teilnimmt.

Das Strategiespiel "Navegador" für zwei bis fünf Spieler im Alter ab zwölf Jahren ist im PD-Verlag erschienen ( www.pd-verlag.de ). Im PD-Verlag kamen seit 2005 auch die anderen Spiele heraus, darunter die bislang erfolgreichsten Titel "Antike", "Imperial/Imperial 2030" und "Hamburgum". Alle Spiele sind im Fachhandel, in den einschlägigen Internet-Shops und im Buchhandel zu beziehen. Zu jedem Spiel von Mac Gerdts gibt es ein Beiheft mit Erläuterungen zum historischen Hintergrund. Der Harburger Spieleautor konzipiert die Spiele in der Regel ohne Zufallsfaktor, so dass es auf strategisches Handeln ankommt.