Wahl-Elbinselbewohnerin Beate Konietzko sieht der Internationalen Gartenschau mit gemischten Gefühlen entgegen

Wilhelmsburg. Beate Konietzko ist 56 Jahre alt und schon ziemlich oft umgezogen in ihrem Leben. Aufgewachsen ist sie in Fürstenberg an der Weser in Niedersachsen. Es folgten Stationen in Braunschweig und in Wolfenbüttel. Ihre Ehe zerbrach - da zog Frau Konietzko nach Hamburg. Sie wohnte erst in Poppenbüttel, dann in Farmsen und Fuhlsbüttel. "Seit fünf Jahren", sagt Frau Konietzko, "weiß ich, wo ich hingehöre. Denn seit fünf Jahren bin ich begeisterte Wilhelmsburgerin. Hier auf der Elbinsel ist es in schön - hier bleibe ich jetzt!"

Frau Konietzko hatte der Redaktion einen Brief geschrieben. "Ich wohne im nördlichen Reiherstiegviertel, in der Zeidlerstraße. Unser Stadtteil bereitet sich gerade auf die Internationale Bauausstellung und die Internationale Gartenschau im Jahr 2013 vor. Große Dinge passieren, der Stadtteil verändert sich gewaltig, jedoch nicht immer nur zum Vorteil."

Wir verabreden uns mit Frau Konietzko vor dem Rathaus Wilhelmsburg. Das Wetter meint es gut mit uns an diesem Tag. Unser Plan: Wir stiefeln mal ganz in Ruhe über das künftige Gartenschaugelände, streifen ein paar interessante Baustellen und machen uns ein Bild davon, wie sich die "Neue Mitte" Wilhelmsburgs wandelt in diesen Tagen.

"Ich bin dann heute mal ihre Stadtteilreporterin", schmunzelt Frau Konietzko, als wir starten. Wir überqueren die Mengestraße und bleiben vor einem Bauzaun stehen. "Das wird unser neuer Hafen", sagt Frau Konietzko und zeigt auf die neue Anlegestelle für Barkassen vor dem Bürgerhaus Wilhelmsburg.

Ab 2012 sollen hier Barkassen festmachen - Barkassen, die vom Hamburger Rathaus zum Rathaus Wilhelmsburg fahren. "Ich bin skeptisch, ob diese Route gut angenommen werden wird", sagt Frau Konietzko. "Die Frage ist ja, ob hier eine entsprechende Infrastruktur mit Restaurants und Cafés entsteht, so dass Wilhelmsburg ein interessantes Ausflugsziel für Menschen aus der Metropolregion Hamburg wird."

Wir gehen weiter zur Neuenfelder Straße, um auf das igs-Gelände zu kommen. Das künftige Verwaltungsgebäude der Internationalen Gartenschau (igs) sieht schon nach einem richtigen Haus aus - im August 2011 wollen die igs-Macher hier einziehen, in ein Hybrid-Haus. Frau Konietzko fängt an, über die Schönheit Wilhelmsburgs zu reden. "Die Insellage des Stadtteils schätze ich sehr, ich bin ja ein Wasserkind, an der Weser geboren. Jetzt wohne ich wieder am Wasser, das ist schön."

Wir passieren das Wasserbecken, in dem ab 2013 die schmucken "Water Houses" der Internationalen Bauausstellung (IBA) stehen werden und wo zahlungskräftige Wilhelmsburg-Fans Eigentum erwerben können und dann mit ihrem Kanu "von Wilhelmsburg nach Amerika paddeln könnten", wie IBA-Chef Uli Hellweg bei der obligatorischen Stelen-Enthüllung sagte.

