Zur Zeit liest und hört man viel von Stadttauben. Sie gelten als “kommunalhygenisches Problem“. Wie allgemein bekannt ist, können sie Allergien auslösen sowie Bakterien und Krankheiten übertragen.

Erstaunliches las ich kürzlich: Wilde Stadttauben sollen fähig sein, sich Gesichter zu merken. Das fanden französische Biologen heraus.

Wie ich auf dieses Thema komme? Beim Gießen der Balkonblumen hörte ich heute Morgen aufgeregtes Gurren. Ich blickte hoch und erkannte mehrere Tauben auf einem nahen Mauervorsprung. Irgendwie fühlte ich mich beobachtet. War das womöglich ein Familien-Ausflug, um den jüngeren Tieren mein Gesicht zu zeigen, damit sie es sich merken? Vielleicht gurrte der oberste Familien-Tauberich so oder ähnlich: "Seht ihn euch an. Das ist der Kerl, der schon euren Urgroßeltern auf niederträchtige Art den Balkon verwehrt hat. Merkt euch das Gesicht und zeigt es euren Kindern. Er ist unser Erbfeind." Ich kann verstehen, dass diese Tiere mir gegenüber Groll verspüren. Vom Schreibtisch habe ich einen strategisch vorteilhaften Blick auf den Balkon. Plumpe Landungen im Blumenkasten, bei der sie Pflanzen platt drückten, verhinderte ich durch scharfes Rufen. Manche Lande-Anflüge leitete ich mit wilden Armbewegungen am offenen Fenster um. Liebesspiele unterbrach ich

durch schrilles Pfeifen, was eigentlich meinen ethischen Grundsätzen widerspricht. In Zusammenarbeit mit einem sprach- und gurrkundigen Dolmetscher bin ich bereit, einen bilateralen Friedensvertrag zu vereinbaren. Dazu gehört die Zwischenlande-Erlaubnis auf dem äußeren Eckpfeiler des Balkongitters nach langen Flügen, ohne Kot abzuladen. Ein faires Angebot, oder?