Das Theater Harburg geht neue Wege. Die Saison startet mit Lili Marleen. Doch Intendantin Nuca Selbuz holt auch Comedystars ins Programm.

Harburg. Hamburgs Theater spezialisieren sich, suchen so ihren Platz bei Publikum und Kulturförderung: Das Imperial-Theater etwa steht für Kriminalstücke. Das Altonaer Theater "spielt Bücher", setzt Romane und Erzählungen als Bühnenstück um. Das sind zwei Beispiele von vielen.

Das Harburger Theater dagegen setzt auf kein einzelnes Genre und ist, gerade deshalb, auch ein Spezialist: einer für die Vielseitigkeit. Und so geht das private Spielhaus am Museumsplatz mit Liederabend, Kammerspiel, großem Ensemblespiel und Musik-Theater in die neue Saison. Die Spielzeit 2011/2012 beginnt heute mit dem Stück "An allen Fronten - Lili Marleen und Lale Anderson". Das Portrait einer brüchigen Frauenbiografie ist ein Schauspiel mit viel Musik.

Prominente Namen stehen auf der Besetzungsliste: Peter Bongartz, bekannter Fernsehschauspieler ("Tiefe Wasser", "Tatort", "Derrick") spielt in der kriminalistischen Dramödie "Achterbahn" in Harburg. Jasmin Wagner, einst Popprinzessin Blümchen, wirkt bei "Robin Hood" mit. Das Epos um den Helden in grünen Strumpfhosen inszeniert Malcolm Ranson, einer der weltweit gefragtesten Kampfchoreografen. Und Ingolf Lück albert im Harburger Theatersaal.

Dass der Anchorman der Sat 1-Wochenshow sein Soloprogramm "Lück im Glück" spielt, gehört zu einem Experiment des Harburger Theaters. Nach Markus Maria Profitlich im September präsentiert die Harburger Bühne mit Lück (16. Dezember), Dr. Stratmann (27. Januar) und dem Duo Jennifer und Michael Ehnert (20. April) noch dreimal die Elite der Comedy-Szene. "Wir wollen Harburg auch mal Namen gönnen", sagt die stellvertretende Intendantin Nuca Selbuz, 33.

Comedy ist neu an der Harburger Spielstätte, die damit versucht, jüngere Besucher für das Theater zu gewinnen. Das Harburger Theater klotzt bei seinem Experiment, engagiert gleich die Stars der Szene. "Wir müssen auch mal was riskieren", begründet das Nuca Selbuz. Viele junge Leute würden nach Harburg ziehen, habe sie bemerkt. "Wir versuchen uns da rein zu fühlen. Harburg braucht etwas Junges, etwas Komödiantisches."

Dass das Harburger Theater mit seiner Humor-Sonderreihe den Nachbarspielstätten, dem Rieckhof und dem Stellwerk Comedy-Club, Konkurrenz machen könne, sieht Nuca Selbuz nicht. Es seien ja nur vier Abende im Jahr. Die Konkurrenz für die Bühnen, sagt die Kulturwissenschaftlerin, seien vielmehr das Fernsehen und auch Regenwetter.

Hamburgs Bühnen dürften neidisch in den Süden der Stadt schauen. Kaum eine Bühne dürfte ein so treues Publikum haben wie das Harburger Theater. 1300 Abonnenten haben sich das Saisonticket gesichert. Bei den etwa 80 Vorstellungen in der vergangenen Saison hatte das Haus eine Auslastung von 76 Prozent.

Das Stammpublikum am Harburger Theater gilt nicht nur als treu, sondern auch als kritisch-eigenwillig. Künstlerisch notwendiges Rauchen auf der Bühne quittiert es mit Missbilligung, ebenso derbe Kraftausdrücke. Den Spannungsbogen löst es auch schon mal mit einem hörbaren Ausatmen. "Wir haben richtig gute Zuhörer", sagt Nuca Selbuz.

Als Weihnachtstheater für die ganze Familie bringt das Harburger Theater Erich Kästners zeitlose Internatsgeschichte "Das fliegende Klassenzimmer" auf die Bühne. Die Intendantin glaubt fest an den Erfolg der Inszenierung für Kinder ab fünf Jahren.

Nuca Selbuz beklagt sich nicht über fehlende Kulturförderung. Was wünscht sich die Kulturschaffende für die Zukunft des Harburger Theaters? Eine partnerschaftliche Verbindung zwischen Bühne und Wirtschaft im Landkreis und in der "Stadt Harburg" wäre schön, sagt sie. Viel wäre gewonnen, wenn ein Unternehmen zum Beispiel Scheinwerfer sponsern würde. Oder eine Textilfirma mit Material für den Bühnenbau helfen würde. Kostenlose Werbeflächen für die Kultur fehlen in Harburg. Nuca Selbuz: "Wir können hier unsere eigenen Veranstaltungen kaum plakatieren."

Es ehrt die Intendantin, dass sie die dramatisch kleine Hinterbühne nicht erwähnt. Weil das Geld fehlt, schiebt der Bezirk Harburg das Vorhaben, die Bühne auszubauen, seit dem vergangenen Jahr ergebnislos vor sich her.