Drei alleinerziehende Mütter erzählen von Problemen und schönen Seiten ihres Alltags

Buchholz/Tespe. Sie kümmern sich oft doppelt und haben nur halb so viel Zeit. Sie rotieren zwischen Elternabend, Teambesprechung, Kinderarzttermin, Bankgespräch und Gute-Nacht-Geschichte. 32 000 Alleinerziehende leben laut Niedersächsischem Landesbetrieb für Statistik in der Region, zu der neben dem Landkreis Harburg auch die Landkreise Cuxhaven, Stade, Osterholz und Rotenburg/Wümme zählen (Stand 2009). Innerhalb von neun Jahren hat sich ihre Zahl um rund ein Drittel erhöht. Obwohl sie fast elf Prozent der Familien ausmachen, stehen Alleinerziehende in ländlichen Gebieten oft noch vor Herausforderungen, für die es in der Großstadt längst Lösungen gibt. Drei Frauen erzählen von fehlenden Kitaplätzen und Teilzeitstellen, schlechten Busverbindungen und Vorurteilen, aber auch vom kinderfreundlichen Dorfleben und Unterstützung durch Freunde und Familie.

Freitags ist Krimitag bei Simone Eimert und ihrer 13 Jahre alten Tochter Jule aus Tespe. An anderen Tagen fahren sie zusammen Inliner oder gehen ins Schwimmbad. Seit acht Jahren sind die Eimerts ein reiner Frauenhaushalt - und finden das gut so. "Wir sind ein eingeschworenes Team", sagt Simone Eimert. Dass sie als Alleinerziehende so zufrieden ist, verdankt sie vor allem guter Organisation - und der Unterstützung von Freunden und Familie.

Kurz vor Jules Geburt zog Simone Eimert mit ihrem damaligen Mann von Hamburg in ihre Heimatdorf Tespe in ein Doppelhaus. "Ich wollte mein Kind im Grünen aufwachsen lassen. Aber hier musste ich mir mein soziales Netzwerk erst wieder aufbauen", sagt die 44-Jährige. Sie kennt die Eigenheiten des Dorflebens. "Zugezogene haben es oft schwer, in Dorfgemeinschaften rein zu kommen. Man muss sich viel mehr integrieren, in Vereinen engagieren und Nachbarschaftspflege betreiben."

Simone Eimert fiel das nicht schwer, sie sie ein "kommunikativer Typ", sagt sie. Nach der Trennung von ihrem Mann fünf Jahre später konnte sie auf ihre Netzwerk bauen. Während die Alleinerziehende in Teilzeit bei einer Krankenkasse in Hamburg arbeitet, war ihre Tochter abwechselnd bei den Schwiegereltern und ihrer Mutter, die auch in Tespe wohnt. "Meine Mutter war eine ganz große Stütze." Später passten Simone Eimert und einige Freundinnen gegenseitig auf ihre Kinder auf. "Man muss auch was zurückgeben und nicht immer nur fordern."

Nie habe sie das Gefühl gehabt, zu wenig von ihrer Tochter mitzubekommen. Einziger Nachteil an ihrer Situation sei, dass sie sich um alles allein kümmern müsse: Kredit, Kind, Haushalt. "Die ganze Verantwortung hängt an mir, das wird manchmal ziemlich viel. Man muss überall 100 Prozent geben - und schafft das natürlich nicht. Aber ich habe gelernt, auch mal fünf gerade lassen zu sein." Abschalten kann sie beim Lesen, auf dem Tennisplatz oder beim "Wurschteln" im Garten.

Mittlerweile leitet Simone Eimert die Zweigstelle Winsen der Kreisvolkshochschule - in Teilzeit. An drei Tagen in der Woche holt sie ihre Tochter und deren Freundinnen von der Schule ab. Donnerstags fährt Jule mit dem Bus zu einer Freundin und isst dort zu Mittag. Mit einer Vollzeitstelle wäre ihr Leben als Alleinerziehende sehr viel schwieriger, sagt Simone Eimert. "Es sollte viel mehr Teilzeit-Stellen für Mütter geben. Das ist ein Riesenproblem."

Einen Mann im Haus vermissen die beiden Frauen zurzeit überhaupt nicht. Sie sei wählerisch und könne ihr Leben auch gut allein meistern, sagt Simone Eimert. "Eigentlich ist alles gut, so wie es ist." Jule nickt, ihr hat nie etwas gefehlt. "Und zum Glück gibt es bei uns auch keine Sportschau am Wochenende."

Zeit für sich. Ricarda Przybylski kann die gut gemeinten Tipps nicht mehr hören. "Ich habe keine Zeit, die ich mir nehmen könnte." Seit drei Jahren erzieht sie ihren Sohn allein. Selbst Schuld, heiße es oft, sagt die Buchholzerin. "Alleinerziehend ist doch eine ganz normale Familiensituation. Aber hier im kleinbürgerlichen Speckgürtel ist es immer noch ein sozial nicht akzeptierter Lebensstatus." Dabei würden durchaus Unterschiede gemacht, sagt die Verkäuferin. "Alleinerziehende im oberen sozialen Bereich gelten als tough - die aus dem unteren als Schmarotzer."

