Neue Konzepte für Ladencafés und Teeläden setzen sich in Lüneburg durch. Junge Betreiber sind mit damit erfolgreich und setzen Trends.

Lüneburg. Wer nicht nur Klamotten, sondern auch Kaffee zu verkauft, der sorgte in Lüneburg vor ein paar Jahren noch für überrascht-erfreute Blicke. Wer heute auf der Suche nach einem Café der anderen Art durch die Stadt streunt, der merkt: Es hat sich ein Trend etabliert, der für frische Vielfalt rund ums Heißgetränk sorgt: das Café mit angeschlossenem Laden - oder anders herum.

Erster dürfte die Kaffeerösterei "Ratzsch" gewesen sein, die Am Berge seit 1919 selbst gerösteten Kaffee und Espresso verkauft. Mittlerweile aber nicht mehr nur das: Es gibt auch die zur Zubereitung nötigen Gerätschaften, Wein und Schokolade. Und einige ausgesuchte Plätze an drei Tischchen - die Nase umweht vom Bohnenduft aus 90 Jahren.

Ganz ähnlich, nur viele Jahre und Designs jünger, kommt das "Pasmarose" am Lambertiplatz daher. Da kostet der Espresso im Stehen ganz italienisch einen Euro, es gibt Kocher und Gläser - und Barista-Seminare: Für ambitionierte Zuhause-Zubereiter, die mehr vom Kaffee verstehen wollen, als einen gehäuften gleichnamigen Löffel pro Tasse und einen für die Maschine in einen Papierfilter zu schaufeln. Ein Barista ist der Barkeeper des Kaffees - allerdings ausschließlich an der Espressomaschine.

Im Café "Mondmann" an der Lüner Straße ist der Espresso ebenfalls Mittelpunkt des Lebens - umgeben von regelmäßig wechselnden Bildern, denn die Espressobar ist gleichzeitig Galerie. Kaffee, Kuchen, Kunst und Kleidung verbunden haben die Inhaberinnen des Ladencafés "Dreiteiler" in der Unteren Schrangenstraße. Seit mehr als zwei Jahren gibt es dort Mode und Gemälde, Keramik und Kaffee, Frühstück, Snacks und Kuchen.

Ihren Laden nach ihrem Konzept benannt hat auch Ines Kruse Am Berge: In ihrem "Modecafé Aust", vor drei Jahren eröffnet, stellen wechselnde Künstler aus Lüneburg und der Region aus. "Es gibt viele Anfragen", sagt die Inhaberin, "ich bin weit im Voraus ausgebucht." Sie achtet darauf, dass die Bilder zur Mode passen und bietet auch andere Veranstaltungen in ihrem Laden an: "Hier ist alles möglich." Ihr Logo, eine Frau in einer Tasse, wird vorne umgesetzt: Dort gibt's Kaffee und Gebäck für Gäste - ganz gleich ob das nun Männer, Kinder oder Freundinnen sind, die eine kleine Auszeit vom Shopping-Begleiten brauchen.

Ein paar Läden weiter hat sich Sabine Zaeske ihren Traum von Arbeit und Leben erfüllt: Nachdem die Absolventin der Kulturwissenschaften an der Lüneburger Uni zunächst den kleinen Teeladen "Samowar" in der Engen Straße betrieb und gleichzeitig in der Hamburger Kulturbehörde arbeitete, hat sie sich vor einem Jahr ganz aufs Unternehmertum geworfen und "Samowar Tea & Records" Am Berge eröffnet.

Dort gibt's zwar auch Kaffee, in erster Linie aber Tee - und mit Tierfiguren selbst bedruckte T-Shirts, Deko, Dosen, Naturkosmetik, Kissen, Geschirr, Wein, Schokolade, Senf, Essig, Öl - und natürlich CD`s "Ein Plattenladen allein läuft nicht", sagt die Kulturwissenschaftlerin. "Die Margen in der Branche sind einfach zu gering."

Ihr Mann hat ein Musiklabel, gemeinsam fahren sie oft zu Festivals. In ihrem Tee- und Plattenladen verkauft die junge Frau in erster Linie Independent-Musik - und freut sich, wenn sie Ahnungslose beraten kann. "Viele fragen, was hier läuft, und fragen nach Tipps. Das ist toll, wenn jemand mit etwas ganz anderem nach Hause geht, als er oder sie bislang hört und kennt", sagt Sabine Zaeske.

