Bevor eine Straße aufgerissen werden kann, muss geprüft werden, welche und wie viel Leitungen unten verlegt sind

Buchholz/Winsen. Das sind genau die Hiobsbotschaften, auf die Uwe Karsten gerne verzichten würde. Eine Wasserleitung unter der Bendestorfer Straße in Buchholz ist geplatzt und hat die Straße unterspült. Eine Kreisstraße, "die wir gerade im letzten Jahr saniert haben, musste jetzt wieder aufgerissen werden. Die Stadtwerke, denen die Leitung gehört, müssen für den Schaden aufkommen und auch die Reparatur der Straße bezahlen", so der Straßenbauingenieur, der beim Landkreis Harburg den Betrieb Kreisstraßen leitet.

Aber, so Karsten weiter, "jeder Aufbruch stört die Struktur der ganzen Straße und macht sie empfindlich". Jetzt gehe es aber erst mal darum, Leitung und Straße schnell zu reparieren, damit der Verkehr weiter rollen könne. Karsten, der schon als Kind auf dem elterlichen Hof aus Sand Straßen für seine Spielzeugautos baute und schon damals seine Liebe zum Straßenbau entwickelte, ist Straßenbauer mit Leib und Seele.

Alle Beteiligten können von Glück reden, wenn die anderen Leitungen, die an der Schadensstelle in Buchholz unter Straße und Gehweg liegen, die Havarie heil überstehen. Denn wir gehen und fahren täglich über ein gigantisches Geflecht aus Strom-, Gas-, Wasser- und Telefonleitungen, von dem wir oben nichts mitbekommen. Dieses Geflecht zieht sich durch den Landkreis wie Venen und Arterien durch den menschlichen Körper.

Wenn Uwe Karsten eine Straße sanieren will, beginnt für ihn und seine Kollegen eine lange Zeit der Planung. Denn eine Karte für den gesamten Landkreis Harburg, in der alle Versorgungsleitungen verzeichnet sind, gibt es nicht. "Es gäbe inzwischen zwar die Technik, eine solche digitale Leitungskarte zu erstellen, aber dennoch würde der immense Aufwand, der dazu notwendig wäre, wenig lohnen", sagt Karsten. Hat Karsten den nötigen Beschluss des Kreistages in der Tasche, eine Straße zu sanieren, werden die Versorgungsunternehmen angeschrieben, deren unterirdische Leitungen von dem Straßenbau betroffen sind oder sein könnten. Das sei heute längst nicht mehr so problematisch wie früher, denn seit Jahrzehnten, so Karsten, müsse jeder, der eine Leitung verlegen wolle, einen Antrag beim Landkreis Harburg stellen. Damit können aus den eigenen Unterlagen zu den Genehmigungsverfahren die betroffenen Versorgungsunternehmen ermittelt werden.

Wie jetzt beispielsweise die Telekom, die den Kreis mit den schnelleren Internetzugängen aufrüste. Das grenze den Kreis der Adressaten ein. Alle Versorgungsunternehmen schicken dann ihre Leitungspläne an das vom Kreis beauftragte Ingenieurbüro.

Die Ingenieure legen dann alle Pläne über einander und zeichnen einen Lageplan mit allen Leitungen unter der Erde. Die Kollegen im Kreishaus haben damit einen Überblick über das Leitungsnetz unter "ihrer" Straße, beziehungsweise unter dem zur Straße gehörigen Gehsteig. Auch wenn viel "Handarbeit dazu gehöre", so Uwe Karsten, dieses Prinzip funktioniere gut.

Im selben Atemzug könnten Telekom, Trinkwasserverband, EWE und die übrigen betroffenen Unternehmen auch gleich anmelden, wenn sie die Bauarbeiten des Kreises für Arbeiten an ihren Leitungen nutzen wollten. Karsten: "Es macht Sinn und spart für alle Beteiligten Zeit und Geld, wenn die Leitungsträger unsere Bauphase mit nutzen können. Sie können dann auch Teile ihrer Leitungen erneuern." Damit spricht der Chef der Kreisstraßen in Winsen etwas gelassen aus, was seine Kollegen in Hamburg vor Neid erblassen lässt. Dort werden Straßen immer wieder aufgerissen, weil oft ein Leitungsträger nach dem anderen Reparaturbedarf anmeldet.

Vor Überraschungen im Erdreich sei man auch im Landkreis Harburg nicht geschützt. "Vor jeder Straßensanierung ziehen wir erst mal einen Suchgraben, um zu sehen, ob unsere Leitungspläne tatsächlich stimmen. Wenn wir dann die Straße aufgerissen haben, finden wir trotz aller Vorbereitung natürlich auch mal Leitungen, von denen niemand weiß, woher sie kommen, was sie transportieren und wohin sie führen, weil sie eben uralt sind", so Karsten. So passiert bei den Sanierungsarbeiten an der Kreisstraße in Appel: Da tauchte bei den Erdarbeiten plötzlich eine alte Leitung auf.

Uwe Karsten: "Die war noch mit ölgetränktem Papier umwickelt, musste also etwa aus den 30er-Jahren stammen." Beschriftet sei sie nicht gewesen, "und keiner wollte ran und sie einfach durchschneiden". Aber um weiter zu kommen, wurde sie dann doch gekappt, und "glücklicherweise ist auch nichts passiert", so Uwe Karsten. Es stellte sich heraus, dass die Straßenbauer eine Stromleitung gefunden hatten, die zu einem alten Elektrizitätswerk bei Hollenstedt geführt haben. Das Werk gibt es schon lange nicht mehr.

Dank der gründlichen Vorbereitung, so der Straßenbau Ingenieur, sei es im Kreis Harburg noch zu keinem gefährlichen Unfall wegen "verletzter, alter Leitungen" gekommen, aber dieser komplizierte Prozess mache es eben auch schwierig, wollte "man mal eben schnell eine Straße aufreißen". Aber am Ende einer jeden Straßensanierung, steht für Karsten das, was für ihn sein Beruf ausmache: "Das Schöne ist, man sieht am Ende, wenn die Straße saniert ist, was man geschaffen hat. Das gefällt mir an meinem Beruf."