Die Buchholz-Galerie soll das Aushängeschild der Nordheide-Stadt werden - doch noch ist dort nur eine riesige Sandgrube.

Buchholz. Die Inhaber der Geschäfte rund um den Bauzaun müssen sich seit Monaten mit Staub und Lärm, ihre Kunden mit Umwegen und fehlenden Parkplätzen arrangieren.

Kai Nitzschke hat deshalb jetzt die Reißleine gezogen. Am Wochenende schloss er nach fast 20 Jahren zum letzten Mal die Tür zu seinen Laden Flora Magica zu. Er habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, sagt der Florist. Doch die Baustelle habe seine berufliche Existenz gefährdet. Das Geschäft für Blumen und asiatische Geschenkartikel lag an der Lindenstraße - auf der nun abgeschnittenen Seite der Innenstadt, wie Nitzschke sagt. Er vergleicht die Großbaustelle mit der Berliner Mauer. "Wir sind hier im verwaisten Osten." Passanten aus der Fußgängerzone hätten seinen Laden nur noch über einen schmalen "Kriechgang" an Famila vorbei erreichen können. Das Hauptproblem seien jedoch die fehlenden Parkplätze und die rigoros eingetriebenen Gebühren für die verbliebenen Plätze, meint Nitzschke. Viele Buchholzer erledigten ihre Einkäufe deshalb außerhalb, zum Beispiel im Fachmarktzentrum im Gewerbegebiet, das zudem freie Parkplätze biete. "Wer trotzdem in die Innenstadt fährt, wird mit Gebühren bestraft." Die Stadt habe bei Baubeginn die Parkmöglichkeiten gezählt, so Stadtsprecher Heinrich Helms. "Es bestand keine akute Not." Da nun auch die Plätze an der Volksbank weggefallen sind, sei eine neue Zählung geplant. Bei Bedarf könnten die Jordansche Fläche hinterm Rathaus oder die Meisterfläche an der Canteleu-Brücke zu Parkplätzen werden.

Die Verödung der Innenstadt sei ein grundlegendes Problem, sagt Nitzschke. Die Verlagerung der Einkaufsmöglichkeiten in die Umgebung zeichne sich schon seit Jahren ab, der Bau der Galerie habe das Fass zum Überlaufen gebracht. Deshalb verabschiedet er sich aus Buchholz mit einem offenen Brief an den Bürgermeister und den Buchholzer Rat - aufgehängt als Plakat im Schaufenster seines nun geschlossenen Ladens. "Gezielte Innenstadtverödung" wirft Nitzschke den Entscheidern in Verwaltung und Politik vor. "Der Werdegang von Buchholz ist beeindruckend bedrückend" steht auf dem gelben Papier. Erst seien an allen Ausfallstraßen Kombinationen aus Aldi und Edeka entstanden, dann sei das Fachmarktzentrum angesiedelt worden. "Um zum Finale nun 250 Parkplätze und diverse Bäume zu vernichten für ihr Denkmal: der Buchholz Galerie."

Der Peets Hoff ist seit Baubeginn im März gesperrt, zwischen Famila und Ernsting's Family rollen jetzt Baufahrzeuge über eine breite Zufahrt. Vor Woolworth hängt ein leuchtend rotes Schild: "Bauzaun-Angebote", auf der gegenüberliegenden Seite hat der Besitzer eines italienischen Restaurants - zurzeit im Urlaub - eine Terrasse für seine Gäste angelegt. Hinter den Bastmatten, die hier den Bauzaun schmücken, steigt eine dichte Staubwolke auf. Früher habe sie in ihrer Mittagspause ab und zu bei zu Ernsting's Family reingeschaut, sagt Passantin Ulrike Leppin, 31. Aber jetzt sei ein spontaner Abstecher umständlich, da sie um die Baustelle herum gehen muss. "In der Stadt wird gebaut und gebaut. Ich fahre nicht mehr gern her", sagt Anke Friesel aus Trelde, die im Famila-Café eine Pause macht. Die Galerie hält sie für unnötig. "Dieses Riesen-Kaufhaus macht die kleinen Läden kaputt."

Das Pamphlet, wie Kai Nitzschke seinen offenen Brief nennt, kommt bei vielen Passanten gut an. "Ich denke, dass er Recht hat", sagt Hanne Degel, 62, aus Holm-Seppensen. Sie ist vor dem Schaufenster stehen geblieben, um den Text zu lesen. "Ich fürchte, dass die Einzelhändler unter der Baustelle leiden." Die Planer hätten mehr Rücksicht auf die kleinen Läden nehmen sollen, sagt Horst Weihrich. Der 73-Jährige ist oft an dem Blumenladen vorbei gegangen. Jetzt wünscht er Nitzschke alle Gute für seinen Neuanfang. "Schade, dass es soweit gekommen ist."

"Irgendeiner musste mal was sagen", meint auch Sonja Pricken vom Café in der Wohnboutique Marie Luise gleich hinterm Bauzaun. Durch die Baustelle seien die Kunden weniger geworden, zudem sei es schwierig, das Auto zum Kuchenausliefern in der Nähe zu parken. "Buchholz wird immer unattraktiver." Ihre Chefin Silke Prang bestätigt, dass die Parkplatzsituation, die umständlichen Wege und der Baustaub, der vor allem beim Abriss schlimm gewesen sei, sich auf das Geschäft auswirken. "Viele Menschen bündeln ihre Stadtbesuche und kommen seltener her - oder sie fahren ins Gewerbegebiet zum Einkaufen."

Auch bei Blumen Meyer auf der anderen Seite der Baustelle bleibt die Laufkundschaft aus. Verkäuferin Gabriele Kröger steht allein in dem großen Verkaufsraum, durch die Wand dröhnt ein Bohrgeräusch. Den Gang, der jetzt am Bauzaun endet, betreten nur Stammgäste. "Sonst kommt keiner mehr", sagt die 53-Jährige. Anastasia Wächter, Angestellte beim Friseur Thomas Ernst an der Lindenstraße, hat ebenfalls bemerkt, dass es leerer in der Straße geworden ist. "Auch bei Famila merkt man das", sagt die 25-Jährige. Dort seien meist nur noch zwei Kassen geöffnet. Sie hofft trotzdem, dass die Galerie mehr Menschen in die Innenstadt bringt. "Wir werden wahrscheinlich profitieren - wenn kein Friseur dort einzieht." Ein anderer Geschäftsmann kritisiert: "Die Politiker reden nicht wirklich mit den Geschäftsleuten" Er befürchtet, dass sich die Stadt ähnlich wie Harburg entwickeln werde, mit einer verödeten Fußgängerzone und einem überflüssigen Einkaufszentrum. "Ich bezweifle, dass die Galerie die Innenstadt bereichern kann

Vom "Harburg-Syndrom" redet auch Kai Nitzschke. Buchholz müsse sich etwas Individuelles erhalten, mit einem Branchenmix aus interessanten Läden. "Aber das ist wohl eine Illusion." Der Unternehmer versucht einen Neuanfang außerhalb der Stadt. In Welle eröffnet er am letzten Augustwochenende einen Laden für Floristik und Handgearbeitetes aus Bali. Er hat ihn "Der Traumraum" genannt. In Buchholz war sein Traum nicht mehr möglich, er verabschiedet sich mit den handgeschriebenen Worten. "Sie werden es nicht merken - aber ich bin dann mal weg."