Ihre Mitarbeiterinnen und sie kochen und backen alles selbst, teils auch lactose- oder weizenfrei. Schon als Studentin hat Sabine Zaeske gekellnert, das kommt ihr jetzt zugute. Angefangen hatte die Cafébetreiberin mit Kuchen, mittlerweile serviert sie auch Frühstück, Scones und kleine Snacks. Das Konzept geht auf: "Die Tee-Flaute im Sommer kompensieren wir durchs Café. Das läuft das ganze Jahr, weil wir sowohl drinnen als auch im Innenhof Plätze haben."

Und abends gibt's dann die Kultur: Am Dienstag, 1. November, zum Beispiel einen Singer/Songwriter aus Seattle, und am Sonnabend, 12. November, eine schwedische Band. Improtheater und Lesungen werden folgen.

Alles, was Engländer lieben, gibt es seit fast zwei Jahren bei "Johnson`s - Excellent Coffee, Tea & Scones and fine british goods" An den Brodbänken. Gemeinsam mit dem Inhaber der Rösterei Ratzsch hat dort eine ehemalige Sängerin und Tänzerin des Theaters Lüneburg ihre Idee von einem Café in die Realität umgesetzt. "Bei Tee mangelt es oft an Qualität", sagt Zdena Furmancokova. "Wir bieten nur reine englische Teesorten ohne Aromen und Zusätze an." Roibusch? Fehlanzeige. Dafür gibt es Backmischungen für Scones, echte Marmalade, Christmas Pudding, Horseradish Sauce, Mint Sauce und das besonders dünne Bone China Porzellan mit Rosenmuster.

Nur vom Tee zu leben, wäre schwierig geworden, denkt die Unternehmerin. "Die Leute sind es aber auch gewohnt, dass sie mehr geboten und zu sehen bekommen als bloß Kaffee und Tee", sagt Furmancokova. Sandwiches nach britischer Art gibt es für die Cafégäste daher selbstredend genauso wie selbst gemachten Eistee.

Selbst backen tun die Inhaber des neusten Lüneburger Cafés zwar nicht. Im "Hirsch" in der Glockenstraße kommt der Kuchen dafür von der Obstscheune Barum - hergestellt mit vor Ort angebauten Früchten. Seit vier Wochen servieren dort Desirée und Tobias von Köhler ihren Gästen Torte statt Bier wie bisher. "Ein Stück Torte muss stehen können", gibt die schlanke Chefin als Devise aus. Das Paar hat vorher den Club "Grüner Jäger" auf St. Pauli geöffnet und geführt. Doch ihrer Tiere wegen - Hunde und zwei Pferde - sind die Großstädter nach Uelzen gezogen. Und machen jetzt Café statt Club.

Tagsüber Café, soll der "Hirsch" abends allerdings auch ein bisschen Club werden. "Wir planen Lesungen", sagt Desirée von Köhler. "Die Bands, die im ,Grünen Jäger' spielen oder gespielt haben, sollen hier ihre Lieblingsbücher vorstellen." Und sonntags ist - wie in der "Hausbar" an der Rotehahnstraße - gemeinsames "Tatort"-Gucken angesagt.

Da ihr Ehemann, der vor der Neueröffnung eine sechsmonatige Barista-Schulung absolvierte, zehn Jahre lang als Fotomodell gearbeitet und sich dabei die Kniffe und Tricks der Fotografen abgeguckt hat, ist der dritte Teil des Crossover-Cafés ein Fotostudio: Tobias von Köhler bietet sogenannte Sedcards an, mit denen sich junge Leute für Jobs in der Mode- oder Fernsehbranche bewerben können. Die kleinen Täschchen, die an der Tür hängen, verkaufen die beiden für eine Schneiderin aus der Unteren Schrangenstraße.

Nach vier Wochen "Hirsch" in Lüneburg hat die einstige Clubbetreiberin vom Kiez Desirée von Köhler schon einen angenehmen Unterschied zwischen Hamburger und Lüneburger Gästen bemerkt: "Die Lüneburger geben Rückmeldung, auch sehr konstruktive Kritik. Die Hamburger kommen zwar immer wieder, sagen aber nicht, dass es ihnen gefällt. Zu hören, dass das, was wir uns überlegt haben, ankommt, ist toll." (abendblatt.de)