Obsthof Lehmbeck präsentiert “Das Geld liegt auf der Fensterbank, Marie“

Eine 100 Quadratmeter große Hofdiele in dem Elbdorf Hoopte bei Winsen hat sich zur feinen Adresse für die norddeutsche Kabarett- und Comedyszene entwickelt. Sie ist der Spielort der Kleinkunstreihe "Landkult", die Sabine Lehmbeck, 41, immer zum Frühling, Sommer und Herbst auf dem Obsthof ihres Mannes organisiert. "Auf der Diele", wie es auf dem Land heißt, spielt am Freitag, 24. Juni, ein Duo, das im deutschen Kabarett für Furore sorgt: "Das Geld liegt auf der Fensterbank, Marie" nennt sich das sinnlich-streitende Paar. Keiner sprachjongliert zurzeit so erotisch wie Wiebke Eymess und Friedolin Müller.

Bei Fernsehauftritten hat sich das Kabarett-Duo einen Namen gemacht. Vor eineinhalb Jahren, kaum einer kannte die beiden, hat sich ihr Management bei "Landkult" beworben. Sabine Lehmbeck hat sofort zugegriffen. So kommt es, dass die heute namhaften Künstler zu erschwinglichen Konditionen auf dem Hof spielen. Zwei Barhocker - ohne Lehne, so die Vorgabe des Managements - hat "Landkult" extra im Internet ersteigert. Die braucht "Das Geld liegt auf der Fensterbank, Marie" als Requisite für den Auftritt.

"Wir bekommen per E-Mail fünf Bewerbungen pro Tag", sagt Programmdirektorin Sabine Lehmbeck und dokumentiert damit, welchen Stellenwert "Landkult" inzwischen erworben hat. Bei der Premiere in 2003 beschränkte sich die Kulturreihe noch auf insgesamt drei Tage im Jahr, verteilt auf die Jahreszeiten Frühling, Sommer und Herbst. Heute macht Sabine Lehmbeck an 15 Abenden im Jahr Programm. Die Künstler, die sie engagiert, schaut sich die Programmchefin in der Regel bei Live-Auftritten vorher selbst an. Häufig zusammen mit ihrem Bühnenpartner Sven Bardowicks von dem Kabarettensemble "Bitte freimachen". Manche Künstler, sagt er, kämen in einem Kurzvideo zwar "cool rüber", stellten sich bei einem abendfüllenden Programm aber als Schlaftablette heraus.

Wer auf der Diele des Obsthofes Lehmbeck auftritt, erfährt eine in der Kleinkunstszene längst nicht übliche Wertschätzung. Sabine Lehmbeck tritt selbst als Kabarettistin auf und weiß, wie elend es sich anfühlen kann, hinter der Bühne in einer Bretterbude am Ende des Tunnels auszuharren. "Landkult" bewirtet seine Künstler in einem herrschaftlich anmutenden Salon mit hohen Bücherregalen und Plüschsesseln bei frisch gepresstem Apfelsaft, Tapas und Quiche. Das spricht sich rum in der Branche.

Hinzu kommt der Charme des extravaganten Spielortes: Eine Bühne aus Obstkisten und Europaletten, ein Kühlraum für Bilderausstellungen - das gefällt Publikum und Künstlern. Das sind die Kulissen, die aus Kultur Kult machen können. "Müssen die Bilder wegen der Farbe gekühlt werden?", wollte einmal sogar eine Besucherin wissen. Und ein Künstler erkundigte sich, ob er denn vorsichtshalber eine Strickjacke mitbringen solle. Nein, auf der Diele muss niemand frieren. Schon gar nicht, wenn bis zu 130 Besucher vor der Bühne Platz nehmen.

Schon im September plant Sabine Lehmbeck die Saison für das folgende Jahr. Ihr Mann Martin gestaltet das Layout des Programmheftes und darf zur Belohnung die musikalischen Künstler aussuchen. Zu "Landkult" gehören noch Christian Blumke, verantwortlich für die Bühnentechnik, und Sylvia Bardowicks, die den Markt organisiert und sich um den Kartenverkauf kümmert. Mehrere Schüler helfen ehrenamtlich mit.

Die Kleinkunstbühne auf der Diele decke etwa die Unkosten, sagt Sabine Lehmbeck. Am Ende bleibe ein Taschengeld als Überschuss - wenn sie die eigenen Arbeitsstunden nicht in die Kalkulation einbezieht. Die Kleinkunstreihe sei ein Hobby. Meistens lassen sich die Künstler auf eine faire Beteiligung an den Einnahmen ein. Das macht das Risiko für den Veranstalter überschaubar.

Zwei außergewöhnliche Paare prägen den "Landkult"-Sommer 2010: "Das Geld liegt auf der Fensterbank, Marie", die den Streit zur sinnlichen Lust erheben und Emmi & Herr Willnowsky, die den schlechten Geschmack zur Kunstgattung erheben - wüst, schrill und frivol.

Das Ensemble "Bitte freimachen" von Gastgeberin Sabine Lehmbeck entlarvt 21 Jahre nach dem Mauerfall die immer noch real- existierenden Klischees im wiedervereinigten Deutschland. Herrlich politisch unkorrekt gegen Besser-Wessi und Mecker-Ossi aufeinander los.

Beim Improvisationstheater "Die Spieler" ist die kriminelle Energie des Publikums gefragt. Auf Zuruf der Zuschauer inszenieren die Schauspieler spontan einen Mordfall - Absurditäten garantiert. Das Konzert des schauspielernden A-cappella-Chores Voice'n'Girls, eine Art Heimspiel, ist bereits ausverkauft.

Wen möchte Sabine Lehmbeck denn unbedingt auf ihrer Hoopter Dielenbühne einmal sehen, wenn sie einen Wunsch frei hätte? "Ich hätte gerne Ina Müller", sagt sie, "aber das ist nicht realistisch."

"Landkult", Obsthof Lehmbeck, Hoopter Elbdeich 41, Winsen-Hoopte, Kartenvorbestellung: 04171/2519. www.landkult.de