Führung mit Revierförster Schulze durch die Harburger Berge

Harburg. Wer hätte das gedacht: Mit 52 Millionen Besuchen im Jahr, so eine Schätzung des Forstamtes Hamburg, sind die Wälder einer der größten Besuchermagnete der Stadt. Markenzeichen des Hamburger Südens sind die Harburger Berge, ein 1100 Hektar großes Waldgebiet. Der Revierförster Eißendorf, Bernd Schulze, 59, zeigte 27 Männern, Frauen und Kindern am Sonnabend sein 520 Hektar großes Reich - auf den Wegen und querfeldein zu unbekannten Stellen. "Wild unterwegs" mit dem Förster - der Reporter vom Hamburger Abendblatt war mit dabei.

Die Gruppe bricht an der Fußgängerbrücke "Majestätische Aussicht" auf. Der Name des Platzes am Ehestorfer Weg geht auf die Erzählung zurück, dass der britische König Georg II. (1683-1760), zugleich Kurfürst von Hannover, bei einem Blick von den Harburger Bergen auf Hamburg entzückt ausgerufen haben soll: "Welch eine majestätische Aussicht!"

Majestätisch wirkt die Stelle heute nicht mehr. Die Autobahn 7 zerschneidet hier den Wald. Die vorbei fahrenden Autos stören jedes Gespräch. Idylle klingt anders.

Doch jenseits der A 7-Fußgängerbrücke, nur einen Katzensprung weiter, beginnt die Ruhe. Die Hamburger Forste, sagt Bernd Schulze, seien in erster Linie Erholungswälder. Der Verkauf von Holz spiele eine untergeordnete Rolle. Die Aufgabe der Förster sei es, attraktive Wälder zu gründen.

Ein Beispiel dafür bekommt die Gruppe nur wenig später zu sehen. Bernd Schulze verlässt den öffentlichen Weg. Das Gehen über loses Blattwerk kostet mehr Mühe, versteckte Wurzeln oder am Boden liegende Äste lassen manchen straucheln. Die Anstrengung lohnt sich: Die Wanderer stoßen auf eine Baumleiche, bewachsen mit tellergroßen Pilzen, die hart sind wie Stein. Wie eine Skulptur, eine Art Totempfahl, sieht der Stamm aus. Kunst im Wald, aber nicht von Menschenhand. Früher hätten Förster solches Totholz entfernt, sagt Schulze. Heute sei die Philosophie eine andere.

Wer aufmerksam durch die Harburger Berge geht, dem werden kreisrunde Mulden mit mehreren Meter Durchmesser auffallen. Sie sind Spuren der Geschichte: Bombenkrater aus dem Zweiten Weltkrieg. Warum Bomben ausgerechnet über dem Wald heruntergehagelt sind, dafür gibt es eine plausible Theorie. In den Harburger Bergen wurde früher Braunkohle abgebaut. Die Deutsche Wehrmacht nutzte später Stollen als Munitionsdepots. Mit Luftangriffen hätten die Alliierten versucht, die Munitionslager zu zerstören.

Bombensplitter stecken manchmal heute noch in einigen Baumstämmen - sehr zum Ärger der Försterei, die Holzwirtschaft betreibt. Die Splitter können die Maschinen in der Sägerei beschädigen, sagt Bernd Schulze. Mulden anderer Art, viel kleiner und flacher als die Weltkriegskrater, dürften den meisten Waldspaziergängern nicht auffallen. Dem geübten Blick des Revierförsters entgehen sie aber nicht. Mit einem frei geschabten Kreis auf dem Waldboden "plätzt" der Rehbock sein Revier. Zusätzlich scheidet der König der Harburger Berge einen Duftstoff aus, der jungen Rivalen unmissverständlich klar machen soll: Dieses Revier ist besetzt!

Wie viele Rehe in den Harburger Bergen leben, weiß der Förster nicht: "Wir haben früher versucht zu zählen", sagt er, "heute machen wir das nicht mehr." Damit die Population nicht Überhand und der Wald keinen Schaden nimmt, gibt es im Dezember und Januar sogenannte "Beunruhigungsjagden".

Das seien keine Gesellschaftsjagden, bei denen nebenbei Geschäfte gemacht würden, sagt Schulze. Effektiv und professionell gehe es da zu. 55 bis 60 Stück Wild werden im Jahr geschossen. Das Fleisch veräußert das Forstamt später an besonderen Verkaufstagen an die Bevölkerung. Jedoch nur im Forst Klövensteen, nicht in Harburg.

Rehe bekommt die Wandergruppe auf dem drei Stunden dauernden Fußmarsch nicht zu sehen. "Sie liegen bevorzugt exponiert auf einer Höhe", sagt Bernd Schulze. Die höchsten Hügel sind 120 Meter hoch. Wer lebt noch in den Harburger Bergen? Wildschweine, viele Hasen, der Fuchs, der Dachs und der Marder, sagt der Revierförster. Ob denn auch Schlangen durch das Unterholz kriechen, will jemand wissen. Nein, beruhigt Bernd Schulze, für sie sei es hier zu trocken.

Hamburgs Förster versuchen zurzeit, den Laubwald zu fördern. Die Buche ist die dominierende Baumart. Die Anteile von Laub- und Nadelwald halten sich in den Harburger Bergen in etwa die Waage. Kiefer und Fichte, heute nicht so "en vogue", behalten ihre Berechtigung. "Wir wissen nicht, wie das Klima in 100 Jahren sein wird", sagt der Bernd Schulze, "wir nehmen die ganze Palette der Natur."

Am Ende nach einem drei Stunden langen Streifzug durch den Forst zeigen sich die Teilnehmer begeistert. Bernd Schulze kündigt deshalb eine Herbstführung an. Dann soll es in den "Stuck" gehen.