Ein Telefonhäuschen als Bibliothek - das gibt es in Hamburg nur in Neugraben

Neugraben. Längst können in der Telefonzelle am Neugrabener Markt keine Telefongespräche mehr geführt werden. Dafür erhält derjenige, der möchte, Anschluss an die Welt der Bücher. "Er kann in Verbindung mit Literatur treten", sagt Bücherhallen-Leiter Mathias Pfeifer. Denn der kleine Büchertausch, so der Name der orangefarbenen Zelle, hält Bücher bereit.

Das Konzept: "Jeder kann ein Buch zum Tausch ins schmale Regal legen und sich im Gegenzug ein Exemplar mit nach Hause nehmen", so Pfeifer. Mit Werken wie Anna Karenina und Hanni und Nanni sind es nicht aktuelle Titel die sich im schmalen Regal befinden, "aber wer gern liest und über ein schmales Budget verfügt, freut sich über die alten Schinken", so der Bücherhallen-Chef. Bereits seit Oktober gibt es dieses Angebot für Neugrabener Leser.

Unterstützt wird dieses hamburgweit einmalige Projekt vom Stadtteilbüro Steg, von den Geschäftsleuten sowie vom Förderverein und der Bücherhalle. Ein Mitarbeiter des türkischen Obst- und Gemüsehandels, der sich in unmittelbarer Nachbarschaft von Neugrabens ungewöhnlicher Verbindungszelle zur Bücherwelt befindet, schließt die Zelle morgens, gegen 6 Uhr, auf und sperrt sie abends um 22 Uhr wieder zu. An sieben Tagen in der Woche. "In anderen Städten gibt es Bücherbusse oder kleine Schuppen. Wir haben uns für eine ausrangierte Telefonzelle entschieden. Die hat ein Unternehmer aus Neu Wulmstorf angeboten."

Anfangs waren die Initiatoren skeptisch, rechneten damit, dass das Häuschen mit Graffiti beschmiert, vermüllt oder beschädigt wird. Aber da die Polizei den Platz im Blick hat, steht die Zelle eher nicht im Mittelpunkt von Randalierern. "Wir glauben allerdings auch, dass es der Respekt vor der Literatur ist, der diese Leute davon abhält, die Scheiben einzutreten", sagt Pfeifer lächelnd. Der kleine Büchertausch werde gut angenommen, manchmal allerdings zu gut. "Dann stellen die Leute Kisten mit alten Büchern vor die Zelle. Die können wir leider nicht unterbringen." Positiv bewertet Pfeifer die vielen Kinder- und Jugendbücher, die sich in der Zelle befinden.

Für die Steg ist das Lese-Projekt ein Erfolg. "Kleine Impulse, die sich schnell realisieren lassen und mit denen die Bürger Erfahrungen machen können, sind immer toll", sagt Steg-Mitarbeiterin Frauke Rinsch, die in ihrem Büro in der Nähe beobachten kann, wer in der Zelle ein und aus geht: "Da sind alle Altersgruppen vertreten."

Viele verstehen das Literaturhäuschen als Ort der Begegnung. So auch Christa Körnig, die für die Besucher bastelt und sie in die Regale hängt. Zum Mitnehmen. "Es ist doch schön, wenn sich die Menschen daran freuen können", sagt die Fischbekerin. Pfeifers Praktikant Leon Kosch, 17, hat noch keine Erfahrungen mit der kleinen Bücherwelt gemacht. "Aber es macht schon neugierig zu schauen, was sich da in den Regalen befindet."

CDU-Kreischef Ralf Dieter Fischer, der um die Ecke in seiner Anwaltskanzlei arbeitet, findet auf Anhieb etwas passendes für seinen Enkel. "Wenn er mal größer ist, kann ich ihm daraus vorlesen", sagt er. Er greift sich von Carlo Collodi "Pinocchio". Seine Meinung zum kleinen Büchertausch: "Alles, was Neugrabens Innenstadt attraktiver macht, ist hier willkommen", sagt er. Das Angebot sei besonders für Neugrabener, die es sich nicht leisten können, teure Bücher zu kaufen, sehr sinnvoll. Der "Pinocchio" aus der Zelle sei somit für andere Großeltern reserviert. Er wünscht sich mehr interaktive Projekte, die die Neugrabener zusammenbringen. "Das könnte eine Kunststoffeisbahn auf dem Marktplatz sein. Der kleine Büchertausch hier ist nur ein Anfang."