Durch weltweite Transportwege gelangen neue Pflanzen und Tierarten in die Region. Und manche sind giftig

Lüneburg. Der Eindringling sieht eher harmlos aus - aber seine Pollen manchen ihn zu einer Gefahr für Mensch und Tier. Schon wenige der hoch allergenen Blütenstaubpartikel können brennende Augen, gereizte Schleimhäute und Niesanfälle auslösen. Bis hin zu Asthma-Anfällen, Hautausschlägen und Kreuzallergien reichen die Reaktionen, für die eine einzelne Pflanze verantwortlich sein kann. Beifuß-Ambrosia heißt das Unkraut, das ursprünglich aus Nordamerika stammt und mittlerweile auch in Niedersachsen gern an Bahndämmen, Autobahnen, Schutthalden und auf Brachflächen wächst.

Der rötliche Stängel kann bis zu 1,50 Meter hoch werden und ist buschig verzweigt. "Und jetzt, in der zweiten Jahreshälfte werden die Pflanzen erst auffällig", sagt Dr. Joachim Weinert von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Dort werden die Fundstellen von mehr als 20 Pflanzen auf einem Fleck landesweit registriert. "Dabei sind die bewirtschafteten Flächen, auf denen auch regelmäßig das Grün geschnitten wird, nicht betroffen", sagt Weinert. Häufig wächst die Beifuß-Ambrosia in schwer zugänglichen Bereichen, die nicht regelmäßig gemäht werden. In den vergangenen Jahren hätte sich aber die Zahl der gesichteten Pflanzen erhöht. Eingeschleppt wurden die Samen als Bestandteil von Vogelfutter oder von Vögeln selbst.

Auch die Giftpflanze des Jahres 2008, der Riesenbärenklau, fühlt sich neuerdings in Norddeutschland wohl. Ursprünglich stammt die Pflanze, die wegen ihrer bis zu vier Meter hohen Stängel auch Herkulesstaude genannt wird, aus dem Kaukasus. "Auf unserer Pflegefläche im Elfenbruch, hinter dem Hasenburger Teich, da wächst viel davon", sagt Gudrun Bardowicks, vom Naturschutzbund (Nabu) Lüneburg. Dort wird den baumartigen Pflanzen auf naturnahe Art und Weise zu Leibe gerückt: Schafe weiden auf der Fläche. "Ihnen machen die Reizungen von Haut und Atemwegen, die Menschen im Kontakt mit der Pflanze davon tragen können, nichts aus. Sie scheinen resistent gegen die aggressiven Stoffe zu sein." Wer Beifuß-Ambrosie oder Riesenbärenklau in seinem Garten findet, sollte bei der Bekämpfung Schutzkleidung tragen und den direkten Kontakt mit den Pflanzen meiden. Die Pflanzen sollten nicht kompostiert, sondern im Restmüll entsorgt werden.

Im Lüneburger Kurpark, in Oerzen und Barnstedt wurden in den vergangenen Jahren immer wieder Bestände von Riesenbärenklau gemeldet. "In Neu Oldendorf haben wir nach sieben Jahren eine mehrere Quadratmeter große Fläche endlich in den Griff gekriegt", sagt Burkhard Jäckel von der Unteren Naturschutzbehörde Lüneburg. Der Bärenklau ist auch im Bezirk und Landkreis Harburg anzutreffen.

Immer wieder tauchen Neophyten, wie die eingewanderten Pflanzen im Fachjargon heißen, in unsere Vegetation auf. An Bord von Flugzeugen, Schiffen und Autos werden Samen häufig als blinde Passagiere mitgenommen. Gleichzeitig werden seit Jahrhunderten fremde Arten bewusst in die hiesige Flora und Fauna integriert. Ein berühmtes Beispiel ist die Kartoffel, die sich von Südamerika aus ihren Weg auf unsere Felder bahnte und aus der hiesigen Küche heute nicht mehr wegzudenken ist. Auch der Mais, der inzwischen flächendeckend in Deutschland angebaut wird, gehört zu den importierten Pflanzen. Früher fremd und heute heimisch sind unter anderem auch Douglasie, Nachtkerze und Magnolie.

Auch die Herkulesstaude war ursprünglich willkommen. Eingeführt haben Imker die Pflanze, deren Blüten in großen Dolden schneeweiß blühen. "Mit Gartenabfällen sind die Samen vermutlich aus den Gärten an die Waldränder gelangt", erklärt Landschaftsökologe Jäckel. "Dort haben sie keine Konkurrenten. In Bereichen wie dem Moor gehen wir gegen die Staude vor."

Auch im Tierreich haben sich in den vergangenen Jahren Neuankömmlinge, Neozoen genannt, ausgebreitet. Vermutlich an Bord eines der vielen Schiffe, die den Hamburger Hafen anlaufen, gelangte die chinesische Wollhandkrabbe in die norddeutschen Gewässer. Gudrun Bardowicks hat den Eindringling an der Elbe in Bleckede und Lauenburg beobachtet. "Sie zerstören die Netze und Reusen der Fischer an der Elbe und besetzen eine ökologische Nische, in der bisher der Flusskrebs zu Hause war", sagt die Naturschützerin. "Hier finden sie ideale Lebensbedingungen, sie vermehren sich stark und können auch weite Strecke an Land zurücklegen." Der einheimische Flusskrebs litt unter der starken Verschmutzung der Gewässer durch Industrieabwässer in den 80er-Jahren. Nun muss der stark geschrumpfte Bestand mit der Wollhandkrabbe um Lebensraum und Nahrung konkurrieren.

Rasend vermehrt haben sich in den vergangenen Jahren auch Waschbären, die mittlerweile für Bodenbrüter wie den Seeadler in einigen Teilen Niedersachsens eine ernste Gefahr darstellen. Die von Pelztierfarmen geflohenen Tiere haben hier keine natürlichen Feinde. "Nur der Uhu macht Jagd auf die Jungtiere", sagt Gudrun Bardowicks.

In einigen Teilen Niedersachsens sind auch Menschen von der Plage getroffen: Die schwarz-weißen Bären machen sich auf Dachböden breit, bedienen sich aus Gartenteichen und Mülltonnen. Ihre Bekämpfung ist schwierig. Wer eingewanderte Arten jagen will, muss sich mit fehlenden oder lückenhaften rechtlichen Grundlagen auseinandersetzen. Aber nicht jede eingewanderte Art ist so aggressiv. Die aus Asien stammende Mandarinente fügt sich problemlos in die heimische Artenwelt ein. "Die eingewanderten Arten sollte man nicht nur als Eindringlinge wahrnehmen, sie stellen auch eine Bereicherung unserer Flora und Fauna dar", sagt Burkhard Jäckel von der Unteren Naturschutzbehörde Lüneburg.