Hunderte Besucher wollten den bekannten Pferde-Chiropraktiker Tamme Hanken aus Ostfriesland beim “Kummertag“ in Lübberstedt sehen.

Lübberstedt. Mit einem schnellen Handgriff packt Tamme Hanken Pferd Leslie am Gelenk und zieht beherzt am Hinterbein. Ein Ruck, es knackt, das war's. Leslie kann wieder entspannt über die Wiese schreiten. Seine Besitzerin ist erleichtert. Sirka Horchler, 33, ist aus Himmelpforten angereist, um den XXL-Ostfriesen, bekannt aus der gleichnamigen NDR-Fernsehsendung, um Rat zu fragen.

Am Sonntag hat Tamme Hanken einen "Kummertag" für Pferde und Hunde auf dem Schüttenhof in Lübberstedt angeboten. Viele der Besucher wollen Rat, andere sind nur zum Gucken hergekommen. Fotoapparate klicken, Hunde werden zurückgepfiffen, am Bratwurststand fachsimpeln Besucher über Pferdekrankheiten. Der 14 Jahre alte Leslie soll zum Therapiepferd ausgebildet werden. "Aber er hat beim Reiten immer mit dem Kopf geschlagen, konnte nicht ruhig bleiben. Bisher haben wir die Wurzel des Problems nicht gefunden", sagt Sirka Horchler

Tamme Hanken, 2,06 Meter groß und 160 Kilogramm schwer, schaut Leslie sofort ins Maul: Eine Allergie gegen das Gebissstück aus Kupfer soll die Probleme ausgelöst haben. "Das klingt logisch", sagt Sirka Horchler. Doch ein Besuch bei dem Pferde-Chiropraktiker wäre nicht vollkommen ohne das markante Knacken. Auch bei Leslie wird alles eingerenkt. Seine Besitzerin, selbst Reittherapeutin, ist beeindruckt. "Es ist erstaunlich, dass er zu allen Beschwerden etwas weiß. An das Gebiss hatte vorher noch niemand gedacht."

Im Open-Air-Sprechzimmer ist der nächste dran. "Moin", sagt Tamme Hanken und weist die junge Frau an, mit ihrem Pferd die Wiese ein Stück zu gehen. "Er belastet die Gelenke falsch", lautet das Urteil. "Innen ist das viel zu tief." Die Hufe sollten gekürzt und anders beschlagen werden. Um sich das Gelenk anzusehen, soll die Besitzerin das hintere Bein ihres Pferdes anheben. Zögerlich greift sie zu, lässt sich zweimal abschütteln. "Nicht so langsam, Schätzelein", dröhnt Tamme Hankens Stimme hinter ihr. "Bei mir hat er auch ruhig gehalten - und ich hab ihn gequält." Für sein Fingerspitzengefühl ist der Ostfriese mit den Händen so groß wie kleine Bratpfannen bekannt. Für seine unkonventionellen Methoden und Therapietipps ebenso. "Pferde und Frauen brauchen Bewegung und viel Arbeit, das hält sie gesund", scherzt er zwischen zwei Konsultationen.

Dann führt Ina Gehrden aus Nindorf ihre Hillary vor. Mit einem Hinterbein tritt das Pferd kurz, mit dem anderen lang. Auch hier lässt Tamme Hanken alle Beine knacken, dann zeigt er auf das Zaunzeug. "Vorn alles lostüddeln!" Was er schon vermutet hat, bestätigt sich beim Blick ins Maul. Auch Hillary verträgt das Gebissstück offenbar nicht. Bläschen im Maul wiesen auf eine Allergie hin, sagt der Experte.

Was für ein Gebiss sie denn nehmen solle, frage Ina Gehrden. "Stinknormalen Edelstahl", sagt er und setzt seine goldumrandete Brille auf, um ein Rezept zu schreiben. Bevor die Reiterin dem nächsten Wartenden Platz macht, bekommt sie einen Eimer mit Spezialfutter und den Tipp, ihr Pferd täglich zwei Stunden zu reiten, mit vielen engen Wendungen. Ob es die richtige Diagnose war, werde sich zeigen, sagt Ina Gehrden später. Sie ist zuversichtlich. "Ich habe von Anfang an gesagt: Wenn ich Hilfe für mein Pferd brauche, dann gehe ich nur zu Tamme Hanken."

Nicole Jakob aus Apensen hat auf dem Rückweg aus dem Urlaub in Lübberstedt Halt gemacht, um den XXL-Ostfriesen einmal aus der Nähe zu sehen. "Im Fernsehen sieht er fülliger aus", sagt sie. "In echt ist er zwar sehr groß, aber nicht dick." Ihre Töchter Marie, 7, und Lara, 9, haben sich zwischen die Menschenmenge bis zu Tamme Hanken durchgezwängt und halten nun stolz Autogrammkarten in den Händen. Marie strahlt, er hat sogar eine Widmung dazugeschrieben. "Ich wollte ihn unbedingt mal sehen."

Etwas abseits, zwischen den geparkten Autos und Anhängern steht Linus. Der Wallach leidet unter einer schiefen Hüfte und schwachen Füßen. Von Tamme Hanken habe sie einen genialen Ratschlag bekommen, sagt Besitzerin Regina Frieske. "Ich soll die Hufe mit Lebertran einträufeln, das regt das Hornwachstum an. Und für die Kondition soll er jeden Tag eine Flasche Malzbier trinken - da sind wichtige Vitamine für die Blutbildung drin." Tamme Hanken habe einen guten Eindruck auf sie gemacht. "Er ist sehr offen und nicht überheblich. Statt Fehler zu bestrafen gibt er hilfreiche Tipps", sagt die Altenpflegerin aus Buxtehude. 190 Euro seien für die Behandlung angemessen und nicht ungewöhnlich gewesen. "Linus geht schon jetzt viel besser." Nach den Pferden sind die Hunde an der Reihe, die Hanken ebenfalls behandelt. Wie Spencer, die französische Bulldogge von Lars Müsing aus Jork. "Wir waren schon öfter beim Tierarzt, haben aber immer nur Schmerzmittel bekommen", sagt der 32-Jährige. "Tamme Hanken kennen wir aus dem Fernsehen, jetzt hoffen wir, dass er Spencers Rückenprobleme behandeln kann." Auch Gabriele Wendt wartet noch, ihre Bordeaux-Dogge Josie hat sich vermutlich im Welpenalter die Schulter verdreht. Sie schätzt die direkte Art des Ostfriesen. "Er sagt auch Dinge, die die Besitzer nicht so gern hören, die Wahrheit ist eben manchmal unbequem."