Die CDU stellt den Bürgermeister und ist weiter stärkste Ratsfraktion ohne Mehrheit. In Buchholz legen SPD und Grüne deutlich zu.

Winsen/Buchholz. Der schwarze Balken überragte die anderen an die Wand des Winsener Rathauses projizierten Balken schon nach kurzer Zeit - eineinhalb Stunden später hatte André Wiese seine Führung auf 47,1 Prozent ausgebaut. Obwohl sich sein Sieg bei der Bürgermeisterwahl bald abzeichnete, hielt sich Wiese während der Auszählung der Stimmen mit Vorfreude zurück. "Das muss sich erst mal setzen", sagte er nach einem Blick auf die Stellwand, an der die Ergebnisse der einzelnen Wahlbezirke im Minutentakt aufgehängt wurden.

Auf fast allen Zetteln lag der CDU-Kandidat, der von der FDP unterstützt wurde, vorn, nur sechs Wahlbezirke konnte sein stärkster Konkurrent Dieter Bender für sich gewinnen. Der Kandidat von SPD und Grünen holte 35,8 Prozent der Stimmen, Tobias Müller von der Winsener Liste schaffte 11,3 Prozent, Oliver Berten (Freie Winsener) kam auf 5,8 Prozent. Abgestimmt hatten 53,8 Prozent der Winsener Wahlberechtigten.

"Mit so einem klaren Ergebnis habe ich nicht gerechnet", sagte Wiese, der den Abend auf der CDU-Wahlparty in einem Lokal in der Innenstadt feierte. "Aber ich bin sehr froh über die Deutlichkeit. Der Abstand von mehr als zehn Prozentpunkten zum folgenden Kandidaten ist grandios. Die Wähler haben offensichtlich nach Winsener Themen und Persönlichkeit der Kandidaten entschieden und nicht nach dem Bundestrend." Sandy Wiese belohnte ihren Mann mit einem Kuss. "Bürgermeister zu sein, war schon immer sein Wunsch. Schön, dass er es jetzt geschafft hat."

Dieter Bender zeigte sich enttäuscht von dem für ihn bitteren Ergebnis. "Mein Wahlziel war eine Vier vor dem Komma, das habe ich nicht erreicht." Er zeige sich jedoch als guter Verlierer, gratulierte dem Wahlsieger und erinnerte an den fairen Wahlkampf. "Ich hoffe nun, dass André Wiese Winsen gut dienen wird." Bender wird weiter als Lehrer unterrichten. "Ich werde auch in Zukunft mit Engagement Schule machen."

Der ebenfalls unterlegene Kandidat Tobias Müller war dagegen gut gelaunt. "Vor dem Hintergrund, dass wir nur vier Monate Zeit und deutlich weniger Geld für den Wahlkampf zur Verfügung hatten als die etablierten Parteien, ist das ein fantastisches Ergebnis." Oliver Berten kommentierte sein mageres Ergebnis knapp: "Das ist definitiv kein Erfolg - aber ich trage es mit Humor."

Der spätere Abend brachte noch ein erfreuliches Ergebnis für den neuen Bürgermeister, der sein Amt am 1. November antreten wird: Für den Rat holten die Christdemokraten 42 Prozent, sind mit 16 Sitzen weiter stärkste Kraft. "Wir sind sehr zufrieden", sagte Spitzenkandidat und derzeitiger Fraktionschef André Bock. "Unsere Arbeit der vergangenen Jahre hat sich ausgezahlt. Das Ergebnis haben wir einem Mix zu verdanken: gute Sacharbeit, ein Programm, für das wir gerade von jungen Familien Zuspruch bekommen, und ein starker Bürgermeisterkandidat." Für eine Mehrheit im 38-Sitze-Rat reicht es allerdings nicht. Bock: "Wir sind offen für Gespräche in alle Richtungen." Allein mit der FDP wird es nicht gehen, die Liberalen holten nur 2,1 Prozent. "Das ist ein schlimmes Ergebnis", sagte Ratsmitglied Nino Ruschmeyer, der seine Partei in den kommenden Jahren allein in dem Gremium vertreten wird.

