Abendblatt-Interview: Armin Sengbusch, Wortakrobat aus Asendorf, startet bei den deutschen Meisterschaften im Poetry-Slam.

Hamburg/Asendorf. 250 Wortkünstler treffen sich ab dem kommenden Dienstag in Hamburg zum größten Dichterwettstreit Deutschlands, dem Slam 2011. Beim Finale am Sonnabend in der O2-World ernennt eine Publikums-Jury seinen Lieblingswettkampfdichter zum Deutschen Meister im Poetry-Slam. Einer der bekanntesten deutschen Slam-Poeten ist Armin Sengbusch aus Asendorf, der sich Schriftstehler nennt. Das Abendblatt sprach mit dem 44 Jahre alten Künstler über die jüngste, schnellste und aufregendste Literaturform unserer Zeit.

Hamburger Abendblatt: Was ist eigentlich Wettbewerbspoesie?

Armin Sengbusch:

Beim Poetry Slam sind alle Literaturgattungen möglich. Lyrik, epische Texte oder auch etwas Dadaistisches, zum Beispiel, dass einer nur Laute macht. Das Publikum weiß nie, was kommt. Da steht einer auf der Bühne und erzählt etwas über Drogen. Der nächste versucht mit etwa Komischem das Publikum für sich zu gewinnen. Dabei gibt es wenige Regeln: Der Vortrag darf nicht länger als fünf Minuten dauern. Der Slam Poet darf nicht singen, keine Requisiten benutzen und muss eigene Texte vortragen.

Acht bis zehn Poetry-Slams gibt es jeden Monat in Hamburgs Clubs, Kinos und Sälen. Was ist das Faszinierende daran?

Sengbusch:

Auf der Bühne muss ich innerhalb von nur fünf Minuten das Publikum in den Bann ziehen und dazu habe ich nur meine Worte. Du kannst innerhalb von Sekunden scheitern - oder den ganzen Saal erobern.

Ein Poetry-Slam hat eigentlich alles, was die Medien lieben müssten: Der Kunstvortrag ist kurz, das Publikum jung, und ganz wichtig: Es gibt einen Wettbewerb mit einem Sieger und Besiegten. Warum fristet der Poetry-Slam immer noch ein Dasein als Subkultur?

Sengbusch:

Für das Fernsehen ist der Poetry-Slam weitgehend uninteressant, weil eine wichtige Komponente verloren geht: Die Live-Interaktion fehlt. Das Publikum in Wohnzimmer kann nicht klatschen, rufen, die Jury beeinflussen. Somit wird der Dichterwettstreit Subkultur, in den Bars, Kinos und Theatern bleiben.

In der Nachberichterstattung ist der Poetry-Slam absolut medientauglich. Nur sind die Feuilletons meist noch zu borniert, um das zu erkennen. Das Publikum in Hamburg hat längst begriffen: Slam Poeten sind Literaten und Dichter, die etwas können. Poetry-Slams haben die Laiszhalle ausverkauft und das Schauspielhaus. Und jetzt beim Slam 2011 gehen wir zum Finale in die O2-World.

In keiner anderen Kunstform stellen sich die Künstler einem so direkten Wettbewerb. Wie fühlt sich ein Verlierer?

Sengbusch:

Ganz zu Anfang war ich geknickt, wenn ich vor dem Finale ausgeschieden bin. Ein Slam Poet durchläuft einen Erfahrungsprozess: Du kannst dasselbe Publikum in einen andren Saal verfrachten und es gewinnt jeweils ein anderer. Es geht für mich nicht mehr darum zu gewinnen. Für mich bedeutet es ein großes Glück, dass Menschen zu mir kommen und sich für meinen Text bedanken. Einmal kam in der Pause kam einmal ein mir unbekannter Mann zu mir und umarmte mich. Da dachte ich: Ich hab' gewonnen.

Wie lebt es sich in der Subkultur? Was war Ihre niedrigste und welches Ihre höchste Gage als Poetry-Slammer?

Sengbusch:

Wenn ich in Hamburg bei Slams auftrete, gibt es gar nichts. Wenn ich als Slam Poet für eine Veranstaltung außerhalb eines Wettbewerbs gebucht werde, dann kann es auch mal sein, dass ich eine Gage im oberen dreistelligen Bereich bekomme.

Es soll Autoren geben, die rechnen Gagen in gewonnene Zeit um, etwas Neues schreiben zu können. Was bedeutet Ihnen Geld?

Sengbusch:

Ich rechne alle, was ich verdiene, von meinen Schulden ab. Ich bin Künstler, Idealist, kein Geschäftsmann. Mein Plan ist nicht mein Haus, mein Boot mein Auto, sondern meine nächsten fünf Romane. Lieber schreibe ich, als dass ich etwas zu essen habe.

+++ Zur Person +++

In der Schule schwärmen die Mädchen für den Typ mit der Gitarre. Sind Slam Poeten sexy, dass Groupies auf ihn warten?

Sengbusch:

Wenn du auf der Bühne bist, bist du auch grundsätzlich sexy. Wer monstergeile Texte macht, hat auch Groupies. Ein Phänomen der Bühne ist, dass das für Männer gilt, für Frauen nur bedingt. Meine These ist, dass Frauen auf der Bühne für die meisten Männer zu stark wirken. Sie trauen sich nicht, diese Frauen anzusprechen.

Ihr Ruf als Slam Poet ist so gut, dass ein Verlag auf Sie zugekommen ist. Worum geht es in Ihrem neuen Roman "Das Chamäleon"?

Sengbusch:

Es geht um die unterschiedliche Psychologie zweier Auftragskiller. Der eine sieht das Morden als den Weg zum perfekten Spiel. Der andere stammt aus wohlhabendem Elternhaus, ist brutal und ohne Emotionen. Er bringt Menschen um, weil er der Beste seiner Branche sein will. In der Geschichte wechseln die Erzählperspektiven und Zeitebenen. Beim Schreiben entwickle ich keinen Plot. Ich fühle die Geschichte.

Was können wir in nächster Zeit noch von Ihnen erwarten?

Sengbusch:

In diesem Monat erscheint das Hörspiel, das ich für meine Show "Feuerbrüder" geschrieben habe. Momentan schreibe ich einen Krimi über einen Serienkiller, den ich online auf meiner Homepage veröffentliche. Der Titel lautet "Das Kabel in der Welt". Die Rohfassung möchte ich komplett überarbeiten. Ich schreibe immer weiter.

Armin Sengbusch alias Schriftstehler beim Slam 2011: Vorrunde 2, Mittwoch, 19. Oktober, 19.30 Uhr, Uebel & Gefährlich, Feldstraße 66, in Hamburg.

Die Feuerbrüder: Lyrik, Literatur und Lala mit Armin Sengbusch, Carsten Pape und Viktor Hacker, Donnerstag, 20. Oktober, 19.30 Uhr, Logensaal der Hamburger Kammerspiele, Hartungstraße 9-11.