Mit einer Demonstration am Sonnabend in der Hamburger Innenstadt soll ein Ende der Laborversuche und ein Umdenken in der Politik bewirkt werden

Rade. Eine Bürgerinitiative aus dem Landkreis Harburg rückt am Sonnabend in der Hamburger Innenstadt in den Mittelpunkt der Öffentlichkeit: Die Lobby pro Tier ist einer von drei Veranstaltern der zentralen Kundgebung zum Abschluss der Aktionswoche nach dem Internationalen Tag zur Abschaffung der Tierversuche am 24. April.

Die bundesweite Vereinigung Ärzte gegen Tierversuche, der Verein Bürger gegen Tierversuche und Lobby pro Tier wollen den Fokus der Öffentlichkeit auf die Tierversuche an mehreren Instituten und Kliniken des Universitätsklinikums Eppendorf und des Unternehmens Labor für Pharmakologie und Toxikologie in Neugraben (LPT) richten.

LPT betreibt eine Außenstelle bei Mienenbüttel, testet die Giftigkeit von Medikamenten, Chemikalien und Nahrungsergänzungsmitteln. Früher war die Tierversuchsanstalt, wie sie in einigen Landkarten vermerkt ist, hinter Bäumen versteckt. Seit das Wäldchen für den Bau des Logistikparks bei Mienenbüttel weichen musste, ist das Labor für Spaziergänger sichtbar. Besucher sind unerwünscht. Zäune und Stacheldraht schützen das Gelände. LPT in Mienenbüttel empfängt selbst Neu Wulmstorfs Bürgermeister Wolf Rosenzweig nicht, der die Unternehmen in seiner Gemeinde zu besuchen pflegt.

Jahrelang hat Sabine Brauer, 55, aus Rade das Bellen der Hunde aus den Laborkäfigen gehört. "Du kannst ja eh' nichts machen", hatte sie damals gedacht. Dass Beagles in ihrer Nachbarschaft für Tests sterben müssen, ließ ihr aber keine Ruhe. Zwei Hunde und zwei Katzen leben in ihrem Haus. Im März 2009 gründete Sabine Brauer die Bürgerinitiative gegen Tierversuche Lobby pro Tier. Ein wichtiger Partner ist seitdem die Vereinigung Ärzte gegen Tierversuche. "Ich wollte nicht nur aus so einem Gefühl heraus handeln", sagt sie, "sondern brauchte fachliches Wissen. Sonst wirst du nicht ernst genommen."

Nach nur zwei Jahren hat sich Lobby pro Tier den Ruf der Ernsthaftigkeit offenbar erworben. Vor der Wahl zur Hamburger Bürgerschaft war die Bürgerinitiative bei einer Podiumsdiskussion zum Tierschutz gefragt. Die SPD und die Grünen in Neu Wulmstorf haben jeweils einen Passus zum Tierschutz in ihre Wahlprogramme aufgenommen. "Mittlerweile", sagt Isa-Corinna Scholz, eine von heute 20 Mitstreitern der Bürgerinitiative, "melden sich Fernseh- und Radiosender bei uns."

Im Durchschnitt 20 Stunden Arbeit in der Woche steckt Sabine Brauer in den Kampf gegen Tierversuche. Das alles zusätzlich zu ihrem Broterwerb als selbstständige Unternehmerin, einem Service für das Abrechnungswesen. Sie sammelt Unterschriften, spricht mit Politikern, Medien und Nachbarn. Sie pflegt den Kontakt zu anderen Tierversuchsgegnern und durchsucht das Internet nach Informationen, etwa heimlich aufgenommene Videos aus Tierversuchslabors.

Lobby pro Tier will das Bewusstsein bei den Menschen ändern: "Wir wollen, dass aus der Öffentlichkeit heraus Druck entsteht", sagt Sabine Brauer. Druck, an dem der Gesetzgeber irgendwann nicht mehr vorbeikommt. Druck, der zu einem Verbot von Tierversuchen führt. "Ich kann nicht nachvollziehen", fügt die Frau aus Rade hinzu, "dass Menschen sich hinstellen können und Mäusen etwas spritzen, so dass die Tiere vier Tage lang verrecken."

Beinahe 2,8 Millionen Tiere sind 2009 nach Angaben des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Deutschland bei Versuchen verwendet worden. Lobby pro Tier und Ärzte gegen Tierversuche bezweifeln, dass Tests an Tieren wissenschaftlich notwendig sind - selbst für die Herstellung von Medikamenten nicht. Alternativen seien Organpräparate, im Reagenzglas gezüchtete Zellkulturen oder auch Computersimulationen.

Im Alter von 18 oder 19 Jahren, erinnert sich Sabine Brauer, habe sie zuletzt an einer Demonstration teilgenommen. Damals ging es gegen die Nutzung der Atomkraft. Am Sonnabend wird die heute 55-Jährige in der Hamburger City als einer der Hauptredner bei der Abschlusskundgebung gegen Tierversuche sprechen. Sie wird etwas zu dem Tierversuchslabor vor ihrer Haustür in Mienenbüttel sagen. Und vielleicht auch, dass Menschen sich im Kleinen ändern können. So wie Sabine Brauer selbst, die einfach anfing, eine Tierschutzorganisation aufzubauen und seit zwei Jahren Fleisch von ihrem Speiseplan gestrichen hat.