Beim Plattdeutschen Lesewettbewerb am Kiekeberg forderten Lehrer und Sprachliebhaber mehr Unterricht an Schulen

Rosengarten. Es sind bange Minuten. Minuten, die Kristin Beecken wie Stunden vorkommen müssen. Mit angespannter Miene blickt die 14-Jährige in Richtung Bühne. Gleich wird sie erfahren, ob sie die Jury von ihren Plattdeutsch-Künsten überzeugen konnte. Jetzt ist sie wieder da, diese Anspannung. Genau wie vor rund drei Stunden, als die Schülerin vom Gymnasium Hittfeld im Rahmen des Plattdeutschen Lesewettbewerbs im Freilichtmuseum am Kiekeberg einen Text präsentieren musste. Ihren Text. "Ein lustiges Stück, das von Lutz und seinem Vater erzählt, der mit dem Auto ein wahres Verkehrschaos anrichtet", erzählt Beecken.

Ob der Jury die Geschichte gefallen hat, konnte man aus den Gesichtern der Herrschaften kaum ablesen. Mit festem Blick lauschten sie Beeckens Vortrag, den die Schülerin - zumindest aus Sicht eines Laien - überzeugend präsentiert hat. Mit der Aussprache des Niederdeutschen hat die Gymnasiastin jedenfalls kein Problem, denn in ihrer Familie wird ausschließlich "Platt gesnackt". "Hochdeutsch habe ich nebenbei gelernt", sagt Beecken. Gleichwohl, betont sie, sei es ein großer Unterschied, ob man Plattdeutsch spreche oder lese. "Das Lesen ist deutlich schwieriger", so das Credo der 14-Jährigen. Doch zumindest bei der Präsentation ihres Textes war davon nichts zu merken.

"Sie hat ihre Geschichte wirklich mitreißend vorgetragen", fand auch Lehrerin Annette Hardinghaus-Spendlin, die die am Lesewettbewerb teilnehmenden Schülerinnen und Schüler des Hittfelder Gymnasiums zur Veranstaltung begleitete. Die Deutsch-Lehrerin findet es schade, dass das Niederdeutsche an vielen Schulen in Vergessenheit gerät. "Es wäre schön, wenn Plattdeutsch offiziell in den Lehrplan aufgenommen werden würde, dann könnte man die Sprache intensiver lehren und erhalten", sagt Hardinghaus-Spendlin. Eine ähnliche Auffassung vertritt auch Axel Kliemann. Der Plattdeutsch-Beauftragte für die Schulen im Landkreis Harburg wünscht sich, dass die traditionsreiche Regionalsprache im Unterricht eine größere Bedeutung erhält. "Im Rahmen des Deutschunterrichts kann das Plattdeutsche zwar gelehrt werden, aber verpflichtend ist das bislang nicht", erklärt Kliemann. So sei es letztlich symptomatisch, dass sich immer weniger Schulen an Plattdeutsch-Wettbewerben beteiligen. "Dieses Mal waren es gerade einmal 20 Schulen", sagt Kliemann, "früher gab es eine deutlich höhere Resonanz." Der Schulleiter aus Marschacht hofft, dass der Plattdeutsch-Unterricht in Niedersachsen ähnlich intensiviert wird, wie im Nachbarland Hamburg. Dort will die Schulbehörde mit Hilfe eines neuen Rahmenplans in den Klassen eins bis vier für eine starke Akzentuierung der niederdeutschen Sprache im Unterricht sorgen. Binnen zwei Jahren soll die Zahl der Lehrer, die Plattdeutsch unterrichten, deutlich erhöht werden. Doch auch in Niedersachsen gibt es laut Kulturministerium neue Pläne. Momentan befindet sich ein Mitte April beschlossener Erlass-Entwurf in der öffentlichen Anhörung bei den zuständigen Verbänden. Die im vorschulischen Bereich erworbenen Sprachkenntnisse in Niederdeutsch und Saterfriesisch sollen demnach fortgeführt und der Unterricht mit dem Ziel des Spracherwerbs weiter ausgebaut werden. "Kenntnisse in Niederdeutsch können im Einstellungsverfahren für Lehrkräfte zu einem bevorzugten Einstellungskriterium werden", heißt es aus dem Ministerium. Mehr Unterricht auf Plattdeutsch also?

Zumindest Kristin Beecken würde sich das wünschen. "Sonst stirbt die Sprache irgendwann aus", sagt sie. Ihre Freunde sprechen kein "Platt", haben ihr für den Lesewettbewerb aber fest die Daumen gedrückt. Mit Erfolg. Als der Gewinner des Wettbewerbs in Kristins Altersstufe aufgerufen wird, fällt tatsächlich ihr Name. "Ein tolles Gefühl", sagt die 14-Jährige und strahlt. Neben einer Urkunde erhält sie ein kleines Preisgeld von der Sparkasse Harburg-Buxtehude. Am 7. Juni wird Beecken dann, genauso wie die anderen Sieger ihrer Altersklassen, am Bezirksentscheid teilnehmen. "Platt snacken lohnt sich also", so Kristins Fazit.