Mit dem Telefonhörer am Ohr sitze ich am Schreibtisch. Ich höre klassische Musik aus einem Klavierkonzert von Beethoven.

In regelmäßigen Abständen wird die Musik von einer freundlichen Tonband-Frauenstimme unterbrochen: "Leider sind zur Zeit alle Leitungen belegt. Wir sind gleich für Sie gesprächsbereit. Bitte haben Sie etwas Geduld".

Eigentlich will ich telefonieren. Beethoven, Mozart oder Vivaldi in der Telefon-Warteschleife zu hören, lenkt mich vom Musikgenuss ab. Ja, ich gebe es zu. Ich reagiere in diesem Fall etwas kompliziert. Vielleicht bin ich ja auch ein Snob. Aber diese klassischen Warteschleifen-Klänge bedeuten für mich dasselbe, als würde ich einen erlesenen Tee oder Rotwein aus einem Coffee- to- go-Plastikbecher mit einem Trinkhalm schlürfen, während ich an einer Fußgängerampel auf Grün warte.

Doch Folgendes soll hier nicht unerwähnt bleiben: Es ist eine wissenschaftlich abgesicherte Erkenntnis, dass Milchkühe bei klassischer Dauerbeschallung im Stall mehr Milch geben. Außerdem soll diese Musik eine beruhigende Wirkung auf die Tiere haben. Milch werde ich auch beim geduldigen Hören der längsten Warteschleifen-Tonkonserve nicht geben. Aber vielleicht denkt man, dass man die beruhigende Wirkung auch für ärgerliche Anrufer nutzen kann. Eben habe ich im

Bücherbord gestöbert und ein Zitat von Ludwig van Beethoven gefunden: "Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie". Ein schöner Satz am Ende eines Warteschleifen-Konzerts, nicht wahr? Ich lege den Hörer auf und tippe diese Randnotiz von der Schreibunterlage in den Computer. Telefonieren kann ich ein anderes Mal.