Dieter Rathing wäre gern zur See gefahren. Jetzt wird er Landessuperintendent im Sprengel Lüneburg. Zu seinen Aufgaben gehören zahlreiche Repräsentationspflichten.

Lüneburg. Zur See gefahren wäre er gern, der neue Landessuperintendent für den Sprengel Lüneburg. Geworden allerdings ist aus dem Traumberuf nichts, weil die Tauglichkeitsprüfung Dieter Rathing eine Farbenblindheit attestierte. "Wer eine grüne von einer roten Boje nicht unterscheiden kann, ist ungeeignet für die Marine", sagt der im Landkreis Hameln geborene Theologe.

So riet ihm der Pastor seiner Heimatgemeinde in Aerzen zum Studium der Theologie. Der Gedanke daran war dem heute 54-Jährigen zuvor nicht gekommen, obwohl er groß geworden ist mit und in der gemeindlichen Jugendarbeit. Wahrscheinlich hatte der weise Pastor das Talent des jungen Mannes erkannt, von dem dieser selbst noch nichts ahnte. Rathing verließ das heimatliche Nest und studierte in Tübingen und Göttingen. Es schloss sich an das Vikariat, der berufspraktische Vorbereitungsdienst, in der Stader Kirchengemeinde St. Cosmae-Nicolai.

"Da endlich war ich drin in dem Schiff, das sich Gemeinde nennt", so Rathing. Es habe immer Menschen gegeben, die ihn in die Kirche hineingebracht hätten. "Das war kein Kraftakt, sondern es gelang von selbst." Nach seiner Ordination wurde er 1986 Pastor in der Stader Kirchengemeinde St. Wilhadi, "Das Viertel galt damals als sozialer Brennpunkt. Da war Kirche Basisarbeit." Der weitere Weg führte ihn über Osnabrück nach Verden, in einen sehr landwirtschaftlich geprägten Kreis.

Der Theologe, der zuletzt als Superintendent in Verden wirkte, wird offiziell diesen Sonntag um 15 Uhr in der St. Johanniskirche durch Landesbischof Ralf Meister in sein Amt eingeführt - umrahmt von viel Musik und Grußworten. Die Predigt hält er selbst.

Zu Rathings Aufgaben gehören in Zukunft Visitationen in den einzelnen Kirchengemeinden und Kirchenkreisen. Auch die Einweihung von Kirchen und die Einführung von Pastoren in ihr Amt sowie zahlreiche Repräsentationspflichten zählen zu seinem Arbeitsfeld.

Mit den Besuchen hat er schon begonnen.

Bereits Anfang August ist der Vater von zwei erwachsenen Kindern mit seiner Frau nach Lüneburg gezogen. Seitdem reist er durch seinen Sprengel und besucht vor allem Einrichtungen, die in der Sozialarbeit tätig sind. Er weiß deshalb bereits um einige Probleme und Besonderheiten der Region: "Im Amt Neuhaus müssen wir aufpassen, dass wir in der Fläche präsent bleiben." Eine Basis, auf der sich aufbauen lässt, gibt es im Amt Neuhaus durchaus. "Wir haben im Amt eine Mitgliedschaftsquote von 40 bis 50 Prozent." Rathing übernimmt mit Lüneburg hinsichtlich Fläche und Zahl der Kirchenmitglieder (rund 640 000) den größten von sechs Sprengeln der Landeskirche Hannover. Das Spektrum ist breit: es reicht von Wolfsburg als Großstadt und wichtigem Industriestandort über Hermannsburg als Zentrum des Evangelisch-lutherischen Missionswerkes und das Wendland mit der Gorleben-Problematik bis in den Landkreis Harburg.

Das bedeutet viel Verwaltungsarbeit. Doch darauf möchte sich Rathing keinesfalls reduzieren lassen. Er will auch in der kirchlichen Basisarbeit aktiv bleiben. Einen Ansatzpunkt sieht der Landessuperintendent bei ehemals christlichen Selbstverständlichkeiten, die mehr und mehr verloren gehen: "Die Kindstaufe ist zum Beispiel nicht mehr selbstverständlich." Rathing sieht darin einen Bruch mit christlichen Traditionen, dem Pastoren auf jeden Fall begegnen müssten. "Wir sind gefordert, die Pflege dieser Traditionen selbst in die Hand zu nehmen. Auf diesen Veränderungsprozess müssen Kirche und Pastoren vorbereitet werden. Und ich möchte Kirche und Pastoren in dem Veränderungsprozess so gut wie möglich begleiten", wünscht sie Rathing.

Der neue Landessuperintendent weiß aus seiner bisherigen Arbeit sehr genau, vor welchen Herausforderungen die Kirche in Zeiten sinkender Mitgliederzahlen und mangelnder Finanzausstattung steht. Um gegenzusteuern setzt Rathing auf Kreativität. Nach seiner Auffassung müssen Kirchen noch offener für Besucher werden. Führung für Schulklassen und Touristen in den Kirchen, um ihnen die christliche Symbole und deren Bedeutungen näher zu bringen, sieht er als eine Möglichkeit, größeres Interesse für die Kirche zu wecken.

Sein Beruf lässt den neuen Landessuperintendenten offenbar selbst in der Freizeit nicht los. Rathing such Erholung beim Joggen. Und lauscht dabei zurzeit Martin Walsers Novelle "Mein Jenseits".