In der Haupt- und Realschule Hanstedt lernen Schülerinnen und Schüler in einem Projektkursus, wie Honig produziert wird

Hanstedt. Autsch, das tat weh! Ben hat den ungleichen Kampf verloren. Sein Gegner: eine wenige Millimeter große Biene. Der flauschige Fluggenosse hatte sich offenbar bedroht gefühlt und einfach zugestochen - und das ausgerechnet in Bens Gesicht. "Haben Sie was zum Kühlen?", fragt der Neuntklässler im Sekretariat der Haupt- und Realschule Hanstedt. "Natürlich", antwortet die Sekretärin und kramt im Eisfach des Kühlschranks nach einem kleinen blauen Päckchen. Minuten später sind die Schmerzen vergessen. Ben kehrt zu seiner Gruppe zurück und wird von den Schulkameraden mit bedauernden Blicken in Empfang genommen. "Normalerweise wird hier niemand gestochen", sagt Hubert Tichek, der die Gruppe betreut, "aber manchmal kann man das eben nicht verhindern."

Seit rund zwei Jahren bietet Tichek, der in Hanstedt eigentlich Chemie und Biologie unterrichtet, den Schülerinnen und Schülern im Rahmen ihrer Wahlpflichtkurse an, das Imkern von der Pike auf zu erlernen. Was Kindern sonst nur mittels der Fernsehsendung "Biene Maja" vergegenwärtigt wurde, wird in Hanstedt nun am lebenden Objekt gezeigt. In Theorie- und Praxiseinheiten erfahren die Jungen und Mädchen, wie Bienenvölker leben, wie sie arbeiten und schließlich auch Honig produzieren. Der Ertrag kann sich durchaus sehen lassen: Im vergangenen Jahr konnten die Projektteilnehmer zwei ganze Eimer voll mit klebrig-süßer Masse ernten und diese teilweise sogar verkaufen. "Das ist schon ein stattliches Ergebnis", sagt Tichek, "mal sehen, ob wir das noch steigern können." Die diesjährige Ernte ist für Anfang Juni geplant. Zwei Bienenvölker und ein Ableger werden derzeit auf dem Schulgelände beherbergt. Dank gepflanzter Äpfelbäume und Kräuterbeete haben die rund 160 000 kleinen Honigproduzenten beste Voraussetzungen, um sich hier zu vermehren und genügend Nahrung zu finden. Dass diese Bedingungen jedoch nicht überall gegeben sind, wurde den Jungen und Mädchen des Imkerprojektes bereits frühzeitig beigebracht. "Die Situation der Bienen hat sich in den vergangenen Jahren deutschlandweit rapide verschlechtert", sagt Imker-Experte Tichek. Vor allem der zunehmende Maisanbau für die Energiegewinnung stellt für die Bienen-Population eine Bedrohung dar. "Sie finden immer weniger eiweißreiche Nahrung aus Blütenpflanzen", erklärt Tichek. Deshalb sei es wichtig, vor allem auch Bienenweidepflanzen anzubauen und Wildkräuter zu säen.

Letzteres haben Schülerinnen und Schüler des Projektkurses im Bienengarten ihrer Schule tatkräftig umgesetzt. Hubert Tichek hält es für sinnvoll, die Kinder und Jugendlichen schon in jungen Jahren mit der Imkerei und Bienenhaltung vertraut zu machen. "Sie lernen hier an einem konkreten Beispiel nicht nur etwas über Umweltschutz und Ernährung, sondern machen das Imkern vielleicht später auch privat zu ihrem Hobby", so der 49-Jährige. Immerhin: Auch in Ticheks aktueller Projektgruppe scheint es ein paar Schüler zu geben, die sich zukünftig eine intensivere Beschäftigung mit der Imkerei vorstellen können. Das Grundlagenwissen ist jedenfalls vorhanden. Und wenngleich sich herausstellen sollte, dass die direkte Arbeit mit den Bienen nichts für die Jungen und Mädchen ist, so können sie im Rahmen des Projektes zumindest ihre Geschäftstüchtigkeit unter Beweis stellen und in Sachen Vertrieb und Marketing dazulernen. "Wir planen eine Schülerfirma, die sich auch um den Verkauf und die Vermarktung des Honigs kümmert", erklärt Schulleiterin Susanne Graßhoff.

Ideen gibt es viele: Sowohl die Produktpalette, als auch die Aufbereitung der Erzeugnisse aus dem Bienengarten ließen sich erweitern. "Vielleicht können in ein paar Jahren sogar Marmelade oder Apfelgelee produziert werden", spekuliert Graßhoff.

Die 55-Jährige ist froh, den Kindern und Jugendlichen an ihrer Schule etwas so Ungewöhnliches wie das Imkern vorstellen und anbieten zu können. Ohne die zahlreichen Spenden aus der Region und die private Initiative von Lehrern und Eltern, sagt sie, wäre das sicher nicht möglich gewesen. Aber es ist wohl diesem Engagement und Ideenreichtum der Hanstedter zu verdanken, dass sie sich gegenüber neuen Projekten wie dem des Imkerkurses an der Haupt- und Realschule aufgeschlossen zeigen. Bleibt also nur noch abzuwarten, wann aus dem Hanstedter Honig mehr wird als ein kulinarischer Geheimtipp. Genügend fleißige Bienchen für das ambitionierte Projekt gibt es ja bereits.