Beim Lüttville Sommercamp trainieren Wilhelmsburger Kinder einen Auftritt mit dem Hip-Hop-Star.

Wilhelmsburg. Ein riesiger Schornstein qualmt im Hintergrund. Gewaltige Silos, umrahmt von einem Skelett aus silbern glänzenden dicken Rohren, stehen am anderen Ufer des Elbenebenarms. Die verlassenen Industriehallen haben schon bessere Zeiten erlebt. Genau die richtige Umgebung also für eine HipHop Performance.

Hier, inmitten der Industriebrache am Reiherstieg in Wilhelmsburg, übt Tanzlehrer Tobias Galke, 27, von der HipHop Academy mit Jungen und Mädchen aus Wilhelmsburg und Veddel eine Choreografie ein. Die Schritte und Bewegungen machen die sieben bis 15 Jahre alten Kinder und Jugendlichen zum ersten Mal in ihrem Leben. Trotzdem stehen sie vor einem großen Auftritt: Beim Dockville-Festival vom 13. bis 15. August in Wilhelmsburg werden sie mit Jan Delay auf der Bühne zu seinem Hit "Disko" tanzen. Wahrscheinlich vor mindestens 10 000 Zuschauern.

Von einem Sommercamp in die Bühnenshow eines HipHop-Stars - das geht wohl nur bei "Lüttville". So heißt das Ferienfreizeit des Musikfestivals Dockville, das zurzeit noch bis Sonnabend am Reiherstieg Hauptdeich in Wilhelmsburg läuft. Tobias Galkes New Style-Choreografie ist einer von insgesamt 13 Workshops, die Kinder aus dem Festivalstadtteil Wilhelmsburg kostenlos besuchen können.

"Lüttville", die künstlerische Jugendfreizeit der etwas anderen Art, gibt es mittlerweile im dritten Jahr. Neu in diesem Jahr ist der Träger: War zuvor der Dockville-Veranstalter, die Hamburger Agentur Kopf & Steine, verantwortlich, ist es jetzt der neu ins Leben gerufene Verein "Lüttville - Verein zur Förderung der kulturellen Vernetzung und Bildung". Hinter dem sperrigen Namen verbergen sich eine ganze Schar Vereine und Bildungsträger von der Elbinsel, die bei "Lüttville" zusammenarbeiten. Das ist die Philosophie der Dockville-Macher: Nicht isoliert, sonder mit dem Menschen am Festivalstandort zusammen etwas auf die Beine zu stellen.

125 Kinder im Alter von sechs bis 15 Jahren haben sich in diesem Jahr angemeldet. Die Teilnahme ist kostenlos. Die Kinder werden sogar mit einem Bus im Stadtteil angesammelt oder wieder nach Hause gesammelt. An den fünf-"Lüttville"-Tagen, immer von 13 bis 18 Uhr ist Programm, gibt es auch zu essen und trinken: viel Obst, leckere Dips, Fladenbrot mit Käse, Wasser und Eistee. Das Budget betrage "mehrere zehntausend Euro", sagt Lüttville-Chef Max von Redecker, 29. Geldgeber sind die Internationale Bauausstellung Hamburg, Dockville, verschiedene Wirtschaftsunternehmen und Stiftungen.

An 13 Plätzen entlang des Reiherstiegs machen sich die Kinder und Jugendlichen spielerisch mit Kunst vertraut. Geduld brauchen die Kinder für ihre Manegen-Reife. Wer auf einem roten Gummiball stehen und gleichzeitig jonglieren will, muss mächtig üben. Trotzdem gewinnen die Artisten vom Zirkus Willibald immer mehr Zulauf.

Andere "Lüttville"-Kinder haben sich einen Überblick verschafft, welche Tiere eigentlich auf der Industriebrache am Reiherstieg leben. Anschließend bauen sie alles, was da so kriecht, springt und fliegt, nach. Fantatische Tiermodelle aus Kaninchendrahtzaun entstehen. Ronja, 7, kreiert eine Riesenspinne: "Da kommt ein rotes Kreuz drauf", erklärt sie. Einige "Lüttville"-Kinder lernen zu rappen. Sinan, 9, post wie ein Großer und reimt in dem typischen Sprechgesang: "Ich bin der beste Sieger in dieser Liga."

Erstmals in der "Lüttville"-Geschichte werden die Kinder außerhalb Wilhelmsburgs auftreten: Eine Gruppe gestaltet einen Festivalwagen und wird dann im September bei der Parade "Kids Move" in Billstedt mitmachen.

Schrottautos können Kunst sein: Bei dem neuen "Lüttville"-Projekt "Escape Vehicle" gestalten Kinder alte Karren zu ihrem Traumauto um - für die Flucht aus dem Alltag. Alessandro, 11, hat unzählige Duschgelflaschenverschlüsse auf die Karosse eines Ford Escort geklebt - als Lichterkette für einen besonders coolen Abgang: "Am liebsten würde ich nach Hollywood flüchten", sagt der 11-Jährige."

"Lüttville"-Abschlussfest für Eltern, Freunde und alle übrigen Wilhelmsburger, Vorführungen und Ausstellung, Sonnabend, 7. August, Einlass: 15 Uhr, Beginn: 16 Uhr, Festival-Gelände am Reiherstieg Hauptdeich in Wilhelmsburg. Der Einritt ist frei.