Wir haben drei gastronomische Neustarts südlich der Elbe getestet und uns frischen Wind um die Nase wehen lassen

1. "Scharf"

Harburg, Lüneburg, Jork. Gassigeher sind kommunikative Menschen. Zwei von ihnen laufen mit ihren Hunden durch die Harburger Lämmertwiete, kommen ins Gespräch und ein paar Monate später eröffnen sie gemeinsam ein Restaurant. Das befindet sich an exponierter Stelle im alten Kalligas-Gebäude am Eingang des Binnenhafens.

"Scharf" steht über der Tür und bezieht sich eher auf den Inhaber als auf das Gewürzniveau. Sven Oliver Scharf und Daniel Wernecke heißen die Hundebesitzer und Lokalpächter. Neun Sommer lang versorgte der Namenspatron in seinem Café Eistraum die Gäste, jetzt springt er ins kalte Wasser des ersten eigenen Restaurants. Kochen hat er sich selbst beigebracht. "Hauptsächlich regionale Küche und Produkte", sagt der Selfmademan. "Modern, nicht abgehoben, weltoffen."

Mittags wird mit den zahlreichen Arbeitnehmern der benachbarten Büros Geld verdient. Zwei Tagesgerichte und zwei Wochengerichte stehen zur Wahl - für preisgünstige 6,90 Euro inklusive Vorspeise und Salat vom Buffet. Hier darf experimentiert werden. Was gut läuft, kommt ins Abendprogramm, die eigentliche Herausforderung.

Nach 18 Uhr ist der Binnenhafen ziemlich ausgestorben. Mit viel Einsatz und bodenständiger Kreativität sollen neue Gäste über die Eisenbahnschienen gelockt werden. Vorweg zum Beispiel mit einer Suppe von Roten Linsen mit Kokosnuss, Curry und gebratenen Garnelen (7,90 Euro). Fischliebhaber bestellen danach häufig auf der Haut gebratenes Zanderfilet auf Spreewälder Rahmsauerkraut mit geschmelzten Tomaten, Kapern und Heidekartoffeln (16,90 Euro), Fleischfans das Lammkarree mit Speckbohnen und Rosmarinkartoffeln (17,90 Euro). Pangasius, der tiefgefroren aus Vietnam angereiste Fisch, sollte trotz Weltoffenheit von der Karte verbannt werden, findet der Kritiker. Das restliche Angebot ist stark genug und schmeckt für unter 20 Euro pro Hauptgericht. Der sonntägliche Langschläfer-Brunch ist eine gute Gelegenheit zum ersten Kennenlernen.

2. "Die Mühle Jork"

Danny Riewoldt hat zusammen mit seiner Partnerin Kerstin Schulze die Mühle in Jork übernommen. Zehn Jahre haben die beiden gemeinsam im Au Quai an der Hamburger Elbmeile gewirkt, er am Topf, sie im Service. Ein Betriebsausflug vor zwei Jahren führte sie in die historische Holländermühle von 1856 und weckte Interesse. Als der vorige Pächter nicht mehr wollte, begann das Abenteuer Selbstständigkeit.

Kerstin Schulzes Ansage des Amuse Gueules (kostenloser Gruß aus der Küche) zeigt, wohin die Reise geht: "Bachsaibling, bei 55°C kurz gegart, auf Wakamisalat kandiert mit Zitronen-Frühlingskräutern und Togarashi-Gewürz aus unserem Kräutergarten." Oha! Hier hat jemand Großes vor. Danny Riewold setzt auf Aromagaren mit vielen Kräutern und Gewürzen.

