Susanne und Ingo Wendt aus Wilhelmsburg haben seit 20 Jahren ihren Platz auf dem Blumengroßmarkt

Wilhelmsburg. Es duftet nach Rosen, Begonien und Hibiskus, der Duft von Verbenen und Geranien mischt sich unter die Aromen von Lavendel- und Weihrauchpflanzen. Und manchmal nimmt die geschulte Nase auch den Hauch von frisch gebrühtem Kaffee wahr. Es ist 4 Uhr an einem ganz gewöhnlichen Morgen, aber an einem nicht ganz so gewöhnlichen Ort: dem Blumengroßmarkt in Hamburg.

Hier herrscht schon seit Stunden reges Treiben, gilt es doch, die frische Ware möglichst zahlreich an den Mann und an die Frau zu bringen. Über 150 Erzeuger und 50 Handelsbetriebe bieten auf knapp 10000 Quadratmetern alles an, was das Herz des Gärtners und Floristen begehrt und was später am Morgen frisch und duftend im Blumenladen oder auf Wochenmärkten zum Verkauf angeboten wird.

Zu den Händlern gehören auch Susanne und Ingo Wendt. Das Wilhelmsburger Ehepaar betreibt seit fast 20 Jahren die Firma "Richard Scholdei", zu finden in Halle B, Stand 508. Grünes und Blühendes ist hier dekorativ platziert, auf großen Regalen stehen Paletten mit aktuellen Sommerblumen.

Es ist die Zeit von Beet- und Balkonpflanzen, und Ingo Wendt hofft auch an diesem Tag, dass er wieder die richtige Auswahl für seine Kunden im Sortiment hat. "80 Prozent sind Stammkunden", sagt er. Und die meisten von ihnen haben einen Blumenladen, wie Stefan Buhl aus Hollern-Twielenfleth. Er kommt dreimal die Woche, um Nachschub für sein Geschäft einzukaufen. Heute sollen es Edellieschen und Begonien sein. Auch Manfred Brauel gehört zu den festen Kunden: "Ich weiß, dass ich hier gute Ware bekomme", sagt der Inhaber einer Gärtnerei in Mechtersen bei Lüneburg. "Viele Pflanzen bauen wir selber an, aber einige kaufe ich noch hinzu und heute brauche ich Begonien."

Kein Problem für Ingo Wendt: Der Gärtner und Landschaftsbauer hat ein gutes Händchen für den Einkauf der richtigen Pflanzen. "Ab 7 Uhr mache ich mir eine Liste", sagt er. Da notiert er, welche Pflanzen gut nachgefragt wurden und von welchen er dringend Nachschub braucht. Eine halbe Stunde später rufen ihn bereits seine Händler aus Deutschland, Holland und Dänemark an. "Die haben auch wieder ihre festen Lieferanten", so Wendt. Das Geschäft basiert auf Vertrauen - und guten Erfahrungen. Auch er ordert nur bei Händlern, die einwandfreie Ware liefern. Und die kann er dann an seine Kunden weitergeben.

Stefanie Fellmann hat einen Blumenladen in Klein-Borstel. Dreimal die Woche kommt sie zum Blumengroßmarkt, auch bei den Wendts kauft sie ein: "Eine weiße Orchidee hatte ich für eine Kundin bestellt", sagt sie. Außerdem kommen heute vor allem Geranien in den überdimensionalen Einkaufswagen. "Um halb drei bin ich aufgestanden, um hierher zu fahren. Um 6 Uhr geht es wieder zurück, damit ich meinen Laden pünktlich öffnen kann."

Früh aufstehen müssen alle, die hier arbeiten und einkaufen. Das Geschäft mit der leicht verderblichen "Ware Blume" duldet keine Langschläfer. Auch für die Wendts beginnt der Tag dann, wenn andere schlafen gehen. "Um 1 Uhr in der Nacht klingelt der Wecker", sagt Ingo Wendt (47). Dann geht es zum Großmarkt, wo die bestellte Ware schon wartet. Gegen 2 Uhr kommen die ersten Kunden, bis um 7 Uhr läuft der Verkauf. Zuhause werden dann die Bestellungen für den nächsten Tag erledigt. "Ich schlafe am frühen Nachmittag und noch einmal am Abend jeweils vier Stunden." Seine Arbeitswoche hat sechs Tage. Partys, Freunde treffen, mal ins Kino gehen - das geht nur am Samstag.

"Alles Gewöhnungssache", sagt Susanne Wendt, "aber je älter man wird, um so schwieriger wird es." Dabei ist die 41-Jährige schon mehr als 20 Jahre dabei, schließlich hat sie schon bei ihrem Vater Hans-Hermann Griem ausgeholfen. Der hatte 1969 den Blumenhandel von Richard Scholdei übernommen und verkaufte seine Blumen noch in den Deichtorhallen.

Tochter Susanne machte zwar eine Ausbildung zur chemisch-technischen Assistentin, war aber für Urlaubsvertretungen immer zur Stelle. 1991 lernte sie Ingo Wendt kennen - auf dem Blumengroßmarkt natürlich, denn auch er führte die Tradition seiner Familie fort. Vater Gerhard Wendt hatte bereits Gemüse in Ochsenwerder und Wilhelmsburg angebaut und verkauft, später kamen auch Blumen dazu. In den 80ern begann er dann, seine Blumen auch auf dem Großmarkt anzubieten.

Als ihre Eltern aussteigen, übernimmt Susanne Wendt das Geschäft. Gemeinsam mit ihrem Mann konzentrieren sie sich nun nur noch auf den Blumenverkauf. "1993 haben wir geheiratet, im gleichen Jahr kam unsere Tochter zur Welt", sagt sie. Ganz zu Hause geblieben ist sie jedoch nur die ersten Monate, später hat dann eine Nachbarin auf die Kleine aufgepasst. "Wenn sie anrief, bin ich zum Stillen nach Hause gefahren." Manche Babys, erzählt sie, werden hier auch einfach mitgebracht.

Auch wenn sie zurzeit nur noch zwei bis drei Mal pro Woche auf dem Großmarkt ist, auf ihre "große Familie" kann sie nicht ganz verzichten. "Manche Leute kenne ich schon über 20 Jahre." Da entsteht schon so etwas wie eine persönliche Beziehung. Und wenn die Kunden und Kollegen auf einen Kaffee vorbeikommen oder in das große Bonbon-Glas auf dem Tresen greifen, ist immer auch Zeit für einen Klönschnack.

Während Ingo Wendt am Stand 508 noch klar Schiff macht, macht sich seine Frau schon mal auf den Heimweg. Die Fahrt zurück nach Wilhelmsburg an diesem frühen Morgen geht übrigens ganz schnell: Während sich auf den Elbbrücken der Verkehr Richtung Innenstadt bereits staut, hat man auf dem Weg nach Süden freie Fahrt. "Auch ein Vorteil der Nachtarbeit", sagt Susanne Wendt, die im heimischen Kirchdorf erst mal die Tochter weckt, die Ponys auf die Weide schickt und mit Hund Lucky eine Morgenrunde dreht. Der Garten der Familie ist übrigens ganz "pflegeleicht" angelegt. "Für bunte Blumenrabatten haben wir leider keine Zeit."