Martin Brandt ist Imker aus Leidenschaft. Für das aktuelle Jahr wird eine gute Honigernte erwartet. “Die Biene wird immer ein Wildtier bleiben.“

Quarrendorf/Wesel. Wenn Martin Brandt bei seinen Bienenvölkern in der Heide bei Wesel nach dem Rechten schaut, beruhigt er mit künstlich erzeugtem Rauch erst mal die Tiere, ehe er die Bienenkästen öffnet. Dann erfreut er sich jedes Mal an der Faszination der geheimnisvollen Bienen: "Wir haben mit Phänomenen zu tun, die wir nie begreifen werden", sagt der 37-Jährige. Alle sozialen Zusammenhänge und Arbeitsabläufe innerhalb der Völker werde der Mensch nie ganz verstehen. "Anders als Schaf oder Kuh wird die Biene immer ein Wildtier bleiben."

Für Brandt ist das "das Faszinierende" an der Imkerei. Schon mit 16 Jahren hat er Heideimkern bei der Arbeit geholfen und dafür ein erstes eigenes Bienenvolk geschenkt bekommen. Inzwischen hat Martin Brandt, der im Hauptberuf als Ergotherapeut arbeitet, einen Nebenerwerbsbetrieb in Quarrendorf mit 100 Völkern, und die Begeisterung für die Imkerei hat "bis heute nicht abgenommen". Die Völker überwintern mit einem kleinen Kern an Population und mit der Königin, vermehren sich dann bis zur Sommersonnenwende auf jeweils bis zu 50 000 Individuen, anschließend nimmt ihre Zahl wieder ab.

Besonders wichtig sind Bienen für den Obstbau, da sie die Blüten der Obstbäume bestäuben. Auch Martin Brandts Völker werden jedes Jahr im Frühling ins Alte Land gefahren und dort zur Auftragsbestäubung der Kirsch- und Apfelblüten eingesetzt. Dafür zahlen die Obstbauern eine "Bestäubungsprämie". Bienen brauchen abwechslungsreiche Flora: Im Raps fühlen sie sich wohl, in den zunehmend zur Biogaserzeugung angelegten Mais-Monokulturen dagegen nicht. Brandt: "Vielerorts finden die Bienen nichts mehr zu fressen."

Besonders problematisch für das Überleben der Bienen seien auch die Agrargifte, deshalb würden immer mehr Imker mit ihren Bienen in die Städte ausweichen. Hamburg sei für seine Bienen "ein tolles Pflaster". In der Großstadt fänden die Tiere Bedingungen vor, "wie sie sie haben wollen" - mit einer abwechslungsreichen Pflanzenwelt und ohne Agrargifte. Und das Resultat, der "Hamburger Lindenhonig", schmecke einfach klasse.

"Normalerweise sind Bienen sanft", sagt Brandt. Trotzdem wird er immer wieder gestochen, "ein paar Mal im Jahr" passiere das. Ein Stück weit habe sich sein Körper daran gewöhnt und reagiere inzwischen anders: "Die Schmerzen bleiben zwar jedes Mal gleich, aber ich bekomme keine dicke Hand mehr." Keine Schmerzen dürfte Brandt der diesjährige Honigertrag in der Heide bereiten - geerntet wird hier jedes Jahr im August und September: "Die letzte gute Heidehonigernte hatten wir 2007, danach war es zu trocken, doch diesmal könnten wir wieder Glück haben".

Die Imkerei hat in der Lüneburger Heide eine lange Tradition. Auch wenn die typischen runden Bienenkörbe aus geflochtenem Stroh, die "Lüneburger Stülper", durch kastenförmige Magazine ersetzt wurden, gehören die historischen "Bienenzäune" nach wie vor zum Landschaftsbild. Sie dienten als geschützte Unterstände für die Bienenkörbe und werden noch heute genutzt. Knapp 80 von ihnen gehören zum Gebäudebestand der Stiftung Naturschutzpark.

Die Tradition, die noch heute von Imkern wie Martin Brandt gepflegt wird, geht zurück bis ins Mittelalter. Der aromatische Heidehonig mit seiner typischen geleeartigen Konsistenz wurde Jahrhunderte lang zur Herstellung von Met und vor der Einführung von Rohr- und Rübenzucker zum Süßen von Speisen und Getränken verwendet. Noch heute ist ein Glas Heidehonig ein beliebtes Souvenir. Neben dem Honig war auch das Bienenwachs ein begehrter Stoff: Daraus wurden Kerzen hergestellt. Bis ins 19. Jahrhundert war die Imkerei ein wichtiger Erwerbszweig der Bauern in der Region, bis die Verringerung der Heideflächen den Bienenvölkern die Nahrungsgrundlage entzog.

Mancherorts in der Heide ist die Erinnerung an die große Zeit der Heideimkerei aber immer noch besonders stark. So wird in Wietzendorf seit 1973 jedes Jahr am letzten September-Wochenende das "Honigfest" gefeiert - in diesem Jahr am 24. und 25. September mit Flohmarkt, Laternenumzug, Musik und Show. Außerdem gibt es hier ein Imkermuseum, und in der Dorfmitte steht die Bronzefigur eines Imkers mit seinen Bienenkörben als Wahrzeichen des "Honigfestdorfes".

In Celle in der Südheide erforscht das Institut für Bienenkunde des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit die Geheimnisse der nützlichen Insekten. Hier können Hobby- und Berufsimker ihr Wissen vertiefen. Die Schulung von Freizeitimkern steht ebenso auf dem Programm wie die Berufsausbildung zum Tierwirt Fachrichtung Imkerei bis hin zur Meisterprüfung. Über 5000 Besucher pro Jahr kommen ins 1927 gegründete "Bieneninstitut". Auch ein Bienengarten und ein Bienenmuseum können hier besichtigt werden.

www.imkerei-brandt.de

www.wietzendorf.de

www.bieneninstitut.de