Für Dieter Bender, der zugleich als Spitzenkandidat seiner Partei angetreten war, war das Ratsergebnis eine weitere Enttäuschung. "Wir haben unser angestrebtes Ziel nicht ganz erreicht. Ich bin total überrascht, dass die CDU so gut abgeschnitten hat. Jetzt werden wir weiter instabile Verhältnisse im Rat haben. Aber das wird es auch Herrn Wiese nicht leicht machen." Zehn Mandate (27,7 Prozent) gewann die SPD, die Grünen verbesserten sich auf fünf Sitze (14,3 Prozent).

"Wir haben zwei Mandate hinzugewonnen, Frauen und junge Leute werden frischen Wind in den Rat bringen", sagte Grünen-Spitzenkandidat Erhard Schäfer. "Aber der politische Wechsel wird mit diesem Ergebnis sehr schwierig." Ob es gelinge, hänge davon ab, wie sich die Wählergemeinschaften positionierten. "Man wird uns brauchen", sagte Tobias Müller. Die Winsener Liste holte wenige Monate nach ihrer Gründung 6,9 Prozent, hat nun drei Sitze im Rat. Eine Koalition sei denkbar, aber nicht zwingend notwendig, so Müller. "Wenn es so bleibt wie bisher, können wir ganz wunderbar sachorientiert die jeweiligen Themen diskutieren."

Die Freien Winsener, die nur auf 4,1 Prozent kamen, zeigten sich dagegen sehr enttäuscht. "Das ist eine verheerende Niederlage, an der nichts zu beschönigen ist", sagte ihr Vorsitzender Matthias Seidel. Die zwei Mandate gewannen Merlin Berten und sein Vater Oliver Berten. Letzterer will nun aber die Fortsetzung seiner politischen Arbeit in Winsen überdenken.

Ein politischer Wechsel ist dagegen in Buchholz möglich: SPD und Grüne legten im Vergleich zur Kommunalwahl vor fünf Jahren deutlich zu, CDU und FDP verloren Stimmanteile und damit ihre gemeinsame Mehrheit im Rat. "Ich freue mich zwar, dass wir nach wie vor stärkste Fraktion sind", sagte Sigrid Spieker, die die Liste der CDU im Wahlbereich I anführte. "Aber ich bin natürlich ein bisschen traurig, dass wir nicht mehr Stimmen bekommen haben. Wir haben gute Politik gemacht, aber das offenbar bei den Bürgern nicht immer richtig rübergebracht. Das ist einfach doof." Dass das klare Votum ihrer Partei im Wahlkampf für den Bau des Ostrings ein Grund für das Ergebnis gewesen sein könnte, glaubt Spieker nicht.

Das sieht Wolfgang Niesler, Fraktionschef und Spitzenkandidat der Sozialdemokraten anders. "Hauptthema im Wahlkampf war der Ostring." Seine Partei, die zehn Mandate errang, lehnt die Umgehungsstraße ab. Aber auch mit Schulthemen, wie zum Beispiel dem Einsatz für Ganztagsschulen, habe die SPD punkten können, so Niesler. "Es ist erfreulich, dass CDU, FDP und UWG keine Mehrheit mehr haben. Jetzt stehen wir jedoch vor der Herkulesaufgabe, mit anderen Gruppen eine Mehrheit zu bilden." Neben dem Wunschpartner - die Grünen gewannen sieben Mandate - sei zum Beispiel die Buchholzer Liste, die wie die UWG zwei Mandate holte, ein möglicher Gesprächspartner.

Auch bei den Grünen wird das Ergebnis als klares Votum gegen die Ortsumgehung gewertet. "Es ist äußerst erfreulich, dass der Ostring jetzt vom Tisch ist", sagte die Spitzenkandidatin Gabriele Wenker. "Das ist ein klares Signal." Nun müsse so bald wie möglich der Mühlentunnel ausgebaut werden. Dass die Buchholzer Grünen vom Bundestrend profitiert hätten, lässt sie eingeschränkt gelten. "Das stimmt sicherlich - wenn es dabei nicht nur um Atomkraft, sondern auch um Glaubwürdigkeit geht."