Im hundert Jahre alten Naturfreundehaus vermissen Erwachsene Komfort. In Zukunft sollen mehr Kinder und Jugendliche übernachten.

Maschen. Staub ist in die braunen Falten der ausziehbaren Trennwand im Gruppenraum gekrochen. Feine Risse durchziehen die weißen Wände im Flur, nur notdürftig verborgen durch verblichene Schwarz-Weiß-Fotografien von der zugefrorenen Alster oder der Lüneburger Heide. Dem Naturfreundehaus in Maschen ist anzusehen, dass es seit 100 Jahren besteht - und dass, will es die kommenden Jahre überstehen, auch neues Leben hier einziehen muss.

Seine Geschichte beginnt im Jahr 1911. Die damals neu gegründete Hamburger Ortsgruppe des Wiener Touristenvereins Die Naturfreunde will eine Heidehütte für ihre Mitglieder einrichten. Nach wenigen Monaten Bauzeit wird das erste Naturfreundehaus in Deutschland eingeweiht - ein roter Backsteinbau mit weißen Fensterrahmen, durch die die Übernachtungsgäste auf die angrenzende Heide blicken können. Schon bald wird es zu klein, immer mehr, darunter viele junge Mitglieder, wollen hier ihre Wochenenden verbringen. Anfang der 30er-Jahre wird ein zusätzliches Jugendhaus - ein weiß verputzter Block mit Flachdach - gebaut.

Dann beginnt ein undurchsichtiges Kapitel in der Hausgeschichte. Zwar wird es zum einen Ziel von Hitlers Anhängern, die es verwüsten und mit Hakenkreuzen beschmieren, wie in einem Zeitungsbericht vom April 1932 zu lesen ist. Auch treffen sich hier offenbar Mitglieder der Sozialistischen Arbeiterjugend. Doch zugleich ist belegt, dass die Ortsgruppe 1934 die Einheitssatzung für Sportvereine verabschiedet und fortan von einem NSDAP-Mitglied geleitet wird.

Nach dem Krieg wird das Haus, in dem kurzzeitig auch Flüchtlinge und Ausgebombte einquartiert waren, nach Johann Simonis benannt, der sich in den 20er-Jahren vor allem in der Jugendarbeit des Vereins engagierte. In den folgenden zwei Jahrzehnten geht es bergauf mit der Einrichtung. In den 60er-Jahren wird ein weiterer Anbau - diesmal aus gelbem Backstein - gebaut. Der heutige Hausleiter Walter Bräker hat eine Zeichnung aus dieser Zeit herausgesucht. Sie zeigt - ganz in grün - das Haus in seiner Blütezeit, eingefügt in eine blühende Landschaft.

Diese Zeiten sind längst vorbei. Statt Heidelandschaft prägt ein Autobahnkreuz die Umgebung. Vereinsmitglieder kommen kaum noch hierher, die Hamburger Naturfreunde-Gruppe hat mit Überalterung zu kämpfen. Stattdessen übernachten mittlerweile vor allem Schulklassen, Chöre und Jugendgruppen in dem 65-Betten-Haus. Doch es könnten mehr sein, meint Walter Bräker. Zu seinem 100. Geburtstag hat das Johann-Simonis-Haus vor allem einen Wunsch: jünger werden.

Im neuen Konzept stehen Kinder und Jugendliche im Mittelpunkt. "Dem Anspruch, den Erwachsene an Komfort haben, werden wir nicht mehr gerecht", sagt Bräker. Investitionen, um den Standard zu heben, sind zurzeit nicht möglich. Deshalb setzt Bräker auf genügsamere Besucher. "Kinder stört es nicht, dass das Haus älter ist, sie fühlen sich hier wohl. Deshalb wollen wir uns auf den Bereich konzentrieren und Angebote für Kinder und Jugendliche entwickeln." Federführend bei der Konzeptentwicklung ist Wolfgang Wölffel, der seine Erfahrungen aus dem Naturfreundehaus Rügen einbringt.

"Ein Schwerpunkt sollen Programme aus der Erlebnispädagogik werden", sagt er. Auch Fahrradtouren zu Bauernhöfen und anderen gut zu erreichenden Zielen in der Region stehen auf seiner Liste. Außerdem hat er den Gesundheitssport im Visier. "Naturfreunde und Breitensport waren lange eng verbunden, das will ich wieder aktivieren."

Mit Präventionsangeboten zu gesunder Ernährung, Bewegung und Stressverminderung will er das Johann-Simonis-Haus wieder zu einer zeitgemäßen und überlebensfähigen Einrichtung machen. Noch gibt es Hindernisse auf dem Weg zum verjüngten Naturfreundehaus. So seien Klassen heute viel kleiner als früher und belegten oft nur noch 20 Betten, sagt Walter Bräker. Außerdem seien Klassenreisen in den vergangenen Jahren immer kürzer geworden. "Früher kamen die Schüler von Montag bis Freitag, heute bleiben sie oft nur ein oder zwei Nächte. Das ist ein Problem für uns."

Auch die Schüler der Klasse 2a der Grundschule Nenndorf haben nur einmal hier übernachtet. Aber für die Grundschüler waren es zwei aufregende Tage. "Wir sind ganz weit gewandert, bis zu einer Mühle. Das war ganz toll", sagt die siebenjährige Briana. Ihrer Freundin Annika, ebenfalls sieben Jahre alt, gefällt vor allem der Spielplatz hinterm Haus, unten am Hang. "Da kann man einfach mal Fußball spielen."

Auf dem sandigen Platz bolzen ihre Mitschüler unter Aufsicht von Lehrerin Carola Keil. Sie ist schon öfter mit Klassen hier gewesen. "Das Haus hat eine tolle Umgebung, das Essen ist gut und die Leute sind freundlich." Tim, 7, klettert den Hang hoch in Richtung Haus. Hier und da wachsen noch einige Büschel Heide. "Hier gibt es ganz viele Gänge zum Verstecken", sagt Tim, läuft einen Trampelpfad entlang und verschwindet hinter ein paar Büschen. Auch die Unterkunft gefällt ihm. "Da ist alles ganz schön." Briana geht noch einen Schritt weiter mit ihrem Lob: "Das Haus ist richtig schön kuschelig."