Durchreisende, Kurzurlauber und Dauerbewohner teilen sich den Egestorfer Regenbogen-Platz nahe der Autobahn 7.

Egestorf. Irgendwann am Abend sind sie mit ihrem Wohnmobil durch die Schranke am Parkeingang gefahren und haben irgendwo auf einem der 470 Stellplätze geparkt. Jetzt ist es gleich, woher sie kommen, wohin sie wollen - und warum sie gerade hier von der nahe gelegenen Autobahn abgebogen sind. Für heute sind die Durchreisenden auf dem Campingplatz in der 2400-Seelen-Gemeinde Egestorf gelandet, irgendwie. Und es gefällt ihnen gut hier.

Die meisten seiner Gäste, viele aus Skandinavien oder Holland, blieben nur eine Nacht, sagt Marco Zahn. "Die, die länger bleiben, sind vor allem Hamburger, die der Großstadt entfliehen wollen." Seit vergangenem Jahr leitet der 30-Jährige den Platz am Rand der Lüneburger Heide, der zu einem Kieler Unternehmen gehört. Der namengebende Regenbogen prangt farbenfroh auf einer hellblauen Hauswand. Am echten Himmel ziehen dunkle Wolken vorbei, auch die Wolken auf dem Ausdruck mit den Wetteraussichten, der im Fenster des Camp-Ladens hängt, sehen düster aus. Die Urlauber stört das wenig - nicht nur, weil der verhangene Himmel durch die meterhohen Tannen kaum zu sehen ist. "Es ist schön hier", sagt Marc Baehler. Mit seiner Freundin ist der Schweizer auf dem Weg von Hamburg zurück nach Basel.

Am Nachmittag haben sie eingecheckt, jetzt sitzt der 25-Jährige in kurzen Hosen auf einem Campingstuhl auf dem Rasen vor ihrem neuen Campingbus und blättert in einer Fußballzeitung. Erst sei er schon ein bisschen irritiert gewesen, weil es so leer auf dem Platz ist. Trotz Sommerferien sind viele Stellplätze auf dem weitläufigen 17-Hektar-Gelände zurzeit noch frei. "Aber jetzt genieße ich die Ruhe", sagt Marc Baehler und lehnt sich zurück. Nur zwischen den Baumwipfeln rauscht ein leiser Wind, Vögel zwitschern in der Ferne. Das Wasser im Pool spiegelt die Wolken wider, vor einem verlassenen Zelt wehen rot-weiß-karierte Geschirrtücher an einer Wäscheleine zwischen zwei Bäumen. Ein Kaninchen verschwindet in dichten Büschen, die den Platz in einzelne Bereiche trennen.

Menschen sind nicht zu sehen, nur auf dem Spielplatz klettern zwei Jungs auf dem Holzgerüst herum. Percy ist mit seinen Eltern auf dem Platz, die Familie aus der Nähe von Berlin macht günstigen Urlaub in einem Wohnwagen, den Bekannte hier stehen haben. Der Zehnjährige läuft zielstrebig über den moosigen Boden, er will seine Spielzeugpistole zeigen. Morgens holt Percy auf diesem Weg Brötchen aus dem "Shop", wo es auch Zeitungen, Wiener im Brötchen und warmes Flammkuchenbaguette gibt. Aber am liebsten erkundet er mit seinem neuen Freund Marius die Natur. "Wir können hier allein im Wald spielen", sagt der fünfjährige Marius. "Das ist toll." Zwischen den Bäumen kommt seine Mutter einen Kiesweg heruntergeschlendert. Vom Balkon des kleinen Ferienhäuschens aus Holz hat die 34-Jährige ihren Sohn stets im Blick. Das sogenannte "Holli", eher ein Container denn ein Haus, steht auf einem mit Heide bewachsenen Hügel.

