In Harburger Kindertagesstätten sind männliche Erzieher noch immer Mangelware. Christian Bierwirth ist Erzieher - so etwas wie ein Unikum seiner Branche.

Harburg. Er wirkt wie ein Riese im Zwergenland. Christian Bierwirth misst 1, 95 Meter und sieht dank stattlicher Figur aus, als wäre er Türsteher oder Sicherheitsbeamter. Doch anstatt sich mit Discobesuchern herumzuärgern, wird der Harburger Hüne in der Kita Bremer Straße Tag für Tag von einem Tross kleiner Jungen und Mädchen belagert. Christian Bierwirth ist Erzieher - und damit so etwas wie ein Unikum seiner Branche.

Fakt ist nämlich: Noch immer entscheiden sich hauptsächlich Frauen für einen Beruf im Bereich der Kinderbetreuung. Auch Bierwirth hatte zu Beginn seines Berufslebens nicht unbedingt geplant, sein Geld eines Tages in einer Kindertagesstätte zu verdienen. "Ursprünglich dachte ich daran, in einer Kfz-Werkstatt zu arbeiten", erzählt der 24-Jährige. Aber bereits nach zwei Tagen Praktikum stand für Bierwirth fest, dass er sein Leben keinesfalls zwischen Schraubenziehern und Motorenöl verbringen möchte.

Auf der Suche nach dem richtigen Job erinnerte sich der damals 16-Jährige schließlich an ein Schülerpraktikum, das er in der zehnten Klasse in einem Kindergarten absolviert hatte und das ihm damals große Freude bereitete. "Da war für mich klar, dass ich Erzieher werden möchte", sagt Bierwith, der zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste, welcher Ausbildungsmarathon auf ihn wartete. Fünf Jahre dauerte die Lehre.

Mit absolviertem Realschulabschluss musste Christian Bierwirth sich zunächst zwei Jahre lang zum sozialpädagogischen Assistenten ausbilden lassen. Daran anschließend folgte die dreijährige Weiterbildung zum Erzieher. "Eine lange Zeit, in der man leider kein Geld verdient", sagt Bierwirth und legt die Stirn in Falten. Er glaubt, dass gerade die finanzielle Durststrecke bis zum Anerkennungsjahr der vor allem schulisch geprägten Ausbildung viele Männer davon abhält, den Beruf als Erzieher anzustreben.

"Ich wurde damals von meinen Eltern unterstützt, aber nicht jeder hat solch ein Glück", sagt er nachdenklich. Dem jungen Mann ist bewusst, dass das gesellschaftliche Bild im Bereich der Kinderbetreuung noch immer weiblich geprägt ist. Doch gerade dies biete für junge Männer die Chance, sich in diesem Berufszweig zu etablieren und tradierte Klischees aufzubrechen. "Männliche Erzieher werden überall gesucht. Wer einen sicheren Job haben will, sollte sich also überlegen, ob das Berufsfeld zu ihm passt", sagt Bierwirth.

Sicherlich, gibt der 24-Jährige zu bedenken, müsse man(n) ganz gewiss Einfühlungsvermögen und Spaß bei der Arbeit mit Kindern mitbringen. Doch wer dem Lautstärkepegel gewachsen sei, habe beste Chancen, zum Liebling jeder Kindertagesstätte zu avancieren.

Diese Erfahrung hat auch Ralf Lange gemacht. Er ist Leiter der seit Januar bestehenden Koordinierungsstelle des Hamburger Netzwerks "Mehr Männer in Kitas" und sucht gemeinsam mit seinem Projektteam nach Strategien, um Männer für die Kinderbetreuung zu begeistern. Bislang sind nur rund zehn Prozent aller Erzieher in Hamburger Kindertagesstätten männlich. Nach Vorgaben der Europäischen Union soll dieser Anteil mittelfristig auf rund 20 Prozent anwachsen. Ralf Lange: "Allein aus gleichstellungspolitischen Gründen sollten sich Männer und Frauen in allen Lebens- und Arbeitsbereichen gleichermaßen engagieren. Dazu gehört auch der Bereich der frühkindlichen Pädagogik", so der Projektkoordinator.

Lange warnt aber davor, männlichen Erziehern generell andere Kompetenzen oder Eigenschaften zuzuschreiben als ihren Kolleginnen.

Studien hätten gezeigt, dass Männer und Frauen im pädagogischen Bereich gleichermaßen erfolgreich arbeiten. Dem Projektkoordinator ist es wichtig, dass Kinder lernen, männliche Erzieher als konkrete Bezugspersonen wahrzunehmen. "In vielen Familien fehlen Männer aus verschiedenen Gründen als Ansprechpartner der Kinder. Auch deshalb kann eine größere Anzahl männlicher Erzieher für Jungen und Mädchen Vorteile für ihre Persönlichkeitsentwicklung bringen", sagt Lange.

Der Blick in die Praxis zeigt, dass die Rolle männlicher Erzieher tatsächlich wachsende Bedeutung erlangt. So ist Christian Bierwirth für die Jungen in der von ihm betreuten Gruppe zu einem wichtigen Weggefährten geworden. "Sie können auch mal mit mir raufen, und im Gegensatz zu den meisten weiblichen Kolleginnen, spiele ich auch sehr gerne Fußball mit ihnen", sagt Bierwirth. Er selbst sei "nicht so der Künstler und Sänger", gesteht der 24-Jährige, der nun seit rund vier Jahren in der Kita des Deutschen Roten Kreuzes Hamburg-Harburg tätig ist. Allerdings bemüht Bierwirth sich redlich, auch im Bereich der Bastelarbeiten zu einem echten Vorbild zu werden und seinen weiblichen Kolleginnen damit in nichts nachzustehen.

Bei allen öffentlichen Diskussionen um die Männerquote in Kitas und Grundschulen betont der 24-Jährige nichtsdestoweniger, dass es prinzipiell unwichtig sei, ob ein Erzieher männlich oder weiblich ist. "Was wirklich zählt, ist vor allem der persönliche Stil der Betreuerin oder des Betreuers", sagt Bierwirth. Und der sei letztlich vor allem eines: geschlechtsunabhängig.