Das Haus neben der Kita Vogelhüttenberg könnte bald eine Notunterkunft für Wohnungslose werden. Eltern und Erzieher sind dagegen.

Harburg. Paul, Lisa und Madleen, alle zwei Jahre alt, spielen in den Räumen der Kita Vogelhüttenberg an der Bremer Straße hingebungsvoll mit ihrer hölzernen Eisenbahn. Vormittags waren sie mit ihren Erziehern draußen, auf dem weitläufigen Naturgrundstück, haben Eichhörnchen gesehen und die bunten Herbstblätter bewundert.

Den 50 Jungen und Mädchen im Alter zwischen sechs Monaten und sechs Jahren wird eine heile Welt, ein Idyll, inmitten von hohen Bäumen, mit Sandkiste, Spielplatz und Naturpädagogik geboten. Dank einer englischsprachigen Erzieherin können sich die Kleinen künftig im Rahmen eines bilingualen Konzept ein wenig auf Englisch und Deutsch unterhalten.

Sie bekommen Frühstück und Mittagessen mit Bio-Kost, können am Yoga-Unterricht teilnehmen. Leiterin Omidokht Tamaddoni und ihre sechs Mitarbeiter kümmern sich sehr liebevoll um ihre Schützlinge und wollen ihnen ein Stück unbeschwerte Kindheit ermöglichen.

Deshalb waren Erzieher und Eltern überrascht und beunruhigt, als es hieß, dass in der Nachbarvilla, nur 200 Meter von dem Kindergarten entfernt, eine Obdachlosenunterkunft eingerichtet werden könnte. "Wir haben nichts gegen Wohnungslose. Im Gegenteil, jeder Mensch sollte eine Wohnung haben", sagt Leiterin Tamaddoni. Allerdings wünscht sie sich von der Bezirksverwaltung etwas mehr Transparenz, wer genau in dem Haus einquartiert wird. "Es wäre schön, wenn alles so bleibt, wie es ist. Den Eltern wäre es am liebsten, wenn Familien mit Kindern kommen, wenn sonst keine andere Lösung gefunden wird. Viele Mütter und Väter haben Bedenken gegen obdachlose Männer, die vielleicht vor dem Kindergarten Bier trinken könnten. Das wäre kein gutes Vorbild für die Kleinen."

Es gibt nur einen Zugang zu Kindergarten und Nachbargebäude. Ein kleiner Weg schlängelt sich von der Bremer Straße hinauf zu beiden Gebäuden. Zwangsläufig müssten sich Kinder, Eltern, Erzieher und Bewohner der Unterkunft begegnen. Der Gegensatz zwischen den Lebenswelten ist groß, für einige fast unüberwindbar. "Mir ist nicht wohl mit den Plänen der Verwaltung, hier Obdachlose unterzubringen. Die Kinder werden hier sehr gut betreut, wie in einem Nest. Das soll so bleiben", sagt Beate Bork, Mutter von Madleen.

Bereits seit fünf Jahren steht die Nachbarvilla leer. Zuvor lebte dort eine Behinderten-Wohngruppe. Vor drei Jahren zog die Kita Vogelhüttenberg in das Nebengebäude - und kann das 20 000 Quadratmeter große Gartengrundstück für sich nutzen. "Unentgeltlich. Wenn man sicher gehen will, dass sich kein anderer ansiedelt, muss man eben die ganze Fläche mieten", sagt Harburgs Sozialdezernent Holger Stuhlmann. Es sei nach wie vor nicht sicher, ob eine Obdachlosenunterkunft eingerichtet wird. Stuhlmann: "Immer noch verhandelt die Sprinkenhof AG mit einer Jugendhilfeeinrichtung, die das Gebäude nutzen will. Sollte das nicht klappen, wird es wieder Gespräche geben." Klar ist allerdings, dass "einiges Geld" in die Hand genommen werden müsse, um die alte Villa wieder flott zu machen.

Geht es nach dem Willen der CDU, ist die Diskussion darüber, ob dort Wohnungslose und Asylbewerber untergebracht werden könnten, beendet. "Harburg hat bereits genügend Sozialfälle. Mehr geht nicht - egal an welchem Standort", sagt Rainer Bliefernicht, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU in der Bezirksversammlung.

Harburgs Grüne sperren sich nicht völlig gegen das Areal an der Bremer Straße. "Wenn Familien dort einziehen würden, wäre es für uns vorstellbar", sagt Kay Wolkau, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen in der Bezirksversammlung. Die SPD-Mehrheitsfraktion winkt ab. Deren Vorsitzender Jürgen Heimath sagt: "Der Standort an der Bremer Straße ist aufgrund der Lage und der Nachbarschaft zu einem Kindergarten nicht geeignet."

Der kleine Paul und seine Freundinnen bekommen von den Sorgen der Erwachsenen nichts mit. Die Spielzeugeisenbahn ist wichtiger. "Das ist auch gut so", sagt die Kindergartenleiterin.