Wer sagt, dass man ein Restaurant auf dem Landweg erreichen muss? Wir haben Paddel-Inns besucht und sind Kanu gefahren.

Zum Anleger

Harburg/Seevetal/Lüneburg. In Wilhelmsburg scheint kein Stück Erde auf dem anderen zu bleiben. Der Stadtteil wird herausgeputzt. Das Image eines Problemviertels soll bald Vergangenheit sein. 2013 blüht Ihnen auf Europas größter Flussinsel die Internationale Gartenschau.

Lange vor diesen Aktivitäten beginnen Ljiljana und Qazim Dreshaj ihre private Wilhelmsburg-Verschönerung. Direkt am Ernst-August-Kanal pachten sie 2003 von der Stadt 3000 Quadratmeter Land. "Anfangs war da nur Dschungel", erzählt Dreshaj, der vor über 20 Jahren mit seiner Frau und zwei kleinen Töchtern aus dem Kosovo geflüchtet ist. Sie bauen einen Holzpavillon auf das Ufergrundstück und eröffnen Biergarten und Kanuverleih.

Als 2005 ein offizieller Anleger in Betrieb genommen wird, kommt Fahrt in die Sache. Barkassen und Alsterdampfer machen direkt bei Familie Dreshaj fest. Man vergrößert sich, 20 Tische stehen nun direkt am Wasser. Der Fahrradclub ADFC kürt das Kleinod zum zweitschönsten Biergarten Deutschlands. Das NDR-Fernsehen berichtet über die gastronomische und migrantische Erfolgsgeschichte. Und nun auch noch das: Die Leser der "Bild" wählen die beiden schönen Dreshaj-Töchter Suzana und Sofija zu Hamburgs "Service-Stars", den besten Kellnerinnen der Stadt.

Jetzt geht's rund. Wenn die Sonne scheint, wird es voll, können bis zu 300 Gäste bewirtet werden. Dann ist der mittägliche Stau vor der Essenausgabe genauso sicher wie der morgendliche Stau vor den nahen Elbbrücken. Die Oase am Wasser erinnert an einen großen Schrebergarten, inklusive Klönen bei Freunden. Flüssiges und Fleisch stehen auf dem Programm. Letzteres vornehmlich vom Grill.

Die Versorgung ist rustikal. Die Thüringerwurst mit Brot für 2,50 Euro, das Nackensteak mit Pommes, Reis und Salat für 9 Euro. Mit den Cevapcici (ab 8 Euro) wendet Qazim Dreshaj kleine Stückchen Heimat auf seinem Grill. Am Sonnabend kommt Fisch aus dem Räucherofen. Dummerweise scheint nicht immer die Sonne. Bei Regen kehrt Ruhe ein. Ab Oktober ist Winterpause. Theoretisch. Denn der Chef wäre kein Macher, wenn er nicht auch für die dunkle Jahreszeit Pläne hätte: Ende 2011 möchte er mit Hilfe der Familie hier das Wilhelmsburger Fährhaus eröffnen.

Gasthaus Horster Mühle

Bei Familie Schmanns geht es schon seit 400 Jahren rund: Das große Mühlenrad schaufelt das Wasser der Seeve begleitet von viel Getöse in eine Wehranlage. Bald ist Jubiläum. Dann können die Gäste Wirt und Wasserspiel seit 125 Jahren erleben.

Die Aktiven haben 200 Meter entfernt ihre Kanus verlassen und machen hier Zwischen- oder Endstation. Zu Wasser gelassen wurden sie in Jesteburg zwei entspannte Stunden zuvor von Sven Hansen. Der Kanuverleiher ( www.kanu-fertig.los.de ) vermietet seine Boote für 24 Euro pro Tour. Zwei bis drei Personen finden darin Platz. Die wasserdichte Tonne für Kleidung und Wertsachen ist im Preis ebenso inklusive wie eine Wasser-Wanderkarte und auf Wunsch eine Schwimmweste.

Für 25 Euro pauschal transportiert er die Teilnehmer von der Horster Mühle zum Startufer und holt die Kanus später wieder ab. Selbstversorger nutzen die Raststelle am Bendestorfer Wehr zum Picknick. Hier können die Boote einmal umgetragen werden. Ganz Mutige wagen sich auf die Schussfahrt durchs Wildwasser. Der Vermieter verspricht sogar Regenschutz: Wenn schlechtes Wetter vorausgesagt ist, kann die Kanutour noch am Vortag kostenfrei verschoben werden. Mehr oder weniger nass nehmen Sie danach auf der Horster Mühlenterrasse Platz oder schauen vom luftigen Wintergarten auf Wasser, Wehr und Weiden. Die Verpflegung ist bodenständig. Seit die Söhne von Inge und Wilhelm Schmanns in den Betrieb eingestiegen sind, verfeinerten sie die Speisekarte sukzessive. Jörn ist gelernter Bäcker, sein Bruder Maik Küchenchef.