Die Familie aus Scharbeutz ist zum zweiten Mal auf dem Campingplatz. Das Ziel war Zufall. Marius Vater ist DJ und kennt den Campleiter von früheren Auftritten, der Platz ist zudem nur eineinhalb Stunden Fahrtzeit entfernt. "Mir gefällt es sehr gut hier, es ist ruhig und idyllisch", sagt Julia Haberditzel. Außerdem sei es schlicht eine Abwechslung vom Zuhause an der Ostsee. "Wir haben das ganze Jahr den Strand vor der Tür. Jetzt genieße ich es, mal mitten im Wald zu sein."

Außerdem planen sie Ausflüge. Bei ihrem ersten Besuch im Frühjahr waren sie im nahe gelegenen Barfußpark. "Da habe ich mir einen Splitter geholt", wirft Marius ein und guckt finster. Die Aussicht auf einen Tag im Serengetipark oder Heidepark lässt ihn das aber schnell vergessen. Man könne hier viel unternehmen, sagt Julia Haberditzel. Für einen Kurztrip sei der Platz optimal. Wochenlang die Füße hochzulegen, sei dagegen nicht ihr Ding, meint die Sozialpädagogin. Drei Tage wollen sie bleiben. "Wenn das Wetter aber sehr schlecht wird, fahren wir früher ab."

Wind und Wetter können Dauercamper Helmut Berbig nicht vom Urlaub in Egestorf abhalten. Seit 1993 verbringt er mit seiner Frau jeden Sommer mehrere Tage pro Woche auf dem Platz. Ihren Wohnwagen haben sie mit einem Überdach erweitert, eine Gartenpforte führt in den Vorgarten. Dort sitzt der 72-Jährige in seinem Gartenstuhl und löst Kreuzworträtsel.

Warum er damals hier seine Zelte aufschlug, weiß der Rentner aus Soltau selbst nicht mehr. Es habe wohl an seinem Bruder gelegen, sagt er nach kurzem Nachdenken und legt den Stift zur Seite. Der habe damals schon einen Stellplatz hier gehabt. "Und wer in der Stadt wohnt, ist froh, raus in die Natur zu kommen." Seit einigen Jahren aber wird es rund um Helmut Berbigs akkurat unter Sichthöhe geschnittene Hecke leerer. "Wir haben immer weniger Nachbarn", sagt er und es ist ihm anzusehen, dass er das ein bisschen traurig findet. "Viele der älteren Dauercamper bleiben irgendwann weg. Und es kommen keine neuen nach."

Etwa 70 Dauercamper stünden zurzeit auf dem Platz, sagt Marco Zahn. Dazu kämen Jugendgruppen, Familien und immer mal wieder Gruppen, die Junggesellenabschied feierten. "Ich hatte auch schon eine Gruppe, die nach der Kutschfahrt durch die Heide eine Stripperin auf den Platz bestellt hatte", erzählt Zahn. Wild gefeiert hätten die. "Aber am nächsten Tag sah alles wieder tiptop aus. Die haben sich vorbildlich benommen." Die meisten seiner Gäste aber seien ältere Paare, die auf ihren monatelangen Touren auf seinem "Durchgangsplatz" gleich hinter der Autobahnabfahrt nur kurz Station machten. Manchmal wird aus einer Übernachtung aber auch ein ganzer Urlaub, sagt Marco Zahn ein bisschen stolz. "Es gab schon Gäste, die eigentlich auf dem Weg an die Ostsee waren. Dann sind sie aber stattdessen ihren gesamten Urlaub hier geblieben."

Spontaneität ist eben das große Privileg der ungebundenen Campingurlauber. Das schätzt auch der Schweizer Marc Baehler. "Wir haben die Freiheit loszufahren, wann und wohin wir wollen." Wahrscheinlich wird er am nächsten Tag die Stühle zusammenklappen, mit seiner Freundin in den Camper steigen und die Schranke nach draußen passieren. Dann geht sie weiter, ihre Tour von Egestorf durch Europa.