Hinter den "Water Houses" fängt eine riesige, öde Sandfläche an. "Hier ist schon ganz schön viel Erde bewegt worden", analysiert Frau Konietzko. "Unglaublich, wie viel Erdmassen bewegt werden, um für die Gartenschau Gelände zu schaffen. Dabei musste ein Großteil des alten Baumbestandes weichen. Mehr als 2000 kräftige Bäume hat die igs schon fällen lassen. Aber auf dem Gartenschaugelände werden nicht wieder so viele neue Bäume angepflanzt, sondern irgendwo auf Feldern im Wilhelmsburger Osten, wo kein Mensch hinkommt. Es ist schon komisch und befremdlich, dass für eine Gartenschau so viel Natur weichen muss."

Die Bäume, die die igs-Planer fällen ließen, sind an diesem Tag immer wieder Thema beim Rundgang über das igs-Gelände. 2,5 Millionen Besucher erwartet die Gartenschau zwischen April und Oktober 2013. Sie werden durch "80 Gärten durch die Welt" marschieren und wenn sie fußmüde sind, können sie in eine schnieke igs-Bahn steigen. "Wollen die Besucher zu einer Gartenschau ohne schöne, alte Bäume kommen?", fragt Frau Konietzko, als wir den Kleingartenverein Grüner Deich von 1922 passieren. Zwischen den Kleingärten wird derzeit ein rund 500 Meter langer "Rosenboulevard" gebaut. Einige Kleingärten werden aufgepäppelt und igs-tauglich gemacht - die Gartenschau unterstützt die Kleingärtner.

Der Zufall will es, dass wir vor einer Parzelle, die gerade igs-tauglich gemacht wird, einen Projektkoordinator der igs treffen: Arne Dainz, 32. Er betreut das Projekt "Rosenboulevard". "Die Rosen werden auf die flache Böschung kommen", erklärt uns der igs-Mann. "Wir werden alte und neue Sorten nehmen." Derzeit laufe gerade ein gärtnerischer Wettbewerb für Stauden, Wechselflor, Gehölze und Rosen. Gärtner aus ganz Deutschland machen mit, Koordinator ist die Deutsche Bundesgartenschaugesellschaft, die auch eine Dependance in der aktuellen igs-Bleibe im Wilhelmsburger Süden hat.

"Wann wurden hier Bäume gefällt", will Frau Konietzko von Herrn Dainz wissen. "Das kann ich ihnen nicht sagen", sagt der freundliche igs-Mann. "Aber nicht alles, was in Wilhelmsburg passiert, ist Schuld der igs. Es gibt auch andere Maßnahmen der Stadt Hamburg, die laufen."

Herr Dainz meint damit zum Beispiel den Neubau der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt an der Neuenfelder Straße - in die die Behördenleute vielleicht nie einziehen werden (das Hamburger Abendblatt berichtete). Für den 210-Millionen-Euro-Bau musste ein gesetzlich geschütztes Biotop mit Erlensumpfwald weichen.

"Was auf dem igs-Gelände passiert, ist schön, und es ist nicht schön", resümiert Frau Konietzko. Herr Dainz hat prompt eine Antwort parat: "Warten Sie doch mal ab, wie schön es hier mal aussehen wird. Es werden auch noch viele neue Bäume gepflanzt werden."

Frau Konieztko ist nicht ganz überzeugt. Wir überqueren auf der alten IGA-73-Brücke die Wilhelmsburger Reichsstraße und machen uns auf den Rückweg durch den westlichen Teil des igs-Geländes. Entlang der gelichteten Rathauswettern macht sich Frau Konietzko Gedanken um "das Ganze - wie es weitergeht mit unserer Elbinsel".

Antworten hat die Wahl-Wilhelmsburgerin umgehend parat: "Wir müssen die Bewohner hier mehr einbinden in die Projekte. So wie bei der Aktion 'Unser Dorf soll schöner werden'. Und Wilhelmsburg kann noch viel schöner werden. Wir können den igs- und IBA-Besuchern ja nicht den ganzen Müll und Dreck auf den Straßen zumuten, dem man leider überall begegnet. Sonst hauen die Besucher schnell wieder ab."