Neben allerlei Schnitzel- und Bratkartoffelgerichten werden fortan auch Zander filetiert und gedünstet (15,50 Euro) oder Lammfilets mariniert und gegrillt (16,50 Euro). Kurioserweise beobachten die beiden vor allem bei jüngeren Gästen einen Trend hin zur Hausmannskost. "Immer mehr bestellen bei uns Sülze oder Grützwurst", sagt Jörn Schmanns. Wenn die wüssten, wie köstlich eine Forelle schmeckt, die bei Fisch-Kröger in Wörmer Seevewasser gezüchtet und in der Horster Mühle blau genossen wird - mit Sahnemeerrettich, Salzkartoffeln und einem Salat für 13,50 Euro.

Traditionell zünftig geht's zu beim alljährlichen Mühlenfest. Am 28. August kommen Livemusik der Band Crossover von der Bühne, Braten aus dem Steinbackofen und Nackensteaks vom Grill. Pause zu Ende? Mit dem Kajak dürfen Sie nun wieder aufs Wasser, an Maschen vorbei unter dem Rangierbahnhof hindurch über Hörsten bis hinaus auf die Elbe.

Schröders Garten

Etwas abseits vom Lüneburger Altstadttrubel liegt eine Mischung aus Biergarten, Bühne und Bootsverleih. Dort können Sie zünftig essen, trinken, Kultur genießen und sportlich sein. Für Letzteres parken Sie Ihr Auto am besten bei Schröders Garten, gehen zu Fuß zum nahe gelegenen Bahnhof und fahren nach Bienenbüttel. Hier haben zwei Kanuverleiher ( www.kanuaktiv.de und www.kanu-rahmann.biz ) die Boote startklar gemacht. Die ruhige Ilmenau schlängelt sich von hier aus wildromantisch durch das Naturschutzgebiet Wilschenbruch. Auf die Paddel, fertig, los! Lassen Sie sich nun etwa viereinhalb Stunden flussabwärts Richtung Lüneburg treiben. Menschen mit weniger Ausdauer oder schnellerem Hunger befahren die Ilmenau ab Melbeck und reduzieren die Fahrt um die Hälfte.

Nach so viel Wasser gönnen Sie sich guten Gewissens ein frisch gezapftes Mälzer (0,3 Liter für 2,60 Euro). Das Pilsener oder Hefeweizen wird in der nahen Altstadt selbst gebraut. Das gleichnamige Brau- und Tafelhaus hat dieselben Inhaber wie Schröders Garten. Seit 1995 können hier bis zu 250 Personen gleichzeitig bewirtet werden.

Die Saison dauert vom Osterfeuer bis zu den letzten schönen Oktobertagen. Rustikalität ist Trumpf. Bestellt wird mit Tischnummer am Tresen der kleinen Blockhütte, gebracht wird's vom Service. Das kulinarische Programm ist einem Biergarten angemessen. Wer nach der Kanutour den Paddlerteller (13,20 Euro) mit kleinem Rumpsteak, Grillbratwurst, Hähnchenbrust, Pommes und Salat bestellt, fühlt sich gut gesättigt, feiert aber auch ein schnelles Wiedersehen mit den gerade verlorenen Kalorien - oder bestellt einen Salat (ab 5,80 Euro). Flammkuchen sind die neuen Pizzas, bei Schröders in fünf Varianten ab 6,40 Euro.

Eltern und Kinder freuen sich über die Tretboote am Steg, eine halbe Stunde für sechs Euro, eine Stunde für zehn Euro. Vor 14 Uhr sind Happy Hours, dann kostet jede Stunde nur fünf Euro Leihgebühr (außer Sonn- und Feiertage). Jeden letzten Mittwoch im Monat feiert das Team mit seinen Gästen ein Spanferkelgelage samt Buffet und einem halben Liter Bier für 14,50 Euro. Der Blick auf das Kulturprogramm lohnt ebenfalls. Immerhin bietet Schröders Garten eines der schönsten Open-Air-Ambientes Lüneburgs. Am 30. Juli sorgen Hiss für deutschen Polkaspaß und am 19. August steigt die "1st Class Session", eine vom Ian-Cussick-Gitarristen Peer Frenzke veranstaltete Jam-Session als spontanes Konzert mit Künstlern aus aller Welt.