Ein Blick in die Speisekarte zeigt: Er kreiert Gerichte, die man nicht überall bekommt, mit schottischen Blackface-Lämmern aus Hollenstedt, Kaninchen aus der Eifel oder Forellen, die im Eismeer gelebt haben. Der Star jedoch soll das Produkt sein. Der Chef nennt das "Produktküche", getragen von Frische, Qualität und Geschmack. Großes Kompliment! Jeder Teller, der den Tisch erreicht, ist eine wohl durchdachte Komposition. Einziger Kritikpunkt: Es geht überschaubar zu auf dem Porzellan. "Beilagen dienen lediglich der Begleitung und Unterstützung des Produktes", beschreibt Danny Riewoldt sein Konzept. Wer abends satt werden möchte, muss etwa 50 Euro in ein Menü investieren.

Mittags geht es moderater zu. 32 à la carte-Plätze umgeben von viel Mühlengeschichte hat ihr Restaurant zu bieten. "Wir sind seit fünf Wochen jeden Abend ausgebucht", erzählt die Chefin nicht ohne Stolz. Lobenswert ist ihre Vorliebe für norddeutsche Erzeuger - vom Lüneburger Räucheraal bis hin zur Backensholzer Käseauswahl. Die Karte wechselt je nach Lust, Laune und Marktlage. Backwerk, das nachmittags auf der Mühlenterrasse mit schönem Blick in die Obstplantagen genossen wird, hat Doris Schulze, die Mama der Inhaberin, selbst gebacken.

3. "Canoe"

In der früheren Lüneburger Feuerwehrhauptwache entstand das Hotel Altes Kaufhaus. Das Gebäude mit seinem markanten Barockgiebel aus dem 16. Jahrhundert wurde vom Lüneburger Unternehmer und Hotelier Henning J. Claassen komplett saniert und mit viel Geschmack wieder aufgebaut. Unser Gaumenmerk gilt dem Canoe, das amerikanische Restaurant des Hauses. Nach Klischees von US-Gastronomie sucht man hier vergebens. Claassens Konzept ist durchdacht anders: kein Fastfood, keine Regeneration von Speisen, alles frisch gekocht.

Bereits die Karte ist ein Augenschmaus. In großen Bildern wurde jedes Gericht so fotografiert, dass man es am liebsten sofort bestellen möchte. Gleichwohl ist es eine leichte, einfache Küche, die hier geboten wird. Die aufgeschnittene Scheibe vom Eisbergsalat mit Blue Cheese Dressing und Baconstreuseln ist an Simplizität nicht zu überbieten, schmeckt aber als Starter oder Beiprogramm ganz köstlich. Bei 5,50 Euro auf der Rechnung mag ich mir den Wareneinsatz gar nicht vorstellen.

Das Angebot ist gut durchdacht. Einige nicht alltägliche Sandwichgerichte (ab 6,50 Euro) sind dabei, natürlich der Caesar's Salad mit Parmesan und gegrillter Hähnchenbrust (11,50 Euro) sowie die berühmte Champagner-Senfsuppe (6,50 Euro), Henning J. Claassens Lieblingssuppe, die in fast allen seiner Restaurants serviert wird. In Sachen Fleisch- und Fischvielfalt kann die Küche noch zulegen. Zwei Steakvariationen (ab 17,50 Euro) erscheinen bei diesem trendigen Thema recht mager. Wenn's schön ist, sitzen die Gäste direkt über der Ilmenau. Herrlich!

SCHARF

Harburger Schloßstraße 2

21079 Hamburg

Telefon 040 - 77 44 22

www.restaurant-scharf.de

Öffnungszeiten: Mo - Fr 11.30 - 14.30 Uhr. Di - Sa 18 - 22 Uhr. So 10 - 16 Uhr.

2. DIE MÜHLE JORK

Am Elbdeich 1

21635 Jork

Telefon 04162 - 63 95

www.diemuehlejork.de

Öffnungszeiten: täglich 12 - 17 Uhr. und 18 - 22 Uhr. Dienstag Ruhetag

CANOE

im Hotel Altes Kaufhaus

Kaufhausstraße 5

21335 Lüneburg

Telefon 04131 - 3088-624

www.alteskaufhaus.de

Öffnungszeiten: täglich 6.30 - 23 Uhr