Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung lobt den oft verkannten Bezirk im Süden Hamburgs. Mancher Bewohner meint: “Zu Recht“.

Harburg. Harburg auferstanden aus "Ratten und Ruinen", wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung schwärmt, soll immer eine Reise wert sein. Was erlebnishungrigen Städtetouristen aus Deutschlands Süden schmackhaft gemacht werden soll, wissen Einheimische schon lange. Für viele ist in der Tat der Binnenhafen ein besonderes Highlight. So auch für Sven Hahlbrock und Sonja Schreiner von Sky-Sails, die auf einem Betonpoller am Veritaskai eine Arbeitspause einlegen und das Binnenhafen-Flair mit den alten Schiffen, die noch bei der Werft Jugend in Arbeit aufgearbeitet werden, genießen.

"Es ist schon toll hier, der angejahrte Industriecharme hat was", sagt Hahlbrook. Der Baulärm stört ihn nicht. "Es tut sich eben viel. Die Gegend hier hat touristisches Potenzial. Wenn noch ein schöner Park angelegt wird, würden noch mehr Leute kommen", sagt er. Reizvoll seien die vielen alten Gebäude, architektonische Zeitzeugen, die heute noch davon künden, wie betriebsam es einst im Harburger Tor zur Welt zuging.

"Hier stiegen die Leute früher aus der Kutsche in die Schiffe", sagt Daniel Völkoi, 23, der für Harburgs GAL in der Bezirksersammlung sitzt. Er fährt gerne mit seinem Fahrrad in den Binnenhafen. Der Kanalplatz ist für ihn absolut sehenswert. Gerade, als er sein Fahrrad an einen Bauzaun stellt, um sich ans Wasser zu setzen, legt gegenüber ein Hausboot an. "Hier können Touristen Geschichte sehen", sagt er.

Und wenn es nach dem Willen einiger Politiker geht, soll der Binnenhafen genau dieses Thema aufgreifen. Liegeplätze für alte Schiffe, das Aufpolieren alter Werkhallen, ein Schwimmbad, Luxushotels und gehobene Gastronomie: Das maritime Erbe soll im Vordergrund stehen.

Der ungeliebte Stadtteil kokettiert mit den Londoner Docklands, nicht mit der Hafencity vom gegenüberliegenden Elbufer. Ein wenig St. Katherines Port am Dampfschiffsweg, ein Hauch von Canary Wharf bei Channel Tower und Silobauten - und Harburg will mehr davon.

Exklusive Wohnquartiere soll es bei den geplanten Harburger Brücken und auf der Schlossinsel geben, Hotels sind geplant, Gastronomie soll sich ansiedeln - Pläne, die einst auch für den Londoner Hafen bestanden. In Gegensatz zu den Briten, die bei den Docklands nicht lange fackelten, tut sich Hamburgs "vernachlässigter Stadtteil", so ein Ortspolitiker, schwer. Mühsam ist es für den finanziell ausgebrannten Hamburger Süden, unter anderem marode Kaimauern zu modernisieren.

Die am Reißbrett geplante, architektonisch reizvolle Landschaftsbrücke vom Innenstadtbereich in den Binnenhafen: ein Kraftakt für Harburg und vorerst Zukunftsmusik, eine Sinfonie, deren Noten schon da sind, deren Orchester aber die Instrumente noch lange in den Koffern lassen muss.

Manchmal kommt die genügsame Verwaltung nicht mit bei dem rasanten Tempo, die die Veränderungen im lange vernachlässigten Binnenhafen-Gebiet mit sich bringen.

Davon kann Gastronom Heiko Hornbacher, dessen Beachclub laut Medienecho zu den schönsten Hamburgs zählt, ein Lied singen. Jahr für Jahr muss er damit rechnen, umziehen zu müssen, da auf dem Areal ein Hotel gebaut werden soll. Wann er seine Sachen packen muss und wohin die Reise im Binnenhafen dann geht - keine Ahnung. Viele Harburger haben sich offenbar an die vielen Provisorien gewöhnt und küren trotzdem Harburgs Hafen City zu ihrem Lieblingsplatz im Hamburger Süden.

Das war nicht immer so. Vor hundert jahren zog es erholungssuchende Hamburger von jenseits der Elbe eher zu Ausflugslokalen nach Hausbruch oder an den Heiderand. Noch heute hat die Gegen viele junge Fans.

"Ja, schon toll dort am Wasser, aber ich finde die Fischbeker Heide ebenso reizvoll", sagt CDU-Bezirksversammlungsabgeordnete Treeske Fischer, 33. Hier, beim Schaalbarg, ist viel Platz, um nach einem anstrengenden Arbeitstag den Stress hinter sich zu lassen. "Und nicht nur das, Sportler kommen voll auf ihre Kosten - Jogging, Wandern, die Fischbeker Heide mit dem Segelflieger vom Himmel aus betrachten - es gibt hier ungezählte Möglichkeiten", sagt sie. Wer die Heideblüte in ein paar Wochen erleben will, muss nicht in die Lüneburger Heide fahren. "Die Landschaft verändert sich in der Heideblüte hier spektakulär. Man kann nicht glauben, dass dieses Waldgebiet immer noch zu Hamburg gehört."

Weshalb Harburgs touristische Perlen immer noch eher etwas für Eingeweihte sind? "Es muss mehr Werbung gemacht werden. Dem Stadtteil haftet leider noch zu sehr das Schmuddelimage an. Das muss raus aus den Köpfen", sagt sie und schiebt ihren Kinderwagen mit Söhnchen Lias, sechs Monate alt, in Richtung Birkenwald.