“Das Betriebskonzept ist erfolgreich, die Pferdefreunde schätzen die Stadtnähe und die vielen Möglichkeiten zum Ausreiten.“

Moorburg. Stille, schlechte Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln und dem Rest der Welt vielfach unbekannt - Faktoren, die am 25. September 1877 den Maler und Landmann Heinrich Rehr, 20, aus Moorburg dazu getrieben haben, mittels des Schiffes "Uranus" nach Südafrika auszuwandern.

Für viele Moorburger sind es allerdings genau die Gründe, weshalb sie trotz Kohlekraftwerk vor der Haustür, drohendem Schlickhügel in der Nähe des Ortskerns und anderer Unbill bleiben. "Erst mal abwarten, was noch kommt", sagt Malermeister Thorsten Höling, der am Moorburger Kirchdeich wohnt. Von dort wegzuziehen kann er sich - vorerst - nicht vorstellen.

Einige Meter weiter betreibt Babett Kräkel ihren Reitstall. Bereits vor elf Jahren hatte sie den ehemaligen Rinderstall am Moorburger Elbdeich gepachtet. Besonders die Nähe zur Stadt und die Möglichkeiten für Pferdefreunde, in den Harburger Bergen, in der Fischbeker Heide und an den Deichen mit ihren Rössern unterwegs zu sein, begeisterten Kräkel. "Und was mir gefällt, zieht bestimmt auch andere Reiter an", sagt sie. Also gründeten sie und Geschäftspartner Jürgen Ecks den Stall "Kunterbunte Pferde".

Das 15 Hektar große Gelände bietet reichlich Platz für Robusthaltung, Winterquartiere, Weiden und Reithalle. Ecks leistet sich noch eine große Kirschenplantage. 28 Pferde können hier Quartier finden, werden versorgt, erhalten Heu rund um die Uhr, wenn sie es denn möchten. 280 000 Euro, "so viel wie ein Eigenheim", so Kräkel, hat sie schon in ihr Paradies investiert. "Gerade haben wir die Winter-Auslaufflächen mit Straßenbauvlies unterlegt, damit die Pferde trocken stehen", sagt sie. In einem luftigen Offenstall haben, sobald es kühler wird, neun Pferde Raum zum Ausbreiten. Stall und Reithalle, "die hat normales Olympia-Maß", betont die Reiterin, sind in Leichtbauweise errichtet worden. Wenn man nach dem Grund fragt, wird die lebhafte Frau, die so enthusiastisch über ihren Reitstall, ihre Existenz, erzählen kann, ernst.

"Wenn hier mal Schluss ist, könnten wir alles schnell abbauen", sagt sie und zeigt auf einige Meter hinter Ecks Obstbaumreihen. "Dort soll mal die A 26 verlaufen. Dann hat es keinen Zweck mehr mit unserem Hof." Denn gerade die Ruhe, die vielen verschlungenen Reitwege durch Deichgebiet, Stadt und Wald, ziehen ihre Kunden an. 23 Frauen und zwei Männer, viele von jenseits der Elbe, haben bei Kräkel ihre tierischen Lieblinge untergestellt. Ihre Stallboxen dürfen sie bunt anmalen, um Farbe in die Rinderstall-Tristesse zu bringen.

"Ich will hier nicht weg. Das Betriebskonzept ist erfolgreich, die Pferdefreunde schätzen die Stadtnähe und die vielen Möglichkeiten zum Ausreiten. Es ist die Mischung, die kaum ein anderer Hof bieten kann."

Stolz zeigt sie auf ihre eigenen Pferde, "Sir Khan" und Zuchtstute "My Accolate", ein englischen Vollblut. Dann blickt sie zur Reithalle hinüber. Dort trainiert gerade die Harburgerin Iris Doobe ihre "Shilly". Zwei Katzen streunen über das Gelände, eine trägt eine Maus zwischen den Zähnen.

Die Wände der Putzkammer hat Kräkel mit lustigen Pferdebildern bemalt. In der Ecke steht eine ausrangierte Sofagarnitur. Eine Spatzenkolonie hat sich im Stall eingenistet. Die kleinen Vögel fliegen munter durch die geöffneten Fenster und wieder zurück. "Im Winter sitzen sie auf den Stangen der Boxen. Man kommt sich dann vor wie in einer Voliere", sagt Kräkel. Dass ihr Idyll vielleicht ein Paradies auf Zeit ist, ist ihr bewusst. Sie denkt nicht gerne daran. "Ich will hier nicht weg. Es sollten noch mehr junge Familien in die leer stehenden Häuser ziehen, damit mehr Druck ausgeübt werden kann." Es sei positiv, dass sich viele Neubürger für den bedrohten Ortsteil einsetzen. "Herziehen statt Wegziehen, das ist angesagt", so die Moorburgerin. Auswandern, wie es einst Landmann Rehr für sich entschied, kommt für sie "gar nicht in Frage".