Ihr achtjähriger Sohn sei "recht temperamentvoll", sagt Ricarda Przybylski. Auch deshalb war es schwierig, eine Nachmittagsbetreuung für ihn zu finden. Die Grundschule endet mittags, Hortplätze sind knapp, private Tagesmütter teuer. "Ich stand kurz davor, kündigen zu müssen", sagt die 42-Jährige. Ohne Betreuung für den Sohn kein Job für seine Mutter. Jetzt geht er in eine Einrichtung vom Landkreis. Hat sie sonnabends Dienst, muss Ricarda Przybylski improvisieren, Verwandte hat sie in Buchholz nicht. "Hier wird aber darauf gebaut, dass man Familie in der Nähe hat. Bei der Kinderbetreuung muss im Landkreis noch viel getan werden."

Wenn sie um 17 Uhr von ihrem Teilzeitjob im Einzelhandel nach Hause kommt, ist ihr Sohn an der Reihe: erzählen, spielen, Abendbrot essen, ins Bett bringen. "Mein Kind ist mein zweiter Job", sagt die Alleinerziehende, die in einer kleinen Wohnung in der Innenstadt lebt. Neben putzen, kochen, waschen und einkaufen, stehen auch oft Papierkram und Reparaturen an. Einen Partner, der sich mal um den Abwasch oder den Wandanstrich kümmert, gibt es nicht. "Ich will das allein schaffen und nicht immer um Hilfe bitten. Aber dieses Leben ist irre anstrengend. Ich muss immer alles im Kopf haben - 24 Stunden am Tag", sagt Ricarda Przybylski. "Zwar trete ich immer tough auf. Aber manchmal fehlt mir einfach die Kraft."

Vom Eigenheim in Hartz IV - Wiebke S.* aus Holm-Seppensen hätte nie gedacht, dass sie mal arbeitslos und allein mit ihrem heute viereinhalbjährigen Sohn Lukas* in einer kleinen Einliegerwohnung leben würde. Vom Küchentisch blickt sie auf die Kinderfotos, die neben Blumenbildern an der hellgrünen Wand hängen. Auf der Terrasse steht Lukas roter Bagger, mit dem Nachbarn fährt der Junge manchmal auf einem echten Trecker über den Hof. Mit der Wohnung habe sie Glück gehabt, sagt Wiebke S. Mit dem Mann verschwand damals nicht nur Haus, das Einkommen, die Sicherheit aus ihrem Leben. Auch Einladungen bleiben aus, Freunden wenden sich ab. Für Cafébesuche mit anderen Müttern fehlt das Geld und für andere Bekannte gibt es noch einen Grund, sie nicht nach Hause einzuladen. "Als Single-Frau bin ich in ihren Augen offenbar eine potenzielle Gefahr für ihre Ehemänner", meint die 39-Jährige, die von solchen Bedenken über Freunde erfahren hat.

In der Elternzeit machte die gelernte Arzthelferin eine Weiterbildung in Finanzbuchhaltung. Seit eineinhalb Jahren ist sie alleinerziehend, hat seitdem Praktika gemacht und rund 100 Bewerbungen geschrieben - ohne Erfolg. "Als Finanzbuchhalterin fehlt mir die Berufserfahrung, als Arzthelferin bin ich zu unflexibel." Obwohl sie bis zu 30 Stunden pro Woche arbeiten könnte. Lukas geht in den Kindergarten und sie kann auf die Unterstützung von Freundinnen zählen. Zwar seien die Busverbindungen eher schlecht, doch ihr alter Corsa müsse eben noch ein bisschen halten. "Ich will unbedingt arbeiten, zu Hause werde ich verrückt. Aber als alleinerziehende Mutter hat man hier einen Stempel weg - dabei sind wir doch nicht alle wie die Klassiker aus den Talkshows."

Aufgeben will sie so schnell nicht. Freundinnen trifft sie jetzt zu Hause, beim Tauschring bietet sie Gartenarbeit gegen Babysitterstunden an und morgens läuft sie mit Nordic Walking-Stöcken gegen den Frust an. Und sie ist auf der Suche nach einer Ersatzoma, die Lust hat, mit Lukas Zeit zu verbringen. Auch einen Mann würde Wiebke S. gern kennenlernen. "Aber weggehen ist zurzeit nicht drin und Internet finde ich blöd." Ihr größtes Problem ist jedoch die Unsicherheit, wie es weitergeht. Das Haus steht zum Verkauf, wahrscheinlich müssen sie bald wieder umziehen. In Harburg hätte die Alleinerziehende Unterstützung von der Familie und Aussicht auf eine günstige Wohnung. "Aber ich würde Lukas viel lieber in Holm-Seppensen aufwachsen lassen. Hier ist sein Zuhause."

* Namen von der Redaktion geändert