Hier können Geigen noch vor dem Kauf getestet werden: Das Traditions-Musikhaus Lebens sucht einen Nachfolger, das Haus steht zum Verkauf.

Harburg. Ein Verkaufsschild an der Fassade, das für viele Harburger und Musikfreunde der Region wie ein Paukenschlag wirkt: Die Eigentümer des Musikhauses Lebens an der Ecke Hölertwiete/Sand, wollen ihr Geschäftsgebäude verkaufen - davon kündet ein großes rotes Pappschild mit schwarzen Lettern.

Wollen sie auch ihre Instrumentenhandlung, die seit 129 Jahren in Harburg ansässig ist, aufgeben? "Nein, wir machen weiter", sagt Wolfgang Wichert, 64, einer der Inhaber. Der Erlös aus dem Verkauf des sechsgeschossigen Hauses ist als Altersversorgung für Birgitt und Wolfgang Wichert sowie für Hans-Georg Tressat vorgesehen. Allerdings sucht das Trio nach einem Nachfolger und hofft, dass der Hauseigentümer in spe auch weiterhin eine Musikhandlung zulässt. "Wir würden denjenigen auch einarbeiten und mit Rat und Tat beiseite stehen", sagt Wichert. Eines muss klar sein: Wer das Erbe von Wichert/Tressat antritt, muss genauso musikbegeistert sein. Seit vielen Jahren leiten sie das Unternehmen, das einzigartig im Hamburger Süden ist. Einst gründete der Klavierbauer Johann Friedrich Lebens das Unternehmen. 1882 eröffnete er seinen Laden in der Schloßstraße. 1920 wurde es Lebens dort zu klein - und es war Zeit für einen Generationswechsel. Der Seniorchef überließ es fortan seinem Sohn Friedrich, das Geschäft zu führen. Die Firma zog an die Harburger Rathausstraße, heute Sand 21. Lebens lotste seine Firma mit viel Mut und Geschick durch die Jahrzehnte, nahm auch schon mal als Bezahlung für eine Instrumentenreparatur Wurst und Käse an, als die Zeiten schlecht waren. 1960 verkaufte er den Betrieb an Joseph und Waltraud Gratzer, Eltern der Schwestern Birgitt Wichert und Ursel Tressat.

Wichert: "Die meisten Ladeninhaber haben sich spezialisiert auf Noten, Zubehör oder auf einige Instrumente. Bei uns erhalten Kunden alles, was das Musikerherz begehrt." Bis vor einem Jahr gab es auch noch eine Musikschule im Haus. Aber da Hans-Georg Tressats Ehefrau Ursel, die sich um den Betrieb kümmerte, im vergangenen Jahr starb, lohnte sich der Verwaltungsaufwand nicht mehr.

Dafür können Musikliebhaber im Geschäft einiges entdecken, wenn sie sich die Zeit nehmen, in eine andere Welt jenseits der Hektik auf dem Sand einzutauchen. In einem der Regale liegt eine kleine, liebevoll geschnitzte Rassel in Echsenform, an der nicht nur Kinder ihre Freude haben dürften. "Die ist eigentlich für Jungen und Mädchen im Vorschulalter gedacht, die ihre ersten Erfahrungen mit Musik machen", sagt Wichert. Sogar Klangschalen, eigentlich "Instrumente" aus der Esoterik-Ecke gehören zum Sortiment. "Die sind sehr beliebt, kommen aus Tibet. Dort werden sie auch als Essgeschirr verwendet." Groß ist die Auswahl an lederbespannten Trommeln, Gitarren und Akkordeons. Vor einem Schrank hängt ein Xylofon mit hölzernem Körper in Fischform, tiefblau bemalt, ein Instrument, das man sein Leben lang nicht weggeben würde. Fast ein wenig zu modern muten die digitalen Klaviere und Keyboards an, die im Schaufenster stehen.

Hier können die Geigen, die zum Angebot gehören noch ausprobiert werden.

Und wer weiß schon, dass das Lebens-Team Tambourstäbe anfertigt, die von Spielmanns- und Karnevalszügen aus vielen europäischen Ländern bestellt werden. Wichert: "Wir haben sogar in einer der Kindersendungen mit der Maus gezeigt, wie wir diese Stäbe herstellen. Das war eine tolle Erfahrung."

Das Musikhaus bietet viel Service, der Händlern im Internet völlig abgeht. "Leider kaufen einige Kunden diese technischen Instrumente bei Netzhändlern und wollen sie sich bei uns erklären lassen", sagt der 64-Jährige. Der schnelle Einkauf per PC trübt den Umsatz ein wenig, doch davon lassen sich die Inhaber nicht entmutigen. Ihr Geschäft, das ist auch ihre Leidenschaft, von der sie nicht lassen können. Und wenn sie keinen Nachfolger finden würden? "Das wäre schrecklich. 129 Jahre schmeißt man nicht so einfach weg", sagt Wichert.