Das Brettspiel gilt als das älteste der Welt. Auch in Harburg frönt ein kleiner Kreis regelmäßig dem traditionsreichen Denksport.

Er liebt es, Gefangene zu machen und Gebiete zu erobern. Für Matthias Palm gibt es fast nichts Schöneres auf der Welt. Der 55-Jährige ist ein gewiefter Stratege und Taktiker. Jeden Schritt seines Gegners verfolgt er aufmerksam. Jede Geste wird misstrauisch beäugt.

Auch an diesem Mittwoch will Palm sich beweisen.

So, wie es bereits Millionen Menschen vor ihm getan haben. Palm ist leidenschaftlicher Go-Spieler, seine "Kampfzone" ein drei Zentimeter dickes und mit Linien versehenes Holzbrett. Seit rund 25 Jahren beschäftigt sich der Ingenieur für technische Informatik bereits mit dem ältesten Brettspiel der Welt. "Langweilig wird das nie", sagt er und greift nach weißen, linsenförmigen Steinen, mit denen er seinen Gegner herausfordert.

Der 55-Jährige gehört der Go-Gruppe Harburg an. Rund zehn Spieler treffen sich jede Woche im Rieckhof und probieren sich an dem rund 4000 Jahre bestehenden Brettspiel, das seine Wurzeln im alten China hat. Die Spielregeln sind einfach. Mit schwarzen beziehungsweise. weißen Steinen können die Kontrahenten Schnittpunkte der Brettmatrix besetzen, sogenannte Gebiete abtrennen oder gegnerische Steine einkreisen. Für die jeweiligen Aktionen werden Punkte verteilt. Wer am Ende mehr davon macht, gewinnt.

"Fortgeschrittene wenden unterschiedliche Strategien an und messen sich bei nationalen oder internationalen Turnieren", erklärt Palm und läuft hektisch zu einem Bücherregal, aus dem er verschiedene Lehrbücher und Go-Publikationen herausnimmt. Auch er selbst hat in der Vergangenheit an Wettbewerben teilgenommen. "Heute spiele ich aber nur noch zum Spaß", sagt Palm, "und dabei ist häufig mehr Glück als Strategie im Spiel."

Palm plaudert gerne und viel über seinen Freizeitsport, der auch in Japan eine große Tradition hat. "Dort kennt eigentlich jeder das Spiel", sagt er, "manche Menschen studieren es sogar." Dass viele Deutsche hingegen niemals von dem Brettspiel gehört haben, ist dem Ingenieur ein Rätsel. "Go ist einfach wundervoll", sagt er, "man muss sich nur selbst davon überzeugen."

Überzeugen lassen sich zumindest in Harburg momentan nur wenige. Seit 1991, dem Gründungsjahr der örtlichen Go-Gruppe, besteht diese aus einem exklusiven Zirkel an Interessierten, der selten über die Zehn-Personen-Marke hinausreicht. Der jüngste Teilnehmer der Gruppe ist 20 Jahre alt. Zusätzliche Nachwuchs-Spieler sind nicht in Sicht. Nicht einmal seinen Neffen konnte Matthias Palm vom Go-Spiel überzeugen. Von einem Aussterben des Brettspiels will der passionierte Denksportler jedoch nichts wissen. "Go gibt es doch schon seit mehr als 4000 Jahren", sagt Palm, "da wird es ganz sicher auch in Zukunft existieren."

Letzteres dachte man ja eigentlich auch von ganz anderen Exemplaren. Den Dinosauriern zum Beispiel. Aber Palm wirkt unerschütterlich. Er hat das Brettspiel einst von einem Kommilitonen erlernt und seitdem - trotz mehrerer Umzüge - immer wieder Spielpartner gefunden.

Im Herbst werden sich Palm und seine Go-Genossen erneut beim Harburger Fest der Spiele präsentieren. "Vielleicht gelingt es ja dort, weitere Interessenten für das Spiel zu gewinnen", sagt Palm.

Wenn er eine Mentalität jenes Spieles, das er so liebt, verinnerlicht hat, dann ist es die des Kampfes. Aufgeben kommt für Matthias Palm und seine Mitstreiter jedenfalls nicht infrage.